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Bayreuth

Wie ein Bayreuther Textilbetrieb den Krisen trotzt: „Es ist ein Wandel, kein Niedergang“

Oberfrankens Textilindustrie hat sich wieder stabilisiert. Ein Bayreuther Veredler zeigt, wie der Weg durch die Krise geht.

Bayreuther Textilfirma setzt weiter auf den Standort Oberfranken

Eine Schockwelle ging vor rund einem Monat durch die oberfränkische Textilindustrie, als der Schalhersteller Fraas ankündigte, seine Produktion in Wüstenselbitz und Helmbrechts zu schließen. Doch der Bayreuther Textilveredler Blaha setzt weiter große Hoffnungen auf den Standort Oberfranken.

„Die Industrie ist im Wandel, nicht im Niedergang“, sagt Blaha-Geschäftsführer Carsten Lages im Gespräch mit dem bt. Beim Bayreuther Textilveredler in der Ludwig-Thoma-Straße laufen die Maschinen 24 Stunden am Tag, 84 Mitarbeiter arbeiten im Drei-Schicht-System, der Umsatz ist in den vergangenen drei Jahren um 15 Prozent gestiegen. „Wir hatten letztes Jahr so viele Aufträge, dass wir nicht genug Personal hatten, sie alle zu erfüllen.“

Die große Schließungswelle ist nach Ansicht des Blaha-Chefs schon abgeebbt. Denn die meisten oberfränkischen Textilbetriebe, die es jetzt noch gibt, hätten sich erfolgreich den Zeichen der Zeit angepasst – so wie seine Firma.

Wie Blaha den Umstieg geschafft hat

„Wir kommen aus der Heimtextilien-Industrie, haben früher auf Vorhänge und Gardinen gesetzt“, sagt Lages. „Das ist in Deutschland so gut wie tot.“ Doch die Veredlung von Gardinen habe sehr breite Maschinen gefordert. „Die klassische Bekleidungsindustrie hat Maschinenbreiten von zwei Metern. Wir haben bis zu 3,80 Meter.“ Daraus entstand das neue Geschäftsmodell der Blaha.

„Wir spezialisieren uns jetzt auf technische Maschenstoffe mit Überbreiten“, sagt Lages. Die Bayreuther Firma veredelt technisch anspruchsvolle Stoffe für den Flugzeug- und Automobilbau, für die Bauindustrie und die Medizintechnik sowie für technische Sonderanwendungen.

Durch die Spezialisierung gebe es in ganz Deutschland nur noch zwei bis drei vergleichbare Firmen, so der Blaha-Chef. Die Konkurrenz aus Fernost sei bei solchen Spezial-Textilien nicht erdrückend, Deutschland sei nach wie vor ein Spitzenreiter, wenn Forschung und Innovation gefordert ist. Doch der Standort Deutschland hat laut Lages gerade auch Probleme.

Wo die Bedrohung liegt

„Unser Problem sind die unterschiedlich hohen Energiepreise und Auflagen innerhalb Europas“, sagt Lages. In Deutschland sei die Energie im europaweiten Vergleich zu teuer. Deutschland dürfe nicht zu viele Vorreiterpositionen einnehmen wollen. „Sonst reicht es nicht für die Investitionen, die wir brauchen.“

Die Blaha selbst habe schon manche alte Maschine durch ein effizienteres neues Modell ersetzt, außerdem die Arbeitsabläufe energetisch so effizient wie möglich umgestaltet. Etwa durch den Umstieg aufs Drei-Schicht-System, wodurch sich die Maschinen nur einmal pro Woche von Null aufheizen müssen.

Ein Wechsel auf regenerative Energien in der Produktionstechnik sei aber derzeit schlicht nicht möglich. „Es gibt noch keine Technologie, die den Umstieg möglich macht.“ Etwa gebe es noch immer keine Spannrahmen mit Wasserstoff-Antrieb. Ein weiteres Problem: Es fehlt am Personal.

Zu wenig „Textiler“ in Oberfranken

Blaha-Chef Lages bezeichnet sich als „ein Kind der Textilindustrie“, er stammt aus der einstigen Textil-Hochburg Helmbrechts, hat an der Fachschule in Münchberg studiert. Seit rund 35 Jahren arbeitet er in der Industrie, die Geschäftsführung der Blaha hat er im Jahr 2020 übernommen.

„Ich will das Unternehmen in die nächste Generation führen.“ Doch es gebe mittlerweile schlicht zu wenig „Textiler“ in Oberfranken. Er setze auf gute Bezahlung, ein angenehmes Betriebsklima, vom Betrieb bezahlte Fortbildungen. „Wir bieten jedem gelernten Mitarbeiter eine Fortbildung zum Meister an.“

Und er hofft, dass die Textil-Branche ihr schlechtes Image verliert. Denn die Zeit der rauchenden Schornsteine und des schmutzigen Abwassers sei vorbei, so Lages. Die hiesige Industrie sei bereit für die Zukunft, für eine nachhaltige Produktion bei guten Arbeitsbedingungen.

Zahl der Betriebe hat sich stabilisiert

Die oberfränkische Textilindustrie hat sich im letzten Jahrzehnt stabilisiert, wie ein Blick auf die Zahlen des statistischen Landesamtes zeigt. Zunächst war die Zahl der Textilbetriebe in Oberfranken mit mindestens 20 Beschäftigten über Jahrzehnte hinweg gesunken: von 305 Betrieben mit 43.777 Beschäftigten im Jahr 1955 auf 58 Betriebe mit 5.800 Beschäftigten im Jahr 2012. Seitdem aber hat sich die Lage beruhigt: Auch im Jahr 2022 zählte die oberfränkische Textilindustrie noch 58 Betriebe und 5.885 Beschäftigte.

„Die heute in Oberfranken ansässigen Unternehmen sind oft Marktführer in ihrem Segment“, sagt Peter Belina, Sprecher der IHK für Oberfranken. Die stabile Zeit könnte nun jedoch vorbei sein. „Aktuell wendet sich das Blatt aber, die Standortbedingungen haben sich spürbar verschlechtert.“ Neben den Energiepreisen nennt er Bürokratie und Fachkräftemangel als die großen Probleme.

Wandel geht weiter

Ähnlich sieht es Xaver Aschenbrenner, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie: „Ich glaube, dass wir weitere Betriebe verlieren werden oder sie sich verkleinern“, sagt er im Gespräch mit dem bt. Doch auch Aschenbrenner setzt seine Hoffnung darauf, dass die oberfränkische Textilindustrie anspruchsvolle Textilien für die Anforderungen der Zukunft herstellen kann, etwa für die wachsende Zahl der E-Autos.

Die Textilschule in Münchberg und die Hochschule in Hof könnten hier seiner Ansicht nach weiter eine große Rolle spielen. Sie würden Oberfranken zu einem Spitzenstandort der Forschung machen. Das Ziel müsse es sein, „dass alle Unternehmen ihr hohes Niveau nicht nur halten, sondern durch hochinnovative Textilien europäische und weltweite Spitzenpositionen erlangen und sichern“.