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Bayreuths Bürgermeister: Ein Gentleman mit Fingerspitzengefühl

In Teil 9 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Dr. Leopold Casselmann.


Bayreuth oder Augsburg?

Am 15. Februar 1900 starb Theodor Ritter von Muncker im 77. Lebensjahr am 37. Jahrestag seiner Bürgermeisterwahl. Schon am 1. März tagten 33 Mitglieder des Gemeindecollegiums im Saale des Frohsinns und wählten den liberalen Reichtags- und Landtagsabgeordneten Dr. Leopold Casselmann zum neuen Stadtoberhaupt. 

Dr. Gustav Holle schreibt in seinem Buch “Geschichte der Stadt Bayreuth: 

Obgleich demselben zu gleicher Zeit von der Stadt Augsburg die stelle eines 1. Bürgermeisters angetragen war, so entschied sich derselbe doch für seine Vaterstadt. Am 11. April vormittags um 11 Uhr fand in dem festlich geschmückten Saale des Gasthofs zum Anker dessen feierliche Einsetzung durch den kgl. Regierungsrath Adolf Zink statt, worauf ein Festessen mit 170 Theilnehmern folgte.

Der letzte Oberbürgermeister der Kaiserzeit

Der überzeugte Monarchist und Patriot, der sich ab 1907 “Oberbürgermeister” nennen durfte, regierte übrigens nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 eine Seelenzahl von 29.384 in 6.144 Haushaltungen. In Bayreuth lebten damals 23.580 Protestanten, 5.199 Katholiken und 375 Israeliten. Die Amtszeit des Bayreuther Ehrenbürgers dauerte bis 30. Juni 1919. Er war der letzte Bayreuther Oberbürgermeister der Kaiserzeit.

Ein Gentleman

Casselmann ist am 29. Juni 1858 im hessischen Fischbeck geboren, kam aber als 13-jähriger Gymnasiast nach Bayreuth. Er studierte in Marburg Rechtswissenschaft, wurde Reserveoffizier und war ab 1886 an in Bayreuth als Rechtsanwalt und ab 1891 als städtischer Magistratsrat tätig.

Von 1897 bis 1918 war er Mitglied des Bayerischen Landtags und stieg bis zum Fraktionsvorsitzenden seiner Nationalliberalen Partei und Vizepräsident des Bayerischen Landtags auf. Als Nachfolger Feustels zog er 1891 gleichzeitig in den Reichstag ein. Er war der letzte Bürgermeister der vom Magistrat und nicht von den Bürgern gewählt wurde. Dennoch galt er als “Gentleman”.

Ausblick

Sein Nachfolger Albert Preu, dem der nächste Teil unserer Serie gewidmet ist, lobte ihn als “ritterliche Erscheinung voll Menschenfreundlichkeit und herzgewinnender Liebenswürdigkeit” aber auch als “überzeugungsfesten und streitbarer Politiker von glühender Vaterlandsliebe”. 

Dr. Leopold von Casselmann, der sein Oberbürgermeisteramt mit viel “Fingerspitzengefühl” ausübte, amtierte bis zum 30. Juni 1919. Er starb am 23. Mai 1930, im selben Jahr wie Cosima und Siegfried Wagner, in Bayreuth. Casselmanns Nachfolger war Albert Preu.


Text: Stephan Müller

 

Theodor Ritter von Muncker: Er holte Richard Wagner nach Bayreuth

In Teil 8 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller, wie es ein Bayreuther Bürgermeister schaffte Richard Wagner nach Bayreuth zu locken.


Festspielgäste statt Badegäste

Der Nachfolger von Bürgermeister Friedrich Carl Dilchert wurde Theodor Ritter von Muncker (1823 – 1900), der in der Bayreuther Stadtgeschichte immer mit den ersten Bayreuther Festspielen genannt werden muss.

Zusammen mit dem Bankier Friedrich Feustel gelang es dem gebürtigen Bayreuther, Richard Wagner an Bayreuth zu binden. Vielleicht unter dem Eindruck einer “Tannhäuser”-Aufführung am 30. Juni 1860, die anlässlich der fünfzigjährigen Zugehörigkeit Oberfrankens zum bayerischen Königreich im Markgräflichen Opernhaus aufgeführt wurde und der Bürgermeister Muncker mit großer Wahrscheinlichkeit beiwohnte.

Am 1. November 1871 gab Wagner Bürgermeister Muncker und dem Gemeinderats-Vorsitzenden Friedrich Feustel seine Festspielabsichten bekannt. Seine Wahl sei deshalb auf Bayreuth gefallen, weil es ihm das Badepublikum fernhalte, kein stehendes Theater habe und in Bayern gelegen sei.

Wohin mit einem Festspielhaus?

Daraufhin teilte ihm Muncker mit, dass er vom Stadtmagistrat am Stuckberg bei Sankt Georgen ein Grundstück erhalte, um dort ein Festspielhaus zu bauen. Man werde das Grundstück von der Bayreuther Familie Rose erwerben und ihm als Baugelände für das Festspielhaus zur Verfügung stellen. Wagner besichtigte das Grundstück am 15. Dezember 1871. Der Standort sagte ihm zu. Aus dem Plan sollte jedoch nichts werden. Ein Miteigentümer der Familie Rose verweigerte der Stadt den Grundstücksverkauf. So reisten Muncker und Feustel am 8. Januar 1872 zu Wagner in das Haus Tribschen an den Vierwaldstätter See, um dem Meister einen neuen Standort unterhalb der „Bürgerreuth“ schmackhaft zu machen, was ihnen nach langen Diskussionen auch gelang.

