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Wirtschaft
Bayreuther Professor über Corona-Pandemie: „Es gibt eine verzerrte Wahrnehmung der Krise“
Was macht das Coronavirus mit unserer Wirtschaft und unserem Geld? Professor Bernhard Herz gibt im bt-Interview Antworten.
Wirtschaftsförderung, Kurzarbeit und niedrige Zinsen in der Corona-Krise: „Es ist eine verzerrte Perspektive“, sagt Professor Bernhard Herz von der Uni Bayreuth über die Sorgen, die sich Menschen um unsere Wirtschaft und unser Geld machen. Im Interview mit dem bt erklärt er, warum das so ist.
Ist die deutsche Wirtschaft am Boden?
„Die deutsche Wirtschaft zeigt derzeit ein ganz unterschiedliches Bild. Der ganz überwiegende Teil der Unternehmen befindet sich in einer guten Verfassung, entweder weil sie international tätig sind und vom Export profitieren oder weil ihnen als Handwerksbetriebe die weiterhin hohe Nachfrage der privaten Haushalte zu Nutzen kommt. Sehr schlecht sieht es offensichtlich in allen Branchen aus, die direkt durch den Lockdown geschlossen wurden. Wir sind dabei nicht in einer klassischen Konjunkturkrise. In einer Rezession erholt sich die Wirtschaft meist nur langsam, weil jeder auf jeden wartet. Die Unternehmen investieren nicht und stellen keine neuen Arbeitskräfte ein, weil sie keine Nachfrage haben, während umgekehrt die privaten Haushalte nicht kaufen, weil sie Angst um die Arbeitsplätze haben. Jetzt ist die Situation eine ganz andere. Die Unternehmen warten nur darauf, dass sie wieder produzieren können und die privaten Haushalte werden schnell wieder in die Gaststätten und Biergärten zurückkehren, wenn diese geöffnet werden. Wie im letzten Sommer ist damit zu rechnen, dass nach einer Öffnung die Wirtschaft sehr zügig wieder in den Normalbetrieb zurückkehrt.
(Professor Bernhard Herz/Uni Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
„90 Prozent der Ökonomie brummt“, sagt Herz. Warum haben wir einen anderen Eindruck? „Es gibt eine verzerrte Wahrnehmung dieser Krise.“ Klar: Das, was die Menschen merken, sind die geschlossene Gastronomie, der geschlossene Handel, der geschlossene Tourismus. Die würden aber nur 10 Prozent ausmachen. Der Rest würde mit relativ geringen wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Corona Pandemie kommen. „Das ist ökonomisch gesehen eine Naturkatastrophe und keine Finanzkrise“, erklärt Professor Herz weiter.
Trotz Corona-Krise: Gute Zahlen auf dem Arbeitsmarkt?
Eben weil die Wirtschaft zum überwiegenden Teil brummt, wie Bernhard Herz sagt, seien die Zahlen vom Arbeitsmarkt vergleichsweise so gut. „Der Arbeitsmarkt ist in einem stabilen Zustand.“ Die Kurzarbeit sei das Mittel der Stunde, so Herz. Die stückweise erfolgenden Öffnungen, die kommen werden, würden auf den Arbeitsmarkt zunächst keine Auswirkungen haben. „Zuerst kommen die Menschen aus der Kurzarbeit zurück.“ Gesamt gesehen könne es aber nur noch aufwärts gehen.
Droht eine Überschuldung Deutschlands?
„Bundes- und Landesregierungen unterstützen die betroffenen Unternehmen und ihre Arbeitskräfte, und das ist vernünftig und gut so. Diese Hilfen sollten im Übrigen auch nicht nur angekündigt werden, sondern schnell ausgezahlt werden. Das funktioniert leider immer noch nicht so wie angekündigt. Gleichzeitig werden weniger Steuern gezahlt, auch das stützt die wirtschaftliche Entwicklung in der Krise. Damit steigt notwendigerweise auch die Verschuldung. Aufgrund der relativ stabilitätsorientierten Politik in den letzten Jahren, Stichwort schwarze null, kann Deutschland diesen Schuldenanstieg verkraften, es droht keine Überschuldung. Allerdings wird es darauf ankommen, diesen Anstieg der Schulden wieder umzukehren, wenn die durch Corona bedingte Wirtschaftskrise überwunden ist.
(Professor Bernhard Herz/Uni Bayreuth)
Milliarden von Corona-Hilfen und-Kosten aber wer soll das bezahlen?
Klar: Wer sich bei seiner Bank einen Kredit nimmt, wird bewertet: wie alt, welches Einkommen, usw. und im günstigsten Fall kommt ein Vertrag zustande. „Ein Staat beleiht sich gewissermaßen selbst.“ Die Eckdaten hier sind die zukünftigen Generationen und die Wirtschaftslage im Staat: anders bei Max Mustermann bei seiner Hausbank, denn seine Lebenszeit ist endlich. Vorteil eines Staates ist auch, dass er seine Einnahmen direkt steuern kann, mehr als Herr Mustermann: Der Staat kann Steuern heben und senken, sogar neue erheben und so seine Einnahmen steuern.
