bt-Finanz-Kolumne
Liquide oder doch lieber vermögend?
von Thomas Rosenfeld
Vermögen oder Liquidität? Liquidität oder Vermögen? Unser Finanzexperte Thomas Rosenfeld erklärt, warum nicht immer „nur“ das absolute Vermögen entscheidend ist, sondern warum es im ‚Heute‘, im ‚Morgen‘ und im ‚Übermorgen‘ gerade auch oder genau deshalb auf die jederzeit vorhandene Liquidität ankommt. Beginnend mit dem Blick auf das große Ganze wird uns dieses Thema auch noch über die weiteren Kolumnen begleiten – weiter lesen lohnt sich also!
Immer wieder müssen Sie Entscheidungen treffen, wie Sie mit Ihrem Einkommen, Ihrem Vermögen und mit Ihrem Bedürfnis nach Liquidität umgehen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Bewusst oder unbewusst kommt dabei dem Liquiditätsbegriff eine besonders hohe Bedeutung zu. Der Vermögensbegriff wird häufig von der absoluten Höhe des Vermögens definiert, doch viel relevanter in der täglichen Praxis ist meiner Erfahrung nach die Tatsache, wie es um die Liquidität im ‚Heute‘, im ‚Morgen‘ und im ‚Übermorgen‘ bestellt ist. Lassen Sie uns also in diesem Beitrag zunächst einen Blick auf das große Ganze werfen.
Finanzielle Pläne gut durchdenken
Bei Entscheidungen, die im Extremfall existenzielle Auswirkungen haben können, werden regelmäßig Investments oder Absicherungsstrategien gewählt, die produktbezogen zwar richtig, sich aber im Gesamtkontext der Situation manchmal als falsch oder unzureichend herausstellen können. Keine Entscheidung zu treffen, ist im Bereich der Finanzdienstleistungen auch eine Entscheidung, die ebenfalls weitreichende Konsequenzen haben kann.
Nehmen wir beispielsweise den Jungunternehmer, der soeben seine ganze Liquidität in sein Unternehmen gesteckt hat, um damit perspektivisch ein finanzielles Ergebnis zu erzielen, das ihm und seiner Familie das Leben ermöglicht, das diese gerne leben wollen. Jetzt erbt dieser Jungunternehmer die Familienimmobilie und ist nicht in der Lage, die fällige Erbschaftssteuer zu zahlen. Ein Fall, der so täglich und häufig vorkommt – vielleicht auch schon in Ihrem Umfeld – was ist zu tun?
Immer ausreichende finanzielle Reserven halten
Dieser Fall zeigt, dass es zu jedem Zeitpunkt des finanziellen Lebens wichtig ist, liquide zu sein. Darauf gilt es, vorbereitet zu sein und dies auch regelmäßig und immer wieder zu überprüfen.
Aus meiner langjährigen Erfahrung heraus möchte ich Ihnen also bereits an dieser Stelle mitgeben: Lassen Sie den Liquiditätsaspekt nie aus Ihrem Blick geraten. Eine systematische Erfassung und regelmäßige Überprüfung der Einnahmen und Ausgabensituation im Hier und Jetzt bzw. nach geplanten Anschaffungen hört sich selbstverständlich an, findet jedoch in der Praxis aus Bequemlichkeit oder fehlender technischer Unterstützung häufig nicht statt. Noch dramatischer wird es häufig, wenn man den Ausblick auf die Liquiditätssituation im Alter bzw. im Ruhestand richtet.
Wie genau sollten Sie also vorgehen?
Wichtig ist, dass etwaige Finanzentscheidungen mit Blick auf Geldanlage und, oder Finanzierungen erst in Kenntnis aller relevanten Einflussparameter getroffen werden. Im Zeitalter von hochinnovativen Datenerfassungsinstrumenten sollte dies zum neuen Standard in der Finanzdienstleistungsbranche werden. Meine persönliche Vermutung: das wird noch geraume Zeit dauern! Was genau müsste also getan werden?
Stellen Sie also zunächst sicher, dass alle Perspektiven (finanzielles Leben (Heute), Leben nach etwaigen Investments (Morgen) und Altersversorgung (Übermorgen)) berücksichtigt sind und, dass man für sich, unter Berücksichtigung seiner häufig konkurrierenden Ziele, seine „liquide Kompromissmitte“ findet. Anders formuliert, worauf bin ich bereit, heute zu verzichten, um die Liquidität für morgen und übermorgen sicherzustellen. Dies sollte zunächst gänzlich ohne konkrete Produktlösungen geschehen. Im Ergebnis steht dann Ihr individuell ausbalanciertes Finanzprofil, welches Ihnen als Basis für eine regelmäßige Überprüfung dienen sollte. Sie erleben somit ein höchstes Maß an Transparenz, Entscheidungssicherheit und vor allem Selbstbestimmtheit.
Dies zu fördern, dazu möchte ich auch mit dieser Kolumne beitragen. Daher werden wir in den nächsten Ausgaben den Liquiditätsbegriff in verschiedenen Lebensphasen genauer und in konkreten Lebenssituationen betrachten, um Ihnen Anregungen für eigene Weichenstellungen für Ihr finanzielles Leben zu geben.
Zum Autor
Thomas Rosenfeld ist ehem. Mitglied des Vorstands der Fürstlich Castell’schen Bank, der ältesten Privatbank Bayerns. Der Bankbetriebswirt informiert in seiner Kolumne zu aktuellen und wissenswerten Themen aus der Finanzwelt.