Mehr dazu:

Verantwortlich für die ersten Telefonanschlüsse

Muncker, der von 14. Februar 1863 bis zu seinem Tod am 14. Februar 1900 – auf den Tag genau 37 Jahre nach seiner Wahl – Oberbürgermeister war, war der Sohn eines Kreiskassedieners. Er kehrte 1851 nach seinem Jurastudium in Erlangen und München in seine Vaterstadt zurück und bekam eine Stellung in der Stadtverwaltung.

In Munckers 37-jährige Amtszeit fällt der Bau des Zentralschulgebäudes (heute Graserschule), das damaligen Kasernenviertels und natürlich die wichtigsten Errungenschaften des Industriezeitalters wie der Bayreuther Anschluss an das Eisenbahnnetz, der Ausbau der Trinkwasser- und Abwasserleitungen oder die ersten Telefonanschlüsse verwirklichen.

Er förderte das Schul- und Gesundheitswesen und setzte sich mit dem Bau einer Turnhalle in der Dammallee oder einer städtischen Badeanstalt im Main auch für die sportlichen Aktivitäten der 1861 gegründeten Turnerschaft ein. Im Jahr 1887 wurde er durch die Verleihung des bayerischen Kronenordens in den Adelsstand erhoben, ehe ihm 1891 noch der Rang und Titel eines Hofrats verliehen wurde. Munckers Nachfolger wurde der liberale Reichtags- und Landtagsabgeordneten Dr. Leopold Casselmann.


Text: Stephan Müller

Friedrich Carl Dilchert – Bayreuths Bürgermeister wider Willen

Zack! Man steht protestierend und verneinend in der Gegend herum und plötzlich ist man Bürgermeister – gegen seinen Willen. So ähnlich erging es Friedrich Carl Dilchert. Mehr dazu gibt’s in Teil sieben der bt-Serie über Bayreuths Bürgermeister. Der bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt zurück.


Ein unbekannter Bürgermeister?

“Über die Person und Amtszeit von Bürgermeister Friedrich Carl Dilchert (1851 bis 1862), der am 30. August 1802 in Bayreuth geboren wurde, ist nicht mehr besonders viel bekannt. Nicht einmal ein Bild von ihm ist erhalten” schrieb der Bayreuther Lokalhistoriker Karl Müssel in seinem Buch “Bayreuth in acht Jahrhunderten”, das er zum 800-jährigen Jubiläum der Stadt Bayreuth im Jahr 1994 herausbrachte. 

Im Frühjahr 2004 meldeten sich jedoch die Urahnen des Bürgermeisters bei dem Bayreuther Markus Barnick, der im Internet bedauert hat, dass von Friedrich Carl Dilchert weder im Stadtarchiv noch im Historischen Museum ein Bild gibt. 

Im Neuen Rathaus kam es dann zu einem Zusammentreffen von Barnick, Dilcherts Nachfahren und dem damaligen Bürgermeister Bernd Mayer. Dort ergab sich zumindest die Möglichkeit, zwei wertvolle Gemälde von Friedrich Carl Dilchert und seiner Ehefrau Rosalie, geboren 1804, abzulichten.

Gegen seinen Willen

Dilchert war von 1851 bis zu seinem Rücktritt im September 1862 Bayreuther Bürgermeister. Nach der Abdankung von Erhard Christian Hagen von Hagenfels, der wegen der Ereignisse im Revolutionsjahr 1848 zurückgetreten war, war es nicht leicht einen neuen Bürgermeister zu finden. 

Drei Jahre dauerte es, bis sich Friedrich Carl Dilchert dazu bereit erklärte. “Gegen meinen Willen”, so schreibt er selbst, “gegen meine Vorstellungen und Bitten wurde ich am 16. November 1848 als Vorstand des Armenpflegschaftsrates und bei der Gemeindeersatzwahl 1851 als Bürgermeister und Magistratsvorstand gewählt.” Als stadtbekannter “Spezereihändler” (für Gemischtwaren, Lebensmittel, Gewürze) war er für Handel und Industrie, den Eisenbahnbau sowie für Erziehung und Unterricht besonders aufgeschlossen.

Vor Ort bei den Festspielen

Dilchert bewohnte wie der spätere Oberbürgermeister Hans Walter Wild, der berühmte Physiker Emil Warburg und dessen Kinder Otto (Chemie-Nobelpreisträger 1931) und Charlotte (1884 bis 1948) das Gut Grunau in der Nähe von Aichig. 

Wie Emil Warburg (1931), der zum Namensgeber einer Stiftung der Bayreuther Universität geworden ist, und Lotte Warburg (1948), die als Schriftstellerin bekannt wurde, starb auch Dilchert, der somit noch die ersten Bayreuther Festspiele (1876) erleben konnte, am 27. Juni 1879 im Gut Grunau. Er vermachte der Stadt eine ansehnliche Stiftung. 

Ausblick

Dilcherts Nachfolger wurde Theodor Ritter von Muncker, der in der Bayreuther Stadtgeschichte immer mit den ersten Bayreuther Festspielen genannt werden muss. Zusammen mit dem Bankier Friedrich Feustel gelang es Muncker, dem der nächste Teil unserer Serie gilt, Richard Wagner an Bayreuth zu binden. Vielleicht unter dem Eindruck einer “Tannhäuser”-Aufführung am 30. Juni 1860, die anlässlich der fünfzigjährigen Zugehörigkeit Oberfrankens zum bayerischen Königreich im Markgräflichen Opernhaus aufgeführt wurde. Bürgermeister Muncker und auch sein Vorgänger Dilchert waren mit großer Wahrscheinlichkeit Zuschauer der ersten Aufführung einer Wagner-Oper in Bayreuth.