Welche Rolle spielt die Schuldenbremse überhaupt noch?
„Die Schuldenbremse ist ein Instrument zur Stabilisierung der Staatsverschuldung. Es ist vernünftig, in Krisenzeiten eine höhere Verschuldung zuzulassen, um die Kosten der Krise zeitlich zu strecken. Mit der Überwindung der Krise sind die Sondermaßnahmen nicht mehr notwendig, und es kann dann auch wieder das Ziel stabiler Staatsfinanzen in den Vordergrund gerückt werden.“
(Professor Bernhard Herz/Uni Bayreuth)
„Deutschland tut gut daran, in der Corona-Krise Geld in die Hand zu nehmen“
Vor der Corona Pandemie sei Deutschland bei einer Staatsverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestanden, so Professor Bernhard Herz. „Da waren wir vor über 10 Jahren schon mal vor der Finanzkrise.“ Es würden wieder 80 Prozent werden. Dennoch sei es ein gutes Zeichen, im zweiten Lockdown die Straßen wieder befahren zu sehen. „Autos, Lieferwagen, Lkws – das ist ein, wenn auch grober, Indikator.“
Welche Maßnahmen können Nationalstaaten ergreifen?
„Die Nationalstaaten sollten vor allem vor Ort die Pandemie und ihre Folgen eindämmen. Im Vordergrund müsste dabei ein schnelles und umfassendes Impf- und Testprogramm stehen – leider passiert in dieser Hinsicht gerade auch in Deutschland immer noch viel zu wenig.“
(Professor Bernhard Herz/Uni Bayreuth)
Schuster bleib bei Deinem Leisten: Professor Herz von der Uni Bayreuth zur EZB
„Ich bin unzufrieden mit dem, was die EZB tut“, sagt Professor Bernhard Herz. Sie habe ihre Zuständigkeit überschritten. „Es geht um stabile Preise in Europa“, sagt Herz, „und nicht um stabile Preise in einzelnen Regionen von Europa.“ Niemand könne die Auswirkungen genau vorhersehen, aber die aktuelle Zinspolitik sei falsch ausgerichtet. Sie gehe zu sehr ins Detail statt auf das große Ganze.
(Professor Bernhard Herz/Uni Bayreuth)
Droht eine Inflation? Wird der Euro entwertet?
„Durch die extrem expansive Geldpolitik der EZB und die massiven Ausgabenprogramme der Länder hat sich ein erhebliches Inflationspotential aufgebaut. Ob es dann tatsächlich zu einer höheren Inflation kommt, hängt davon ab, wie Regierungen und EZB in nächster Zeit agieren. Gerade die EZB hat alle Instrumente in der Hand, auf eine drohende Inflation zu reagieren und diese einzudämmen. Die Frage wird sein, ob sie in einer solchen Situation auch politisch bereit sein wird, etwa mit höheren Zinsen stabilisierend gegenzusteuern.
(Professor Bernhard Herz/Uni Bayreuth)
Die Inflation in Deutschland: ein Gespenst?
„Seit der letzten Jahre ist die Inflation in Deutschland ein Gespenst, das umgeht“, sagt Bernhard Herz. Immer wieder werde sie befürchtet und es gebe Ökonomen, die in steigenden Zinsen erste Anzeichen sehen aber sei sie nicht eingetreten.
Welche Folgen sind zu erwarten, wenn vergleichsweise schwächere EU-Länder wie Italien in Schieflage geraten?
„Durch die massiven Hilfen auf EU-Ebene, Stichwort Next Generation EU, und die gleichzeitig niedrigen Zinsen sollten Länder wie Italien in nächster Zeit keine allzu großen Finanzierungsprobleme haben. Die große Herausforderung wird sein, diese Mittel auch sinnvoll einzusetzen. Sollte dies nicht geschehen und eine Finanzkrise auftreten, könnte es zu ähnlichen Entwicklungen kommen wie vor knapp zehn Jahren in der griechischen Staatsschulden- und Bankenkrise. Allerdings sind sich alle Experten einig, dass es im Fall von Italien kein Rettungspaket à la Griechenland geben wird. Italiens Ökonomie und Staatsschulden sind etwa zehnmal so groß wie die Griechenlands – und für einen solchen Krisenfall gibt es im Moment keine seriösen Rettungspläne. Eine solche Krise müsste Italien schon selbst bekämpfen.“
(Professor Bernhard Herz/Uni Bayreuth)
bt-Redakteur Online/Multimedia
Raphael Weiß