Streit um Baugebiet am Eichelberg: Bürger gegen Stadt
Die Pläne für das neue Bayreuther Wohngebiet “Am Eichelberg / Panoramaweg” gehen voran. Zugleich regt sich neuer Widerstand.
Die Pläne für das neue Bayreuther Wohngebiet “Am Eichelberg / Panoramaweg” gehen voran. Zugleich regt sich neuer Widerstand.
Das Wohngebiet Am Eichelberg/Panoramaweg in Bayreuth soll nach Willen des Stadtrats eine Änderung im Flächennutzungsplan erfahren.
Der Klimaforscher Christoph Thomas schlägt Alarm. Während die Temperatur in den vergangenen 100 Jahren weltweit um 0,8 und in Deutschland um 1,4 Grad Celsius gestiegen sei, habe sie in Bayreuth um 3,8 Grad zugelegt.
Woran das liegt? Dem Klimaforscher zufolge daran, dass Bayreuth immer mehr verdichtet werde und an der Tal-Lage der Stadt. Bayreuth habe damit trotz seiner geringen Größe mit einem Problem zu kämpfen, das sonst nur von Großstädten bekannt sei. Und Thomas warnt: Mit jedem Grad mehr verdopple sich die Sterberate von Menschen über 65 Jahren.
Wie zum Beweis, dass Bayreuth klimatisch auf ein großes Problem zusteuert, spricht der Klimaforscher im Stadtrat an einem Tag, an dem es draußen, vor dem klimatisierten Tagungsraum im Rathaus, 36,6 Grad heißt ist. Der Mittwoch, der 26. Juni, ist damit nur ein Grad kälter als ein Tag im August 2003, der mit 37,3 Grad als wärmster jemals in Bayreuth gemessener Tag in die Geschichte eingegangen ist.
Demnach lagen acht der zwölf wärmsten Monate aller Zeiten in den vergangenen 30 Jahren. Thomas sagt weiter, in den vergangenen Jahren sei in Bayreuth immer genügend Oberflächenwasser vorhanden gewesen um den Main oder den Grundwasserspiegel zu speisen. Im vergangenen Jahr sei das bis zum Dezember nicht so gewesen. Und: In der Innenstadt, allen voran in der Kämmereigasse, sei es regelmäßig um gut fünf Grad wärmer als an kühleren Orten der Stadt. Auch der Stadtteil St. Georgen sei wegen der Art der Bebauung und des vielen Kopfsteinpflasters ganz besonders warm.
Die kühleren Orte, Thomas spricht von den “kalten Fingern” der Stadt, seien die Mistel, der Röhrensee, der Botanische Garten und der Rote Main. Dort warnt der Klimaforscher vor weiteren Baumaßnahmen. Vor allem an der Mistel werden aber genau diese gerade geplant.
Bauprojekte an der Mistel sind problematisch und sollten überdacht werden.
(Christoph Thomas, Klimaforscher)
Auch die Stadtteile Birken und Altstadt sollten dem Klimaforscher zufolge nicht weiter verdichtet werden. Bezüglich der seit Monaten hitzig geführten Diskussion um ein Neubaugebiet am Eichelberg, sagt Thomas:
Wir werden demnächst konkrete Messungen vornehmen um zu prüfen, ob der Eichelberg stadtklimatisch wirksam ist.
Einmal mehr haben die Emotionen die Oberhand. Wie schon bei der Diskussion über Parkplätze am Klinikum oder die Nachverdichtung am Eichendorffring, wird auch über die Bebauung des Eichelbergs längst nicht mehr sachlich diskutiert. Beispiele gefällig? Bitteschön:
Die einen kennen mich und die anderen können mich.
(Stadtrat Helmut Zartner, Die Unabhängigen, im Bauausschuss)
So viele Zuhörer haben wohl noch nie einer Sitzung des Bauausschusses gelauscht. Über 100 Gäste sind gekommen um zu sehen, welcher Stadtrat sich für und welcher sich gegen die Planung von 100 neuen Wohneinheiten am Eichelberg ausspricht. Am Ende der Sitzung drohen die Zuhörer mit einem Bürgerbegehren.
Ich verwehre mich entschieden dagegen, dass die Verwaltung der verlängerte Arm irgendeines Investors ist. Ich wurde vor dem Rathaus tatsächlich gefragt, was die Stadt eigentlich vom Investor bekommt.
(Brigitte Merk-Erbe, Oberbürgermeisterin)
Das Baugebiet ist heftig umstritten. Zwei Stunden lang wird diskutiert. Am Ende stimmt eine knappe Mehrheit dafür, mit der Bauleitplanung zu beginnen. Die soll helfen, die vielen offenen Fragen zu klären. Strittig ist unter anderem, welche Bedeutung der Eichelberg für das Klima in der Stadt hat, wie laut die neuen Nachbarn werden können und ob die Zufahrtsstraße inklusive der Königsallee dem Mehrverkehr gewachsen ist.
Soll das etwa schlecht geredet werden, damit dort oben niemand mehr wohnen will? Schlecht zu reden ist das nicht. Dort oben kann man wirklich traumhaft wohnen.