Text: Stephan Müller

 

Erhard Christian Hagen von Hagenfels: Bayreuths erster echter Bürgermeister

Teil sechs der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern. Heute erzählt bt-Historiker Stephan Müller vom ersten rechtskundigen Bürgermeister Bayreuths.


Eine neue Verfassung

Im Jahr 1810 wurde Bayreuth bayerisch. Im Rahmen der Montgelas’schen Reformen wurde bereits am 1. Mai 1808 eine Verfassung erlassen, die nach französischem Vorbild die Grundlage für ein neues, einheitliches aber auch zentralistisches Staatsrecht bildete. Das konnte nicht funktionieren. Nach Montgelas’ Entlassung wurde am 26. Mai 1818 eine neue Verfassung verabschiedet, mit der der bayerische König Max Joseph freiwillig seine Macht beschränkte. 

Damit konnte in Bayreuth mit dem 32-jährigen Erhard Christian Hagen von Hagenfels (17. Juli 1786 bis 28. Oktober 1867) der erste rechtskundige Bürgermeister der Stadt gewählt werden. Bei den Gemeindewahlen wurden in erster Instanz durch Urwahlen die Wahlmänner bestimmt, die anschließend die Mitglieder des Magistrats wählten. Die feierliche Einsetzung des Magistrats fand am 18. November 1818 im Saale “zum Anker” statt

Ein Adeliger

Erhard Christian Hagen von Hagenfels studierte nach seinem Abschluss am Gymnasium Christian Ernestinum in Erlangen und Halle Rechtswissenschaft und “Cameralwissenschaften”. Aufgrund seiner Verdienste als Landtagsabgeordneter, Mitglied der Generalsynode und Vorstand des Bayreuther Magistrats wurde Hagen, der in de Friedrichstraße 17 wohnte, am 11.11.1837 vom bayerischen König in den Adelsstand erhoben. 

Ein Bayreuther in München

Er vertrat lange Zeit die Interessen Bayreuths auch als Landtagsabgeordneter in München. Als sich im Revolutionsjahr 1848 eine Bürgerversammlung im Sonnensaal versammelte, um eine Petition an den König einzureichen, zeigte sich der Hagen gegenüber dem Monarchen loyal. Den seiner Meinung nach zu weit gehenden Forderungen nach Pressefreiheit und einem neuen Wahlrecht verweigerte er seine Unterschrift und erklärte seinen Rücktritt. 

1.500 Gulden Verdienst

Im Jahr 1827 war Hagen Mitbegründer des noch heute rührigen Historischen Vereins, dem ersten seiner Art im Königreich Bayern. Er starb am 28. Oktober 1867 und wurde in einer Gruftkapelle auf dem Stadtfriedhof begraben. Bayreuth war nach dem Rücktritt von Hagen drei Jahre ohne Bürgermeister. Die Amtsgeschäfte leiteten der zweite (bürgerliche) Bürgermeister Apotheker Heumann und später der Kaufmann Schweizer.

Am 16. Mai 1849 wurde das Amt des Bürgermeisters mit einem Gehalt von 1.500 Gulden sogar öffentlich ausgeschrieben. Ein geeigneter Bewerber fand sich jedoch nicht. Erst mit Friedrich Carl Dilchert, der im nächsten Teil unserer Serie vorgestellt wird, bekam Bayreuth mit seinen rund 12.000 Einwohnern im Jahr 1851 wieder einen Bürgermeister.

Erhard Christian Hagen von Hagenfels. Repro: Stephan Müller.


Text: Stephan Müller

 

Bayreuths Bürgermeister: Eisenbeiß unter Aufsicht

Unter der bayerischen Herrschaft hatten Bürgermeister in Bayreuth nicht viel zu sagen. In Teil fünf der Serie zu Bayreuths Bürgermeistern, erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von einem solchen Bayreuther Bürgermeister “unter Aufsicht”.


Von Franzosen besetzt und verschenkt

In der napoleonischen Epoche war ein neuer bayerischer Staat mit einem stark erweiterten Staatsgebiet und einem König an der Spitze entstanden. Die Proklamation zum Königreich am 1. Januar 1806 wurde durch Bayerns Schlüsselrolle im Napoleonischen Rheinbund und der Austritt aus dem Reichsverband ermöglicht. 

Napoleon. Foto: Pixabay.

Das seit 1792 preußische Bayreuth wurde am 7. Oktober 1806 von 30.000 Franzosen besetzt. Die französische Besetzung dauerte bis zur Unterzeichnung des französisch-bayerischen “Pariser Vertrages” vom 28. Oktober 1810, als Bayern als ” Dank für treue Waffengesellschaft” unter anderem Berchtesgaden, das Innviertel, Salzburg oder die Fürstentümer Regensburg und Bayreuth zugesprochen bekam. Mit der offiziellen Übergabe der Urkunde im Neuen Schloss durch General Compans an den bayerischen Gesandten Rechberg wurde Bayreuth am 30. Juni 1810 bayerisch.

Municipal-Gemeinde Bayreuth

Die Selbstverwaltung war jedoch zu Zeiten der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) oder des Wiener Kongress (1815), der die staatliche Neuregelung Europas regelte, noch in weiter Ferne. Das Gemeindewesen war zentralistisch und obrigkeitsstaatlich. Unter den Begriff Gemeinde fielen Städte, Märkte und Dörfer.

Während kleine Gemeinden unter dem beständigen Kuratel des Staates standen und ohne Genehmigung keine gültigen Gemeindebeschlüsse mehr fassen konnten, durften in größeren “Municipal-Gemeinden”, zu denen Bayreuth mit seinen damals 10.000 Einwohnern gehörte, Räte gebildet werden. 

