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Oberfranken
Oberfränkische Betriebe testen Vier-Tage-Woche: Das sind ihre Erfahrungen
Unternehmen aus Oberfranken berichten über ihre Erfahrungen mit der Vier-Tage-Woche und geben einen Einblick in ihren neuen Arbeitsalltag.
Die Aussicht auf die Vier-Tage-Woche sorgt bei vielen für Freude, manche betrachten die Entwicklung dennoch kritisch.
Das bt hat mit drei Unternehmen aus der Region gesprochen, in denen die Vier-Tage-Woche schon Einzug gehalten hat.
„Hempfling Elektro und Solar“ in Prebitz
Hier ist die Vier-Tage-Woche schon Alltag: Bei der Elektrofirma Hempfling aus Prebitz im Landkreis Bayreuth. Die Idee kam vom Inhaber selbst, Hans-Peter Hempfling.
Der Stress stieg in den letzten zwei Jahren für alle im Betrieb deutlich, so Hempfling. Er habe teils 80 Stunden in der Woche gearbeitet. Da habe er erkannt: “Auf Dauer ist das auch nichts für mich”. Er erhoffte sich außerdem, mit dem Umstieg die Abwanderung von den eigenen Fachkräften in die Industrie zu stoppen.
Nicht jeder war überzeugt
“Am Anfang gab’s Diskussion”, sagt Hans-Peter Hempfling. Besonders seine Eltern, die die Firma gründeten, waren um einen eventuellen Verlust von Kundschaft besorgt. Diese Sorge bestätigte sich jedoch nicht, so Hempfling. “Nur ältere Kunden, vor allem die Rentner, verstehen das oft nicht.“
So läuft die Umsetzung der Vier-Tage-Woche im Betrieb
Er entschied sich dennoch, den “freien Freitag” einzuführen. Ein freier Tag unter der Woche ergebe keinen Sinn, so Hempfling. “Es muss ein verlängertes Wochenende sein.“ Freitag war zudem auch der unproduktivste Tag. Unter den Mitarbeitern, die sich für den “freien Freitag” entschieden haben, “gibt es keinen, der die 40-Stunden-Woche wieder haben möchte”, sagt der Firmeninhaber. “Es wird auch kein Zurück mehr geben.“
Seine Mitarbeiter arbeiten nun 36 Stunden in der Woche statt 40 und erhalten trotzdem den gleichen Lohn. Mitarbeiter, die gerne mehr arbeiten würden, um beispielsweise das Eigenheim zu finanzieren, können dies in seinem Betrieb. “Da sind wir natürlich flexibel”, sagt Hempfling.
Der Bayreuther Elektromeister Daniel Schiller wechselte zur Firma Hempfling wegen der Vier-Tage-Woche. Er könne nun wichtige private Termine auf den Freitag legen, sagt er – zuvor habe er sich extra Urlaub nehmen müssen.
Die Vier-Tage-Woche als Standard?
Bei aller Begeisterung: Hans-Peter Hempfling ist auch kritisch gegenüber dem Vier-Tage-Modell. „Wenn es irgendwann jeder macht, kann es schon sein, dass es Probleme gibt”, sagt er.
Der Firmenchef befürchtet, dass sich der Druck auf die Branche dann wegen des derzeitigen Fachkräftemangels verstärken und langfristig die Versorgung von Kunden schwieriger werden könnte.
Zieher testet in Himmelkron die kurze Woche
Der familiengeführte Betrieb „Zieher“ aus Himmelkron vertreibt Geschirr und Buffet-Systeme. Das Unternehmen testet die Vier-Tage-Woche seit dem 1. Juli 2023 – für sechs Monate.
“Der allgemeine Fachkräftemangel ist allseits bekannt”, sagt Nikolan Borger, Sprecher der Zieher KG. Das Unternehmen erhoffe sich von dem Umstieg auf die Vier-Tage-Woche, attraktiver für Arbeitnehmer zu sein.
Diese Hoffnung bestätigte sich für das Unternehmen. “Die Anzahl an Bewerbungen ist gestiegen”, sagt Borger. Er sehe die Vier-Tage-Woche als „Pull-Faktor“, der für mehr Lebensqualität bei den Angestellten sorge. Die Krankheitstage im Betrieb hätten abgenommen, die Motivation sei gestiegen.