(Karsten Schieseck, Bayreuther Gemeinschaft)
Die Neubau-Gegner sprechen außerdem von Flächenfraß. Bayreuths Stadtbaureferentin Urte Kelm hält dem entgegen, dass die Stadt nach dem Landesentwicklungsplan dazu verpflichtet sei, Flächen zu sparen. Und dass auf dem Gebiet gerade deshalb so viele Wohneinheiten entstehen sollen. Die Flächen am Eichelberg würden dadurch auch für Durchschnittsverdiener bezahlbar.
Im Glockengut liegt seit Jahren nach einem Abriss Fläche für Wohnraum brach (..) Und hier machen wir ein Schaufenster zu. Nirgendwo kann man besser sehen, wie Bayreuth geologisch eingebettet ist.
(Thomas Bauske, SPD)
Kelm betont, dass die Verwaltung in den vergangenen Wochen nachgebessert habe: 100 statt 150 Häuser; ein größerer, 70 Meter weiter Abstand zum Panoramaweg; eine Kita im Zentrum des neuen Wohngebietes, die auch für die Nachbarn da sein soll.
Es werden Gutsituierte bauen, die Wohnungsnot wird damit nicht gelöst.
(Sabine Steininger, Grüne)
Über die Bedeutung des Eichelbergs für das Klima der Stadt sagt Stadtbaureferentin Kelm: Es werde keine klimatische Ausgleichsfläche überbaut. Die Autobahn stelle einen Barriere dar. Frischluftaustausch mit der Stadt sei daher sowieso nicht möglich. Auch darum habe man das Gebiet bereits 2009 für eine Bebauung vorgesehen.
Dass den Projekt-Gegnern rein emotionale Gründe für ihr Handeln unterstellt werden, ist nicht fair. Was einmal eingeleitet ist, wird am Ende meist nur noch in Nuancen verändert.
(Christopher Süß, Junges Bayreuth)
Wer behauptet Einleitungsbeschluss gleich Satzungsbeschluss, der stellt das Licht des Stadtrats unter den Scheffel. Wir werden es in diesem Fall mit einer deutlich größeren Menge Stellungnahmen zu tun bekommen.
(Brigitte Merk-Erbe, Oberbürgermeisterin)
Zum Verkehr sagt die Stadtbaureferentin: Weil das Verkehrsaufkommen einem Gutachten zufolge befriedigend sei, sei keine Ampel an der Einfahrt zur Königsallee nötig. Die Wartezeiten seien zwar spürbar aber kleiner gleich 30 Sekunden. Mit Rückstaus müsse freilich gerechnet werden.
Im Jahr 2019 plant Bayreuth ein Baugebiet, das ausschließlich über das Auto erreichbar ist. Früher waren wir Grünen die Verrückten, heute muss sich Gott sei Dank die Verwaltung dazu erklären.
(Stefan Schlags, Grüne)
Gerade für dieses Baugebiet gilt, dass in Bayreuth eigentlich alles mit dem Rad oder zu Fuß erreichbar ist.
(Karsten Schieseck, BG)
Es geht um die Einleitung eines Bebauungsplanverfahren und wir diskutieren die Weltrettung. Hört doch auf, Bayreuth für Investoren uninteressant zu machen. Allgemeinwohl geht vor Alleinwohl. Den Leuten geht es doch nur um die eigene Aussicht. Ich mache Politik für 75.000 Bayreuther und nicht für 85 Anwohner am Eichelberg. Als Investor würde ich sagen: Bayreuth, koch deine Suppe doch selbst.
(Halil Tasdelen, SPD)
Sabine Steininger (Grüne) beantragt schließlich eine Vertagung der Entscheidung, weil der Stadtrat Begriffe wie Frischluft- und Kaltluftschneise wild durcheinander werfe. Die Bedeutung des Eichelbergs für die Entstehen kühler Luft für die Stadt sei schon vor zwei Jahren von einem Mikroökologen der Uni Bayreuth attestiert worden. Die Stadt setze sich damit wissentlich über einen Experten hinweg, der geraten haben die Bebauung sensibler Flächen zu stoppen. Eine namentliche Abstimmung, wie Steininger sie fordert, findet ebenso keine Mehrheit wie ihr Wunsch, den Beschluss auf Ende Juni zu verlegen. Auf die Zeit also nachdem der Klima-Experte noch einmal im Stadtrat gesprochen haben wird.
Die Bürger fühlen sich verarscht. 150 Wohneinheiten anzusetzen war doch Wahnsinn. Von einer seriösen Planung hätte ich mir gewünscht, dass die Stadt die Gutachten vorlegt und nicht der Investor. Der malt sich die Welt doch so, wie sie ihm gefällt.
(Helmut Parzen, CSU)
Am 29. Mai muss der Stadtrat entscheiden, ob der Bau von 100 neuen Häusern am Eichelberg geplant wird oder nicht. Die Bürgerinitiative Eichelberg kündigt bereits jetzt an, notfalls ein Bürgerbegehren zu starten. Das sei eine von mehreren denkbaren Konsequenzen, sagt Mirko Matros, Kreisgeschäftsführer der CSU und Mitglied der Bürgerinitiative, nach der Sitzung auf Nachfrage des bt.
Eine echte Panoramarunde rund um Bischofsgrün wird seinem Namen gerecht. Aus verschiedenen Blickwinkeln bietet sich dem Wanderer ein Panoramablick auf Bischofsgrün.
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