Wenig zu sagen

So trat in Bayreuth an Stelle des bisherigen Magistrates ein nur vierköpfiger Municipalrat, der nur mit dem Wissen und der Genehmigung der Polizeistelle Beschlüsse fassen durfte. Die Räte waren der bisherige Bürgermeister Eisenbeiß, der Bäckermeister Florschütz aus St. Georgen, Mühlinspektor Bucht und Kupferschmied Amos. 

Sie hatten also wenig zu sagen. Grundlegend änderte sich dies erst nach dem Bayerischen Gemeindeedikt des neu formierten Königreichs Bayern. Nach den gescheiterten Montgelas’schen Reformen wurde im Jahr 1818 wurde die bayerische Gemeindeordnung eingeführt, womit die Stadt hauptberufliche Bürgermeister bekam. 

Ausblick

Der erste rechtskundige Bürgermeister Bayreuths war Erhard Christian Hagen von Hagenfels, den wir im nächsten Teil unserer Serie vorstellen werden. Berühmte Bayreuther Bürger oder Kinder aus diesen Tagen waren Jean Paul (1763 – 1825), Johann Kaspar Schmidt (1806 – 1856), der unter dem Pseudonym Max Stirner in seiner Zeit Berühmtheit erlangte, Dr. Johann Baptist Graser (1766 – 1841), der sich um den Aufbau des Schulwesens sorgte oder Dr. Johann Georg August Wirth (1798 – 1848). Der spätere Hauptredner des Hambacher Festes (1832) besuchte ab 1811 das Bayreuther Gymnasium. 


Text: Stephan Müller

 

Bayreuths Bürgermeister: Conrad Küffner – Kampf ums Hofbräuhaus

Ein Bayreuther Bürgermeister kämpft dagegen, dass Bayreuth zwei Hofbrauereien bekommt. Alle Infos gibt’s in Teil drei der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern.

Brauhäuser für Bayreuth?

Bayreuth war ab 1603 Residenzstadt des Markgrafen Christian. Der hatte inzwischen den Hofgarten angelegt oder ab 1620 seine Münzstätte (in der heutigen Münzgasse) oder das Jägerhaus (an der heutigen Bahnhofstraße) errichtet. 

Unzufrieden war die Herrschaft mit der leiblichen Versorgung. Es gab zwar eine Hoffischerei und eine Hofbäckerei, aber noch keinen Hofmetzger und vor allem keine Hofbrauerei. Damit die Hofkellerei neben den Weinlieferungen auch besser mit Bier versorgt werden konnte, forderte interessanterweise Christians Gemahlin Maria die Errichtung von gleich zwei kleinen Brauhäusern, die unterhalb des Spitals gebaut wurden. 

Der Bürgermeister rebelliert

Das sorgte für einen Protest von Bürgermeister Conrad Küffner, der um das städtische Braurecht fürchtete. In seinem “Hausbuch” vermerkte Küffner, dass er persönlich beim Markgrafen, der wegen des Bayreuther Stadtbrandes von 1605 immer noch auf der Plassenburg residierte, eine Beschwerde vorgetragen habe. 

Der Markgraf traf eine salomonische Entscheidung. Ein Brauhaus ging gegen Entschädigung an die Stadt, das zweite wurde sein Hofbräuhaus, wenngleich es in den Bayreuther Archiven nie unter dieser Bezeichnung genannt wurde.

Ein Bild von Conrad Küffner befindet sich in der Stadtkirche. Auf den beiden Flügeln des Küffner`schen Eptiaphs sind der Bürgermeister und seine Frau zu sehen. Auf diesem kleinen Altar, den die Eheleute stifteten, ist die älteste im Original erhaltene Stadtansicht von Bayreuth zu sehen. Auf dem Gemälde, das zwischen den beiden Bayreuther Stadtbränden entstand, ist die im Brand von 1605 zerstörte Stadtkirche als Ruine und das erst 1621 abgebrannte Rathaus in der Mitte des Marktplatzes zu erkennen. 

Die älteste Bayreuther Stadtansicht, die im Original erhalten ist, befindet sich am Küffnerschen Epitaph in der Stadtkirche. Stephan Müller.

Das älteste Bayreuther Rathaus, das an der Stelle des heutigen “Stadtparketts” am Markt stand, wurde beim zweiten großen Stadtbrand im Jahr 1621 vernichtet. 

Geld für die Kirche

Aus dieser Zeit wissen wir noch von einem Bürgermeister Pangraz Biedermann, der ebenfalls einen noch heute erhaltenen Epitaph in der Stadtkirche stiftete und von einem Bürger- und Kammermeister Justus Brosmann, der nach seinem Tod am 31. Mai 1605 in seinem Testamente dem Gotteshaus 1.500 Gulden zum Wiederaufbau der lateinischen Schule, der Kirche und der Orgel vermachte. Das war viel Geld. Zum Vergleich: Ein mittleres Siedlungshaus kostete damals rund 1.000 Gulden. 

Ausblick

Im nächsten Teil unserer Serie wenden wir uns Bürgermeister Hans David Braun zu, der am 22. Februar 1702 auf einer Dienstreise nordwestlich von Eschen im heutigen Gemeindegebiet Eckersdorf verstarb. Der “Braunstein” an dieser Stelle und der “Braunhof” im Bayreuther Stadtteil Altstadt sind nach Bürgermeister Hans David Braun benannt. 


Text: Stephan Müller

Bayreuths Bürgermeister: Der Rausch des Pancraz Bierzapf

In Teil zwei der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Kolumnist Stephan Müller von einem trinkfreudigen Bürgermeister. Die Vorschau auf die Serie gibt’s hier.

