Serdar Keskin: Ein Mahnmal in der Sübkültür

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Am Dienstagabend wird in der Kämmereigasse 9 1/2 ein besonderer Künstler auftreten. Einer, der  Menschen vertritt, die ihr Land nicht verlassen dürfen. Weil sie sich regierungskritisch geäußert haben. Der türkische Liedermacher Serdar Keskin tritt in der Subkültür auf und hat eine wichtige Botschaft, auch für Deutschland, im Gepäck.

In Mersin ist Keskin ein Star. 1967 in der Millionenstadt am Mittelmeer geboren, ist er nicht nur Musiker sondern auch Politikwissenschaftler. Er gilt als enger Verbündeter von Wissenschaftlern und Kulturschaffenden, die ihren Beruf unter Präsident Erdogan nicht mehr ausüben dürfen. Keskin singt von Freiheit und Liebe und den Verbannten damit aus der Seele.

Tasdelen übersetzt

Halil Tasdelen, Stadtrat der Bayreuther SPD, wird den Abend übersetzen. Mersin, die Millionenstadt am Mittelmeer, hat er schon mehrfach der Schwiegereltern wegen besucht. Allerdings, sagt er, sei ihm das Kulturhaus dort zunächst kaum aufgefallen. Heute weiß er: Lehrer und Dozenten, die wegen ihrer Regime-Kritik von der dortigen Universität verbannt wurden, sich davon aber nicht einschüchtern ließen, haben das Kulturhaus gegründet. Es sind mutige Leute, sagt Tasdelen, die sich trotz widrigster Umstände nicht den Mund verbieten lassen. Und die in der Kültürhane eine Institution gefunden haben, in der Meinung- und Kunstfreiheit noch gefördert wird. Eine Institution, die man als Cafeteria getarnte Akademie begreifen kann. Oder als Kulturverein getarnte Bibliothek. Die Macher sprechen von einem “Garten der Hoffnung”. Der Hoffnung darauf, dass die Meinungs- und Kunstfreiheit in der Türkei noch nicht unwiederbringlich verloren ist.

Lesestoff für Arbeiter und Schüler

Mit einer Bibliothek, die mehr als 10.000 allenvoran sozialwissenschaftliche Bücher zählt, wirbt die Kültürhane auf ihrer Website. Das Sortiment sei größer als das der Universität Mersin, von der die meisten der Verbannten kommen. Die Einrichtung wirbt zudem damit, dass sie einfache Arbeiter mit den Autoren der Bücher ins Gespräch bringe. Über Spenden wird Schülern aus armen Familien ein Leseausweis für die Bibliothek spendiert. Auf der Homepage der Sübkültür ist zu lesen, wie man die Macher der Kültürhane unterstützen kann.

Rund 100.000 Türken sind in den vergangenen drei Jahren per Notstandsdekret bereits aus dem Staatsdienst entlassen worden. Aufgrund regierungskritischer Äußerungen stehen sie unter Verdacht, Terroristen zu sein oder anderweitig die Staatssicherheit zu gefährden. Darunter Tausende Armeeangehörige und Polizisten, Lehrer und Universitätsdozenten.

Betroffene auch in Bayreuth

Eine, die ihren Beruf deshalb nicht mehr nachgehen konnte und das Land verlassen musste, ist Eylem Camuroglu Cig. Seit zwei Jahren ist die Stipendiatin der Philipp Schwartz-Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Uni Bayreuth zu Gast und als Dozentin am Lehrstuhl für Digitale und Audiovisuelle Medien tätig.

In der Türkei sei sie zuvor zweimal gefeuert worden. Weil sie 2016 eine Petition für den Frieden mit den Kurden unterschrieben habe. Einige, die das auch getan haben, fanden sich anschließend im Gefängnis wieder. Andere haben ihren Pass verloren und können nicht mehr ausreisen um davon zu erzählen. Den meisten Mitgliedern der Kültürhane geht es so. Cig kam sozusagen mit einem blauen Auge davon. Umso wichtiger, dass Keskin kommt.

Keskin als Mahnmal

Katharina Fink ist eines der Mitglieder der Sübkültür, die Serdar Keskin jetzt nach Bayreuth geholt haben. Und geht es nach Fink, kommt der Liedermacher wie ein Mahnmal nach Deutschland. “Noch ist es komfortabel hier zu leben. Aber an der Türkei kann man sehen, wie schnell sich das ändern kann. Dann ist es wichtig, dass man Netzwerke hat.” Auch dafür ist der Abend in der Sübkültür wichtig. Etliche Türken werden erwartet, denen es wie Eylem Camuroglu Cig erging.

Cig glaubt, dass sich die Stimmung in Deutschland in den vergangenen Monaten bereits geändert hat. Umso mehr freue sie sich auf Keskirs Lieder von Freiheit und Liebe.

Ihr Lieblingslied heißt bezeichnenderweise Ütopya – Utopia – und klingt so: