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Gericht

Schockanruf-Prozess in Bayreuth: Bande erbeutet über 200.000 Euro – Abholer verurteilt

Das Landgericht Bayreuth hat den Abholer einer Schockanruf-Bande verurteilt. Es geht um Beute im Wert von über 200.000 Euro.

Eine Rentnerin aus Gefrees hatte die Schockanruf-Serie beendet – indem sie die Bande in eine Falle lockte.

Das Landgericht Bayreuth hat den Abholer am heutigen Montag, den 4. März 2024, für zehn Schockanrufe verurteilt.

Fast eine Viertelmillion Euro in einem Monat

203.790 Euro. Diesen Wert hat eine Schockanruf-Bande im Mai 2023 – einem einzigen Monat – erbeutet. Der Abholer war stets M. – ein 62 Jahre alter Pole, der derzeit in Bayreuth in Haft sitzt. Das Landgericht Bayreuth hat ihn nun verurteilt. Seine mutmaßlichen Mittäter sind nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft geht von mindestens zwei Mittätern aus.

M. war vor dem Bayreuther Landgericht wegen zehn Schockanruf-Fällen angeklagt, acht erfolgreichen und zwei gescheiterten. Deutschlandweit soll die Bande Geld und Wertgegenstände von älteren Menschen erbeutet haben.

Betrug mit System

Die Betrüger gingen mit der bekannten Masche vor: Am Telefon haben sie sich als Polizist oder Staatsanwalt ausgegeben und behauptet, ein naher Angehöriger habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und müsse in Haft, sofern nicht eine hohe Kaution gezahlt werde.

„Während mindestens ein Täter die Opfer anrief, organisierte mindestens ein weiterer als Logistiker die Abholung des Geldes und der Wertgegenstände“, so die Staatsanwaltschaft. Der dritte im Bunde – der Abholer – war M.

186.590 Euro Bargeld und Schmuck im Wert von 17.200 Euro hat der Angeklagte bei den acht erfolgreichen Fällen insgesamt entgegengenommen. Die Opfer haben jeweils hohe Summen übergeben, eine Seniorin hat ihm 37.000 Euro Bargeld überreicht.

In Falle getappt

Eine heute 70-jährige Rentnerin aus Gefrees allerdings hat die Bande in eine Falle gelockt. Die Täter haben sie am 25. Mai 2023 angerufen. Sie ging nur zum Schein auf die Masche ein – während sie in Wirklichkeit die Polizei rief. Als der Angeklagte zur Adresse der Dame ging, erwarteten ihn dort schon die Beamten aus Bayreuth.

Richter Bernhard Heim zeigte sich beeindruckt von der Gefreeserin: „Sie haben das super gemeistert. Respekt vor dieser Leistung!“

Die Polizisten fanden fünf Handys, ein Navigationsgerät und einen Kalender in M.s Auto. Anhand der Daten haben sie ermittelt, an welchen anderen Schockanruf-Fällen M. beteiligt gewesen war. Die Geschädigten konnten M. leicht identifizieren, da er wohl immer dasselbe anhatte.

Verräterische Kleidung

Es waren wenige Details, die M. immer wieder verrieten, wie die Bayreuther Kriminalbeamtin, die die Ermittlungen koordinierte, vor Gericht sagte. Er habe stets dasselbe beige Hemd und Hosenträger angehabt. Zudem hätten die Opfer seine schlechten Zähne bemerkt. Dadurch haben die Polizisten neun weitere Taten ermittelt, bei denen M. als Abholer fungierte.

„Sein beiges Hemd und die Hosenträger waren sein Unglück“, so Richter Heim. Die Betrüger kamen weit herum – so hat die Bande in Jena und nahe Stralsund zugeschlagen, aber auch in Warmensteinach. Acht Taten waren erfolgreich. Bei dem neunten Fall, in Hof, hat das potentielle Opfer im letzten Augenblick entschieden, das Geld doch nicht zu übergeben. Und der zehnte Fall war die Falle in Gefrees.

Angeklagter legt Geständnis ab

M. hat zu Beginn des Verfahrens alle Taten eingeräumt. Das hat ihm Staatsanwalt Eik Launert zugute gehalten – schließlich habe er es damit den hochbetagten Zeugen erspart, selbst vor Gericht auszusagen.

Der Staatsanwalt lastete ihm jedoch an, dass die Bande die Senioren – das älteste Opfer war 89 Jahre alt – so unter Druck gesetzt habe, “dass sie weder ein noch aus wussten”. Die Geschädigten würden oft lange unter der Scham leiden, dem Betrug zum Opfer gefallen zu sein. Der Staatsanwalt forderte eine Gesamt-Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.

Verteidiger Wolfgang Schwemmer gab zu bedenken, dass M. keine Vorstrafen habe. „Er befand sich in einer schwierigen persönlichen Lage, hat sich immer wieder um Arbeit bemüht und Arbeit gefunden.“ Zu der Banden-Mitgliedschaft habe er sich hinreißen lassen. Außerdem würden dem 62-Jährigen die Haftbedingungen aufgrund seines Alters zusetzen. Der Verteidiger beantragte eine Gesamt-Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

„Ich habe gedacht, dass diese Arbeit legal ist“

M. selbst – der kein Deutsch spricht – gab durch seine Dolmetscherin Barbara Sabarth ein Schlusswort ab: „Ich möchte sagen, dass ich seit 40 Jahren legal arbeite. Ich habe gedacht, dass diese Arbeit legal ist. Und bei allen Geschädigten entschuldige ich mich sehr.“

Richter Heim verurteilte ihn zu einer Gesamt-Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Zusätzlich soll der Wert von 203.790 Euro von ihm eingezogen werden und er muss die Kosten des Verfahrens tragen. “Wir haben nicht den geringsten Zweifel, dass sich die Sache so zugetragen hat”, so Richter Heim.

Abholer bekam geringsten Teil der Beute

Bei der Urteilsfindung war das Geständnis von besonderer Bedeutung, so der Richter. „Wir gehen auch davon aus, dass er ein Stück weit seine Taten bereut und sieht, was er hier angerichtet hat.“ Er habe sich zudem kooperativ gezeigt, sowohl bei den Ermittlungen als auch dem Verfahren. Er hat so etwa die Sperrcodes für seine Handys an die Polizisten gegeben.

Außerdem habe M. keine allzu große Beute gemacht. „Der Angeklagte hat den geringsten Teil der Beute bekommen“, sagte Richter Heim. Nur 300 Euro soll M. pro Abholung erhalten haben – bei den acht erfolgreichen Fällen wären das 2.400 Euro. Die Beute sei „überwiegend wohl bei den Mittätern“ geblieben, so der Richter.

Gegen ihn spreche aber “das hohe Maß an krimineller Energie”, angesichts der vielen raffinierten Straftaten in kurzer Zeit.

Hintermänner weiter im Dunkeln

Dass die Mittäter gefunden werden ist unwahrscheinlich, wie die zuständige Polizei-Sachbearbeiterin vor Gericht aussagte: Die Telefonnummern, die sich auf den Handys des Angeklagten finden lassen, seien manipuliert und führten nicht zu den anderen Banden-Mitgliedern.

Auf seinem Navigationsgerät hätten die Polizisten mehrfach eine Adresse in Polen entdeckt. Die habe aber lediglich zu einem Parkplatz geführt, so die Polizeibeamtin. Wo M. die Beute an die Hintermänner übergeben haben könnte.