Bürgermeister in der Markgrafenzeit

Gegen die Markgrafen hatten die Bayreuther Bürgermeister wenig zu bestellen. Als Markgraf Christian am 4. Juli 1603 mit seinem Gefolge aus Richtung Erlangen eintraf, um statt der Plassenburg in Kulmbach das Schloss in Bayreuth zu seiner neuen Residenz zu machen, waren Rat und Bürgermeister wenig erbaut darüber. 

Schon im März 1603 versuchten sie ihm sein Vorhaben auszureden. Bayreuth wäre mit seinen 200 überwiegend schlechten und geringen Häusern innerhalb der Stadtmauer viel zu eng für eine Hofhaltung. Für weitere Häuser und Stallungen, die ein Hof benötige wäre kein Platz.

Residenzstadt Bayreuth

Markgraf Christian nahm davon jedoch keine Notiz. Bayreuth wurde Residenzstadt. Stadtschreiber Hans Wolf Heller, Rat und Bürgermeister blieb nichts anders übrig, als den neuen Herrn (“Geh nicht zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst”) auf der Hohen Straße vor den Toren Bayreuths zu begrüßen. Heller wünschte ihm eine “glückselige Wohlfahrt”. 

Dass Christian dann doch viele Jahre auf der Plassenburg verbringen musste, lag an dem Stadtbrand vom 21. März 1605, der 137 der 200 Bayreuther Häuser vernichtete. 

uf der Plassenburg in Kulmbach fand der mehrwöchige, offenbar sehr langweilige, Landtag statt, an dem der Bayreuther Bürgermeister Pancraz Bierzapf teilnahm. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Langeweile auf der Plassenburg

So fand in Kulmbach auch der mehrwöchige Landtag statt. Aus Briefen des Stadtschreibers Hans Wolf Heller und des damaligen Bürgermeisters Pancraz Bierzapf wissen wir, dass es dort ziemlich langweilig war: 

War sonsten noch niemand gekommen, size gar alleine hier, bin heut aus dem Hauß nit gangen, ist nichts zu thun. So hat mich heut auch niemand besucht oder angesprochen, lebe ohne Gesellschafft wie ein verwaistes Turttltäuble.

Die Plassenburg. Foto: Stephan Müller.

Offensichtlich hatten die beiden Schreiben aus Bayreuth – mit einer Nachfrage wie es denn so geht – erhalten:

Dero Schreiben an uns beide gethan haben wir wol empfangen und alles mehreren Inhalts gelesen. Thuen uns auch anfenglich der getreuen Vätterlichen sorge für uns hochfleissig bedancken. Spüren daraus, dass die Herren allerseits in unserer Langweil gebürendes Mitleiden haben und (…) hoffen wir zu Gott, binnen weniger Tagen nach Hause zu gelangen…

Ein Umtrunk

Zumindest durften Heller und Bierzapf auf der Kulmbacher Plassenburg einem gemeinsamen Besäufnis beiwohnen: 

Am Samstag hat unser gnediger Fürst und Herr die Gesandten in der neuen Landstuben durch den Herrn Canzler und andere beywesende Räthe abermal lassen zu Gast bitten. Welche Mahlzeit menniglich von der Landschafft besucht. Darunder auch wir beede mit theils Culmbachern und Höfern hinauf gen Blassenberg gefahren, und abends guete Räusch mit herunder gebracht.

Wegen Misswirtschaft abgesetzt

Bürgermeister Pancraz Bierzapf – sein Name schien Programm gewesen zu sein – gehört sicherlich nicht zu den herausragendsten Stadtoberhäuptern von Bayreuth. Der ehemalige Stadtheimatpfleger Wilfried Engelbrecht wusste zu berichten, dass Bierzapf wegen Misswirtschaft abgesetzt wurde.”

Um das Bier geht es auch im nächsten Teil unserer Serie. Bürgermeister Conrad Küffner wehrte sich gegen ein “Hofbräuhaus” in Bayreuth. 


Text: Stephan Müller

Bayreuths Bürgermeister: Von Widmann bis Wild

Die Geschichte der Bürgermeister in Bayreuth hat einiges zu bieten. In einer neuen Serie beleuchtet bt-Kolumnist Stephan Müller die Bayreuther Bürgermeister von 1450 bis 1988. In Teil eins gibt’s einen ersten Überblick.

Ausblick auf die Serie

In seiner Serie berichtet Müller über das Besäufnis des Bürgermeisters Pancraz Bierzapf anlässlich des markgräflichen Landtages in Kulmbach, über Conrad Küffner, der gegen ein “Hofbräuhaus” kämpfte und dem Bayreuth seine heute älteste Stadtansicht im Originalzustand verdankt, über Bürgermeister Eisenbeiß, der nichts zu sagen hatte. Stephan Müller berichtet über die Schicksale der nationalsozialistischen Bürgermeister Dr. Karl Schlumprecht, der fliehen musste und über Fritz Wächtler, der denunziert und ermordet wurde.

Von den amerikanischen Besatzern wurden ab 1945 Dr. Joseph Kauper, der nach nur sieben Monaten auf einer Dienstreise tödlich verunglückte und der langjährige parteilose Schlachthofdirektor Dr. Oscar Meyer eingesetzt. Es folgten die demokratisch gewählten Stadtoberhäupter Hans Rollwagen, Hans Walter Wild und Dr. Dieter Mronz, Michael Hohl und die amtierende Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe.

Rückblick

Vor einigen Jahrhunderten hieß er “Schultheiß” oder “Schulze”, ehe er “aller anderer burger oberster” genannt wurde: Der Bürgermeister. Er stand an der Spitze des Rates und war meist als primus inter pares, also als Erster unter Gleichen, angesehen. Seine hervorgehobene Stellung diente lediglich der Präsenz nach außen hin, in den meisten Städten war er zudem Bewahrer des Stadtsiegels und Leiter die Ratssitzungen.

