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Landtagswahl Bayern 2023
Landtagswahl: SPD-Kandidat Halil Tasdelen im bt-Interview
Bayern wählt am 8. Oktober seinen neuen Landtag. Halil Tasdelen kandidiert für die SPD im Bayreuther Wahlkreis.
Der Bayreuther SPD-Kandidat Halil Tasdelen spricht darüber, wie Integration gelingen kann – ausgehend von seiner eigenen Erfahrung.
Alle Interviews mit den Bayreuther Direktkandidaten finden Sie hier.
Wie Integration gelingen kann
bt-Redaktion: Herr Tasdelen, Sie sind in den frühen 80ern aus der Türkei nach Bayreuth gekommen. Wie können wir die heutigen Flüchtlinge Ihrer Erfahrung nach integrieren?
Halil Tasdelen: Ich habe mich nur integrieren können, weil man mich sofort in den BSV 98 gesteckt hat. Nach drei Monaten ist die „Gosch’n“ genauso gegangen wie jetzt. Deswegen ist einer meiner Schwerpunkte die Sportstätten-Förderung. Wir müssen Plätze fürs Miteinander schaffen und das Vorhandene sanieren.
Viele Einwanderer sind Muslime. Bayern ist traditionell katholisch geprägt. Welche Rolle sollen die Religionen im Bayern der Zukunft spielen?
Die Religionen sind verdammt wichtig, sie sind Nahrung für den Geist. Ich bin praktizierender Moslem. Ich bete fünfmal am Tag. Einmal im Jahr setze ich mich hin, rechne mein Vermögen aus und spende 2,5 Prozent an die Armen.
Welchen Einfluss sollen Kirche und Islam in der Politik haben?
Die Religionsgemeinschaften sollten sich nicht in die Politik einmischen. Ich brauche auch keinen Muezzin-Ruf in Bayern. Und die Kirchenglocken stören mich auch nicht – das gehört dazu, das ist die Tradition.
“Da muss viel saniert werden”
Wie Sie sagen, geht die Integration auch über die Sportstätten. Wie gut ist die Bayreuther Region da aufgestellt?
Wir waren mal sehr gut aufgestellt. Aber die ganzen Sportstätten sind in den 50er- und 60er-Jahren gebaut worden. Da muss viel saniert werden – hier muss die Politik dem Ehrenamt unter die Arme greifen.
Wie sieht es mit dem Nachwuchs bei den Vereinen aus?
Es ist viel schlechter geworden. Die Jugendlichen haben nicht mehr viel für Sport übrig. Aber für die soziale und emotionale Bildung sind Vereine und Sport verdammt wichtig.
Was kann man da machen?
Der Sportunterricht in der Schule muss einen höheren Stellenwert haben – und darf nicht ständig ausfallen.
Der Ärger über das Heizungsgesetz
Im Wahlkampf kommt man viel rum. Wie ist denn die Stimmung in der Bayreuther Region?
Die Leute sind tatsächlich unzufrieden. Ich muss ehrlich sagen: Die Planlosigkeit der Politik bei gewissen Themen kotzt auch mich an – etwa beim Gebäudeenergie-Gesetz, dem Heizungsgesetz. Damit hat man die Menschen der AfD in den Schoß gepeitscht. Nicht getrieben, sondern gepeitscht.
Das Gesetz wurde von Ihrer SPD mitbeschlossen. Was hat die Regierung falsch gemacht?
Ich hätte mir vom Genossen Scholz gewünscht, dass er beim Heizungsgesetz auf den Tisch gehauen und gesagt hätte: Lieber Robert Habeck, das müssen wir nochmal besprechen.
Richten wir den Blick nach Bayreuth: Was könnte man denn hier für die Energiewende machen?
Die Stadtwerke müssten schauen, wo Fernwärme möglich ist. Außerdem könnten wir festschreiben, dass jedes Haus eine Zisterne haben muss. Ich habe eine Zisterne und gieße daher das ganze Jahr mit Regenwasser. Deswegen ist meine Stockrose nicht 1,80 Meter groß sondern 3,50 Meter.
Berufspolitiker sollten mindestens fünf Jahre gearbeitet haben
Sie sind gelernter Tiefbaufacharbeiter, arbeiten bei der Baufirma Markgraf. Was halten Sie von Politikern, die nie in einem normalen Beruf gearbeitet haben?
Meine größte Forderung ist: Ein Berufspolitiker sollte ein abgeschlossenes Studium oder eine Ausbildung und mindestens fünf Jahre Berufserfahrung vorweisen müssen. Es kann nicht sein, dass jemand von der Uni oder von der Schule in den Landtag oder Bundestag geht. Einem solchen Menschen fehlt doch die Lebenserfahrung.
Einer Ihrer Schwerpunkte ist das Thema Bauen und Wohnen. Nun steht zurzeit das Einfamilienhaus in der Kritik: Mancher Grüne sagt, man solle lieber in die Höhe bauen, um weniger Fläche zu versiegeln. Wie stehen Sie dazu?
Ich bin nicht gegen Einfamilienhäuser. Wir sollten aber auch wagen, in die Höhe zu gehen. Man könnte doch zum Beispiel mehr Büros auf Supermärkten bauen.
Mehr Industrie, weniger Bürokratie
In Oberfranken spielt die Industrie eine große Rolle. Was kann die Politik unternehmen, um neue Betriebe anzuziehen und die alten zu erhalten?
Es gibt Millionen Fördergelder, die wir abgreifen können. Wenn ich in den Landtag gewählt werde, stelle ich mit Sicherheit einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin ein, der oder die sich nur um das Beschaffen von Fördergeldern kümmert. Und wir müssen mehr auf die Wirtschaft zugehen, ihnen die Rahmenbedingungen schaffen. Wenn jemand mit dem Geldkoffer nach Oberfranken kommt, sagt der vom Bauamt vielleicht: Kommen Sie in drei Wochen wieder, ich hab jetzt Urlaub. Wir müssen aktiv auf die Gewerbetreibenden zugehen.
Das bringt uns zum Thema Bürokratie. Für welche Veränderungen wollen Sie sich da stark machen?
Die Behandlung von Baugenehmigungen muss schneller vorangehen. Wenn hier zusätzliches Personal gebraucht wird, dann müssen eben neue Mitarbeiter eingestellt werden. Nutzungsänderungen müssen erleichtert werden. Wenn du in Bayreuth aus einem indischen Restaurant ein Fisch-Restaurant machen willst, musst du erneut deine Statik und deinen Brandschutz nachweisen. Obwohl das alles schonmal erstellt worden ist.
Wie geht für Sie das Leben weiter, wenn Sie nicht gewählt werden?
Dann denke ich mir: Halil, Gott hat wohl was Besseres mit dir vor.