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Der gegnerische Spieler rennt auf ihn zu, dribbelt links, dribbelt rechts, bewegt sich geschickt hin und her, tänzelt graziös über den Rasen, selbstsicher, das Tor vor Augen. Die Menge hält den Atem an. Eine kleine Bewegung nur, leicht den Körper vorgebeugt, den Fuß gegen den Ball haltend. Der Gegner stockt, verliert das Gleichgewicht und taumelt vorbei. Die fünfzigtausend Fans der Spielvereinigung Bayreuth brechen in frenetischen Jubel aus. Rolf, der Stopper, reagiert gelassen. Stoppt den Ball, sucht mir kühlem Blick den Stürmer und legt sauber vor. Wagner ist in diesem Moment nur eine blasse Erinnerung an die Kindheit, als er mit seinem Vater die Premieren vom Grünen Hügel mit dem Transistorradio verfolgte, und Wagner wird seine Zukunft sein. Jahrzehnte später tauscht er den Rasen mit dem Parkett. Das Publikum ist kleiner, so um die Zweitausend nur, aber die Emotionen sind die gleichen. Bei den Zuschauern wie auf der Bühne. „Nervös war und bin ich immer.“ Sagt Rolf. „Und das ist gut so.“ Denn ohne Anspannung, so meint er, kann man keine gute Leistung erbringen. Und die wird verlangt. Unter anderem von seinem Duzfreund Frank. Frank Castorf. Im Castorf-Ring war Rolf der Koch im Hintergrund. Musste unentwegt Gemüse schnibbeln. Dann, eines Abends, rief der Wotan voller Abscheu „Scheiß vegetarisch“ über die Bühne. Rolf reagierte wie immer, gelassen. In der letzten Vorstellung schmuggelte er ein paar Wiener auf die Bühne. „Die habe ich ihm dann in die Hand gedrückt“. Zur Freude aller Anwesenden. Anschließend traf und trifft man sich noch immer im Mohrenbräu und trinkt ein zünftiges Bierchen. Was der schönste Moment in seiner bisherigen Karriere als Statist war? Die Begegnung mit Placido Domingo, der 2019 nach der Walküre zu den Statisten auf die Bühne kam, um ganz entspannt ein Pläuschchen zu halten. In so einem Moment braucht es keinen Applaus und kein Publikum, da jubelt man innerlich.
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