Über die Entstehung des Bürgermeisteramtes in Bayreuth hat das Stadtarchiv keine sicheren Daten. Anzunehmen ist, dass dieses Amt bereits mit einem Ratskollegiums in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts entstanden sein dürfte, sicher ist, dass es in Bayreuth seit 1464 Bürgermeister mit einer Amtszeit von jeweils drei Monaten gab. 

Die Spitze des Rates

Gewählt wurden diese (in den folgenden Jahren wieder wählbare) Stadtoberhäupter von den zwölf Mitgliedern des “Inneren Rates”, der als eigentliche städtische Verwaltungsbehörde aber auch in Gerichtssachen als Schöffenkollegium fungierte. 

Der Bürgermeister nahm neben dem von der Herrschaft eingesetzten Stadtvogt die zu leistenden Eide der Neubürger, Ratsmitglieder, Zunftoberen oder Stadtbediensteten ab. Der Magistrat erließ Verordnungen und regelte, wer und zu welchem Preis das Bürgerrecht erwerben konnte.

Ein Buch mit sieben Siegeln

Der “Innere Rat” wurde durch eine Gemeindevertretung kontrolliert. Diesen “Äußeren Rat” (sechs Mitglieder) hatten aufstrebende Handwerker im Jahr 1432 durchgesetzt. 

Viele Bürgermeister des späten Mittelalters waren zunächst Mitglieder des “Äußeren Rates”, wurden nach dem alljährlichen Amtsaustauschverfahren in den “Inneren Rates” berufen und konnten dort zum Bürgermeister gewählt werden. Diese Amtswechsel bleiben heute für uns ein “Buch mit sieben Siegeln”: Jährlich sollten ein bis maximal drei Räte abtreten und durch andere Bürger ersetzt werden, doch wurde ein gewisser Kern des “Inneren Rates” so gut wie nie ausgetauscht. 

Lange Amtszeiten

So war Claus Kun insgesamt 41 Jahre (1492 bis 1532) Ratsmitglied. Davon saß er 36 Jahre im “Inneren Rat” und amtierte insgesamt 23 Jahre als Bürgermeister. Ebenfalls auf lange Amtszeiten als Stadtoberhäupter kamen Veit Mann (18 Jahre innerhalb von 1498 bis 1532), Fritz Schneider (17 Jahre innerhalb von 1471 bis 1513), Eberhard Widmann (16 Jahre zwischen 1450 und 1485) und Heinz Part (16 Jahre innerhalb von 1507 bis 1529). Die Gesamtbürgerschaft hatte bei der Wahl der beiden Ratsgremien und somit auch bei der Wahl ihres Bürgermeisters kein Mitwirkungsrecht.

Dieses Rätesystem hatte auch über die Markgrafenzeit Bestand. Nachdem Markgraf Alexander die Markgrafschaft am 22. Dezember 1791 an Preußen abtrat wurden in Bayreuth durch Provinzgouverneur den Karl August Fürst von Hardenberg auch Amtsbürgermeister eingesetzt. 

Änderungen

Grundlegend änderte sich dies erst nach dem Bayerischen Gemeindeedikt des neu formierten Königreichs Bayern. Nach den gescheiterten Montgelas’schen Reformen im Jahr 1818 wurde die bayerische Gemeindeordnung eingeführt, womit die Städte hauptberufliche Bürgermeister bekamen. 

Der erste rechtskundige Bürgermeister Bayreuths war Erhard Christian Hagen von Hagenfels. Seine Nachfolger waren Friedrich Carl Dilchert und Theodor Ritter von Muncker, der Richard Wagner nach Bayreuth lockte, Dr. Leopold von Casselmann oder Albert Preu.

In den kommenden Tagen wird das BAYREUTHER TAGBLATT die Bayreuther Bürgermeister mit Porträts und Geschichten vorstellen. 


Text: Stephan Müller

Als sich ein Bayreuther Redakteur bis auf die Knochen blamierte

Gleich doppelt Grund zum Feiern hatte in diesem Jahr das evangelische Gemeindehaus in der Richard-Wagner-Straße. 1929 und damit vor 90 Jahren wurde es eröffnet, 1989 und damit vor 30 Jahren ist es renoviert worden. Hobbyhistoriker Stephan Müller hat passend dazu eine der vergnüglichsten Zeitungsenten der Bayreuther Pressegeschichte ausgegraben. Hier ist sie:

“Am liebsten wäre er im Boden versunken”

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, doch der alte Journalistenspruch war mit Sicherheit nur ein schwacher Trost für den Alptraum, in dem sich ein Lokalredakteur der “Oberfränkischen Zeitung”, einer Zeitung, die später mit dem Bayreuther Tagblatt verschmolz, im September 1929 befand. “Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen” wird er sich in der wohl dunkelsten Stunde seines Berufslebens gedacht haben, als er bei der Verlagsleitung, die ihren Sitz im Haus Ellwanger in der Maxstraße hatte, antanzen musste. Am liebsten wäre der unglückliche Journalist in den Boden versunken. Heute, viele Jahrzehnte später, schmunzeln wir bei allem Mitgefühl über eine der vergnüglichsten Zeitungsenten in der Bayreuther Pressegeschichte, eine Falschmeldung die damals für das Stadtgespräch und viel Schadenfreude sorgte.

Die Gastwirtschaft “Zum weißen Roß” stand einst dort, wo heute das Evangelische Gemeindehaus steht. Das Anwesen war 1927 von der Gemeinde gekauft und abgerissen worden.