Erfahrungen aus der Testphase bisher positiv
Zieher habe die Arbeitszeit um fünf Stunden gekürzt – und den Lohn gleich gelassen, erklärt Borger. Die Leistung der Mitarbeiter soll trotz der verminderten Stundenzahl gleich bleiben. “Ich habe aber noch keinen Kollegen getroffen, bei dem das nicht funktioniert hätte”, sagt der Zieher-Sprecher.
Auch Zieher habe sich auf den Freitag als freien Tag geeinigt. “Freitag war rein umsatzmäßig immer schon der schlechteste Tag”, sagt Borger.
Auch Weberei aus dem Hofer Land testet die kurze Woche
Die Weberei Rohleder aus Konradsreuth testet derzeit die Vier-Tage-Woche. “Hauptgrund war, die Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern”, sagt Geschäftsführer Matthias Hanitzsch. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde bei einem vollen Lohnausgleich auf 36 Stunden verkürzt. Dem Unternehmen gelinge es, die verlorene Arbeitszeit durch einen Effizienz-Anstieg auszugleichen, so der Geschäftsführer.
Mitarbeiter haben mehr Zeit zur Erholung
“Die Motivation ist bei den meisten sehr hoch”, sagt Hanitzsch. Viele Mitarbeiter begrüßen den Wechsel zur Vier-Tage-Woche. Auch bei Rohleder ist der Freitag frei. Mit dem verlängerten Wochenende sei der Erholungseffekt für die Mitarbeiter größer, so der Geschäftsführer.
Kritische Bewertungen der Vier-Tage-Woche gibt es dennoch im Unternehmen. “Es gibt Stimmen in der Schichtarbeit, die der Umstellung noch kritisch gegenüberstehen und Erfahrungen sammeln müssen“, sagt Hanitzsch. Ihre Bedenken lassen sich ihm zufolge vor allem auf die verschobenen Arbeitszeiten zurückführen.
Entscheidung steht noch bevor
Das Unternehmen habe noch nicht abschließend festgelegt, ob die Vier-Tage-Woche beibehalten werden soll. Geschäftsführer Hanitzsch sagt, dass viele dennoch auf den vollständigen Wechsel hoffen.
Die aktuelle Testphase geht noch bis April 2024 – dann folge die Entscheidung.
Erfolg hängt von der individuellen Situation ab
“Die Vier-Tage-Woche ist ein Thema, das die Leute bewegt”, sagt Mathias Eckardt, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). “Wir als Gewerkschaft sehen das ein bisschen differenzierter“, erklärt er. Auch Michaela Heimpel von der Handwerkskammer (HWK) Oberfranken sieht Chancen und Risiken.
Der Erfolg in Betrieben hänge von der individuellen Umsetzung ab. “Wichtig ist auch die Frage, ob die Belegschaft das Konzept trägt oder nicht”, sagt Heimpel. Arbeitgeber müssten Zugeständnisse hinsichtlich Lohn und Arbeitszeit machen, während Mitarbeiter sich an eine verdichtete Arbeitszeit gewöhnen müssten.
Die Vier-Tage-Woche als Chance für das Handwerk
Mathias Eckardt vom DGB sieht die Vier-Tage-Woche vor allem als Chance für das Handwerk, um mehr neues Personal anzuziehen. Flexible Modelle wie die Vier-Tage-Woche “können zu mehr Zufriedenheit bei der Belegschaft führen, was wiederum die Bindung stärkt”, sagt Michaela Heimpel von der HWK.
Manche Arbeitgeber haben dennoch Bedenken. Ihnen stellt sich die Frage, “ob sich der betriebliche Alltag mit vier Tagen Regelarbeitszeit gut organisieren lässt und ob die Kundinnen und Kunden sowie Lieferanten und Zulieferer den Weg einer Vier-Tage-Woche mitgehen”, so Heimpel.
Das Resümee der Experten
Ein allgemeingültiges Fazit haben die Experten nicht. “Die Erfahrungen sind positiv und negativ”, sagt Mathias Eckardt. Der Zeitraum sei noch zu kurz, um sich auf ein definitives Ergebnis festzulegen.
Auch die Handelskammer Oberfranken hat Ähnliches beobachtet. “Einige sind sehr zufrieden und möchten nicht mehr ins vorherige System zurück. Andere haben festgestellt, dass eine Vier-Tage-Woche für ihren Arbeitsablauf nicht praktikabel ist”, sagt Heimpel.