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Franken
Nürnberger Tiergarten will eigene Paviane töten – Verfütterung an Raubtiere denkbar
von Benedikt Günther
Der Nürnberger Tiergarten hat ein Dilemma: Es gibt zu viele Guinea-Paviane im Zoo. Die einzige Lösung scheint, einzelne Tiere zu töten.
Im Nürnberger Tiergarten wird eine ungewöhnliche Methode zur Populationssteuerung bei den eigenen Pavianen diskutiert.
Das gab der Tiergarten in einer Pressemitteilung bekannt.
Kontrolle durch Tötung einzelner Tiere
Dass Zoos die Population ihrer jeweiligen Tierarten überwachen und kontrollieren, gehört zum Alltagsgeschäft. Dabei werden Aspekte wie Überbevölkerung, ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis oder funktionale Gruppendynamik berücksichtigt.
So ist es an sich wenig verwunderlich, dass im Tiergarten Nürnberg einige der hauseigenen Guinea-Paviane weichen müssen. In diesem Fall gibt es aber einige Komplikationen, sodass die Verantwortlichen jetzt zum letzten Ausweg greifen wollen: dem Töten einzelner Tiere. Für den Nürnberger Tiergarten ist die Entscheidung laut der offiziellen Mitteilung alternativlos.
Verfütterung an eigene Raubtiere denkbar
Laut dem Tiergarten ist es üblich, getötete Tiere zur Regulierung des Bestandes an die eigenen Raubtiere zu verfüttern. Gängige Praxis sei das zumindest bei Huf- und Nagetieren sowie Vögeln. Bei anderen Tierarten, wie den Guinea-Pavianen, müsse dies gründlich abgewägt werden.
“Ob die Paviane an Raubtiere im Tiergarten verfüttert werden, wird immer im Einzelfall entschieden”, heißt es in der Mitteilung des Tiergartens.
Bestände gehen stark zurück
45 Guinea-Paviane leben aktuell im Nürnberger Tiergarten, in ganz Europa sind es insgesamt 278 Tiere. Nur zehn europäische Zoos beherbergen die Primaten, in Deutschland findet man sie lediglich in der Franken-Metropole.
Die Tierart steht bereits seit vielen Jahren unter Beobachtung, die Bestände in freier Natur gehen immer weiter zurück. Grund dafür ist, dass ihre Lebensräume in Westafrika stark bedroht sind. Selbst in einem Nationalpark im Senegal, der unter UNESCO-Schutz steht, steht es schlecht um die Guinea-Paviane.
Deshalb macht sich der europäische Zooverband EAZA aktuell stark dafür, dass in weiteren Zoos Möglichkeiten geschaffen werden, die Tiere aufzunehmen. Es sei demnach besonders wichtig, ihnen die optimalen Möglichkeiten zur Fortpflanzung zu garantieren, um einen weiteren Rückgang der Bestände aufzuhalten.
Niemand will Paviane aufnehmen
Warum also muss man im Nürnberger Tiergarten nun zu solch drastischen Mitteln greifen – und dann auch noch bei einer bedrohten Tierart? Der Grund ist simpel: Niemand könne oder wolle die Guinea-Paviane aufnehmen, zumindest nicht in ausreichender Menge, so der Tiergarten.
Bereits seit vielen Jahren versuche man in Nürnberg, Teile des Bestandes an andere Halter zu vermitteln. Seit 2011 konnten jedoch lediglich 16 Tiere an zwei Zoos abgegeben werden, ein dritter Interessent wurde von der Tierschutzkommission wegen “unzureichender Haltungsvoraussetzungen” abgelehnt.
Weder über eine Zootierdatenbank, noch durch internationale Vermittler konnten Abnehmer gefunden werden. Laut dem Statement des Tiergartens hat die einzige Primaten-Auffangstation darüber hinaus aktuell eine Warteliste von über 200 Tieren. Auch diese Option scheidet also aus.
Alle Möglichkeiten ausgeschöpft
Während der erfolglosen Suche nach Abnehmern habe man indes auch andere Wege beschritten. Durch Verhütung bei einzelnen Weibchen habe man versucht, die Gruppengröße “stabil zu halten” und die Wachstumsrate zu reduzieren. Die Weibchen bleiben durch die Verhütung jedoch dauerhaft unfruchtbar – was nicht der gewünschte Effekt der Maßnahmen war.
Auch eine Auswilderung sei angesichts der bedrohten Lebensräume nicht möglich. Um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, hat der Tiergarten Nürnberg eine Tierschutzkommission ins Leben gerufen, der auch die Tiergartenleitung sowie tierärztliches Personal angehören.
Diese hat mit “großer Sorgfalt, Sachverstand und Respekt” alle Möglichkeiten geprüft. Letztlich kam man dabei zu dem Schluss, dass die Tötung einzelner Guinea-Paviane eine “vernünftige Lösung sein kann”.
Artenschutz ein “menschengemachtes Dilemma”
Tiergartendirektor Dag Encke spricht von einem “menschengemachten Dilemma” in Bezug auf den Artenschutz. Dabei würden einem auch “Entscheidungen abverlangt, die sich nicht gut anfühlen”. Dennoch trage man Verantwortung und es sei “ein Gebot der Vernunft”, diese anzunehmen.
Daher steht der Tiergarten Nürnberg hinter der Entscheidung der Tierschutzkommission. Noch ist es aber noch lange nicht beschossene Sache. Zunächst wird die Angelegenheit im Umweltausschuss des Nürnberger Stadtrats diskutiert werden. Dag Encke wird in der kommenden Sitzung am 21. Februar 2024 selbst die Entscheidung erläutern.
Ob die Menge an Guinea-Pavianen letzten Endes wirklich durch die Tötung einzelner Tiere kontrolliert wird, bleibt abzuwarten.