“So schwierig wird das wohl nicht sein”

“Um Gottes Willen”, rief unser Redakteur am Sonntagnachmittag des 1. September 1929. Er sprang von der Kaffeetafel auf, als es ihm siedend-heiß in den Kopf schoss: “Ich habe die Einweihung des Evangelischen Gemeindehauses verschwitzt!” Er malte sich immer wieder das “gefundene Fressen” für die Konkurrenz des “Bayreuther Tagblatts” aus und eilte zu seinem Schreibtisch, um sich den Artikel über das hochrangige Stadtereignis aus den Fingern zu saugen. So schwierig wird das wohl nicht sein, hatte ihm der Redaktionsleiter schließlich in der letzten Woche den Programmzettel mit dem genauen Ablauf der Veranstaltung in die Hand gedrückt. Er begann zu schreiben:

“Gestern Nachmittag um 3:30 Uhr fand die feierliche Einweihung des Saalbaus in der Richard-Wagner-Straße statt. Die Schlüsselübergabe und Eröffnung wurde mit Gesang und Posaunenchören eingeleitet.” Mit verhaltender Freude, dass der Anfang gemacht war, improvisierte er voller Tatendrang weiter: “Daran schloss sich die inhaltsreiche und tiefschürfende Weiherede von Dekan Dr. Karl Wolfrat an…”

Damit konnte er keinesfalls falsch liegen. “Inhaltsreich und tiefschürfend” wird auf jeden Fall auch beim Dekan gut ankommen.

Der Bericht kommt gar nicht gut an

Damit lag er allerdings grundlegend falsch. Der Bericht, der am 2. September veröffentlicht wurde, kam bei Dekan Dr. Karl Wolfrat überhaupt nicht gut an. Er hatte seine Einweihungsrede nämlich noch gar nicht gehalten. Unser geplagter Redakteur hatte sich nämlich beim fraglichen Termin schlicht um eine Woche geirrt. Die Einweihung war erst am 8. September geplant. Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile und das Gelächter war groß.

Vom bekannten Bayreuther Architekten Hans Reissinger stammt diese Zeichnung, die 1928 als Ansichtskarte erschien. Sie zeigt Abweichungen vom verwirklichten Entwurf.

Kleinlaut entschuldigte sich die “Oberfränkischen Zeitung” in der Ausgabe am 3. September, dass der Irrtum “durch Datumsverwechslung” passiert sei. Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Einweihungsfeier “voraussichtlich” am nächsten Sonntag stattfindet und der ausführliche Bericht dann dieses Mal “durch persönliche Vertretung” erfolgt.

Das Tagblatt legt den Finger in die Wunde

So kam es dann auch: Eine Woche später berichteten diesmal beide Lokalblätter über die tatsächliche Einweihung, wobei es sich das “Bayreuther Tagblatt” aber nicht nehmen ließ, den Finger “zartfühlend” in die Wunde zu legen. Vielleicht wollte man auf der anderen Seite der Maxstraße aber auch nur die Prophezeiung des unglücklichen Kollegen der “Oberfränkischen Zeitung” wahr werden lassen: Jedenfalls betonte das “Tagblatt” den “inhaltsreichen Vortrag” des Dekans und lobte  ausdrücklich seine “tiefschürfende” Rede.


Mit Fotos und Material der Evangelisch-Lutherischen Gesamtkirchengemeide Bayreuth.


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Text: Stephan Müller


Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es hier beim bt.

Vor 50 Jahren: Warum Bayreuth Universitätsstadt wurde

Genau heute vor 50 Jahren, am 21. Oktober 1969, wird Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt. Sein Wahlkampf führte Brandt kurz vor dem Gang an die Wahlurnen auch nach Bayreuth. An diesem Tag forderte Oberbürgermeister Hans-Walter Wild eine eigene Universität für Bayreuth.

Und so wurde auch die Uni Bayreuth im September 50 Jahre alt. Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt zurück auf den Tag, an dem in Bayreuth zum ersten Mal von einer eigenen Uni die Rede war.


Erst herrschte Stille. Dann ging ein leises Raunen durch die Menge. Was hat er da eben zu Willy Brandt gesagt? Jetzt übertreibt er aber! Weit über 4.000 Bayreuther waren an diesem Freitag, dem 19. September 1969, zum Luitpoldplatz gekommen um den Kanzlerkandidaten der SPD zu hören. Die Spannung war förmlich mit Händen zu greifen. Nur noch neun Tage waren es bis zum Gang an die Wahlurne. Würde Kurt Georg Kiesinger von der CDU Bundeskanzler bleiben oder wird “sein” Außenminister, der SPD-Politiker Willy Brandt, neuer Chef der Bundesregierung? Je näher die Bundestagswahl rückte, desto mehr nahmen die Differenzen zwischen den Partnern der großen Koalition zu. Größer konnte die Polarisierung, die bundesweit zu einer Wahlbeteiligung von 86,78 Prozent führen sollte, kaum sein.

Im Cabrio fährt Willy Brandt über die Maxstraße. Archivfoto: Stiftung Bernd Mayer

Wahlkampf in Bayreuth

In seinem Wahlkampf kam Willy Brandt auch nach Bayreuth. Eine große Bühne für Hans-Walter Wild! Der Bayreuther Oberbürgermeister begrüßte „seinen Freund” Willy Brandt, lobte dessen Arbeit in der Bundesregierung, kam aber dann sehr schnell auf die lokalen Probleme zu sprechen.

Das Gebiet Nordostbayern erlebt nach den Jahren des Wiederaufbaues und der Anpassung an die schicksalhafte Grenzziehung zur DDR und CSSR hin eine Phase wirtschaftlicher Stagnation mit starken Abwanderungstendenzen.

(Hans-Walter Wild, Oberbürgermeister)

Mit großer Besorgnis wies er auf die negativen Prognosen hin und stellte fest, dass es sofortiger, neuer Impulse zu einer wirksamen Strukturverbesserung bedürfe:

Wir fordern, dass geprüft wird, inwieweit bei der Errichtung neuer Landes-Universitäten auch die Stadt Bayreuth als Standort einer Grenzland-Universität in Frage kommt.

(Hans-Walter Wild, Oberbürgermeister)

Mit einer gezielt gesetzten Pause ließ er seinen Satz wirken. Ja, er hatte soeben für seine 64.000-Einwohner-Stadt eine Universität gefordert.

Bei Willy Brandts Wahlkampfveranstaltung am Bayreuther Luitpoldplatz fordert Oberbürgermeister Hans-Walter Wild am 19. September 1969 die Errichtung einer “Grenzlanduniversität” in Bayreuth. Archivfoto: Stiftung Bernd Mayer

Ein Beamter ist gefragt

Nun begann die Arbeit von Hans Eschlwöch, der als Rechtsdirektor jahrzehntelang eine Schlüsselfigur im Bayreuther Rathaus war. Wild hatte Eschlwöch stets als seinen Lehrmeister und als Praktiker bezeichnet, der nicht ständig über bürokratische Zwirnsfäden stolpert. Nun forderte der Oberbürgermeister seinen „ersten Beamten” auf, seine Forderung auch auf dem Verwaltungswege in die richtigen Bahnen zu lenken – frei nach dem Motto: „Jetzt hab ich es gesagt, jetzt wird es auch gemacht.”

Der Auftrag verursachte bei Hans Eschlwöch zunächst einmal Stirnrunzeln. Wie war die Sachlage? Die Entscheidung für eine neue Landes-Universität lag in München. Bei der Bundestagswahl am 28. September 1969 wurde Willy Brandt tatsächlich zum Bundeskanzler gewählt. Die Laune des jüngst abgewählten bisherigen Finanzministers Franz-Josef Strauß war ziemlich schlecht. Wie würde wohl der CSU-Vorsitzende und Chef der Bonner CSU-Landesgruppe in München auf das Vorhaben des Bayreuther SPD-Oberbürgermeisters reagieren?

Am 25. November 1969 übergibt Oberbürgermeister Hans Walter Wild dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Alfons Goppel und seinem Kultusminister Dr. Ludwig Huber die “Universitätsgedenkschrift” des Stadtrates Bayreuth. Archivfoto: Stiftung Bernd Mayer

Bayreuther bleiben gelassen

In seiner Glosse „Lektion über die Bayreuther“ schrieb Erich Rappl, langjähriger Chefredakteur des Bayreuther Tagblatts, im Jahr 1970:

Neuerdings träumt man davon, der Wagnerstadt einen weiteren zusätzlichen Glanz zu verschaffen: Bayreuth soll Universitätsstadt werden. Dass die Initiative dazu von Neubürgern, insbesondere von dem aus Würzburg stammenden, eminent rührigen Oberbürgermeister Hans Walter Wild ausgeht, liegt auf der Hand. Die Altbürger sehen auch dieser Entwicklung mit Gelassenheit entgegen. Doch werden sie, wenn es eines Tages so weit sein sollte, der Universität ganz ohne Zweifel wohlwollend Beifall klatschen. Und sie werden die neue, zusätzliche Würde ihrem Selbstbewusstsein ebenso einverleiben, wie sie das Ehrendiplom der Festspielstadt annektierten – und wenn sie gelegentlich darüber murren, protzeln, stöhnen und meckern. Denn das Stöhnen, Meckern und Klagen ist in Bayreuth ein Ausdruck allgemeinen Wohlbehagens, des Einverständnisses mit sich selber.

(Erich Rappl, Chefredakteur des Bayreuther Tagblatts)

Archivfoto: Stiftung Bernd Mayer

Ein Fackelzug geht durch die Stadt

Die Entscheidung für die Errichtung der Universität Bayreuth fiel am 14. Dezember 1971. Der Bayerische Landtag ab grünes Licht für die Universität Bayreuth, die im Endausbau über 9.000 Studierende aufnehmen sollte. Die Nachricht verbreitet sich in Windeseile. Aus Freude darüber formierte sich ein spontaner Fackelzug durch die Innenstadt. Erich Rappl beschrieb die Szenerie wie folgt:

Der gut und gerne tausend Meter lange Lichterbandwurm legte für eine halbe Stunde den Verkehr in der Innenstadt lahm. Doch gab’s diesmal kein Protestgehupe. Die Fahrer, deren Autos vor den Ampeln Schlange standen und die vielen, die sich das wandernde Lichterfest vom Gehsteig aus ansahen, wussten, worum es ging. Und wenn sie auch nicht jubelten oder applaudierten – was nun einmal nicht Bayreuther Art ist – so bezeugte doch mancherlei Grüßen und Winken eine Mitfreude, ganz besonders mit dem rechten Flügelmann an der Spitze des Zugs, der über zwei Jahre lange mit beispielloser Zähigkeit und äußerstem persönlichem Einsatz um den Erfolg dieses Tages gekämpft hatte: Hans Walter Wild.

(Erich Rappl, Chefredakteur des Bayreuther Tagblatts)

In seiner Autobiographie “Denk ich an damals” erinnert sich Hans Walter Wild an diese Entscheidung:

Es war die wahrscheinlich bedeutendste stadtgeschichtliche Entscheidung im 20. Jahrhundert, die nur mit der Verlegung des markgräflichen Hofes nach Bayreuth und der Gründung der Richard-Wagner-Festspiele vergleichbar ist.

(Hans Walter Wild, Oberbürgermeister)


Text: Stephan Müller



Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

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