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Landgericht Bayreuth

Mainleuser Mord-Prozess in Bayreuth gestartet: Wer sind die Angeklagten?

Das Landgericht Bayreuth hat den Prozess um die Ermordung von Heiko F. in Mainleus eröffnet. Wer die beiden Angeklagten sind – und was sie getan haben sollen.

Vor dem Landgericht Bayreuth stehen Marcel E. und Tina H. Er soll Heiko F. brutal geschlagen haben – sie soll geholfen haben, die Tat zu vertuschen.

Der Prozess mit elf Verhandlungsterminen hat am heutigen Dienstag, den 7. November 2023, begonnen.

Was in der Mainleuser Mord-Nacht geschehen sein soll

Ein Spaziergänger hat am 14. Februar dieses Jahres die Leiche des 48-jährigen Heiko F. in einem Wald zwischen Kasendorf und Mainleus gefunden. Heiko F. hat zuvor mit drei Bekannten in einer Doppelhaushälfte in der Mainleuser Spinnereistraße gelebt. Die Spur der Ermittler führte schnell zu seinen Mitbewohnern.

Heiko F. lebte zusammen mit Roland K., dem damals 24-jährigen Marcel E. und der 41-jährigen Tina H. In der Nacht zum Sonntag, den 12. Februar 2023, soll ein Streit in der WG ausgebrochen sein. Zuerst habe Roland K. sich mit Heiko F. gestritten, “wegen angeblicher Gelddiebstähle”, wie Staatsanwalt Daniel Götz zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Bayreuth ausführte. Außerdem sei es um die verstopfte Toilette gegangen, an der Heiko F. schuld gewesen sein soll.

Tödliche Prügel mit Krücke und Faust

Roland K. soll Heiko F. mit seiner Krücke “auf den Kopf und den Oberkörper” geschlagen haben, so der Staatsanwalt in seiner Anklage. Heiko F. habe sich nicht gewehrt, seine blutende Wunde am Kopf habe er in der Küche notdürftig versorgt. Marcel E. und Tina H. waren laut Anklage bei dem Streit anwesend.

Kurz darauf soll ein neuer Streit ausgebrochen sein, diesmal zwischen Marcel E. und Heiko F. Marcel E. soll ihn mit einem Gegenstand geschlagen haben – welcher genau, ist laut dem Staatsanwalt unklar. Außerdem habe Marcel E. seinem Opfer “mehrfach Faustschläge ins Gesicht” versetzt, so Staatsanwalt Götz.

Heiko F. hat davon laut Anklage massive Verletzungen davongetragen – am Kopf, im Gesicht, an der Schulter, am Rücken, an der Brust, an den Armen, an beiden Beinen. Heiko F. habe sich auf das Sofa gelegt. “Dabei bekam F. kaum noch Luft”, sagte der Staatsanwalt.

Den Schwerverletzten mit dem Lieferwagen in den Wald geschafft?

Tina H. habe den schwerverletzten Heiko F. daraufhin beatmet. Marcel E. und Roland K. sollen den Puls gefühlt und festgestellt haben, dass er noch lebt. Roland K., dem die Wohnung gehörte, soll gesagt haben, dass er Heiko F. nicht mehr in der Wohnung sehen will. Daraufhin hat Marcel E. ihn laut Anklage wegtragen wollen. Und Tina H. aufgefordert, ihm zu helfen.

Marcel E. und Tina H. haben den Schwerverletzten laut Anklage in den Hermes-Lieferwagen gelegt, das Dienstauto des Paketboten Marcel E. Anschließend soll ihn Marcel E. alleine in den Wald gefahren haben, wo schließlich ein Spaziergänger zwei Tage später die Leiche gefunden hat.

Staatsanwaltschaft äußert Zweifel an Zurechnungsfähigkeit

Die Angeklagten seien sich bewusst gewesen, dass Heiko F. dringend ärztliche Versorgung bräuchte, so der Staatsanwalt. Sie hätten seinen Tod “zumindest billigend in Kauf genommen”. Die Staatsanwaltschaft wirft Marcel E. gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord in Verdeckungsabsicht vor.

Tina H. ist wegen Beihilfe zum Mord in Verdeckungsabsicht angeklagt. Roland K. steht nicht vor Gericht, da er aus gesundheitlichen Gründen als nicht verhandlungsfähig gilt.

Der Staatsanwalt äußerte Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Angeklagten.

Welche Rolle spielte die Alkoholsucht?

Marcel E. und Tina H. sind laut Anklage beide alkoholabhängig. Der Staatsanwaltschaft zufolge ist es daher möglich, dass ihre Urteilsfähigkeit zum Tatzeitpunkt erheblich eingeschränkt war. Beim Prozessauftakt spielten daher die Trinkgewohnheiten und die Vorgeschichten der beiden Angeklagten eine zentrale Rolle.

Der heute 25-jährige Marcel E. hat bei der Jugendhilfe in Fassoldshof bei Mainleus eine Ausbildung zum Maler und Lackierer angefangen und wieder abgebrochen. Mit dem Gesetz kam er seit 2012 immer wieder in Konflikt – mehrfach hat er bei Kaufland und Real in Kulmbach geklaut, Tabakwaren, Bier und Klopfer.

Schließlich kam es im Jahr 2021 zu einem Vorfall, der ihm eine Haftstrafe von zehn Monaten eingebracht hat: Ein Anwohner hatte in Lichtenfels die Polizei gerufen, weil Marcel E. stark betrunken in einer Einfahrt lag. Als die Polizisten und die Sanitäter ankamen, hat er gegen die Polizisten geschlagen und getreten, zwei Polizisten trugen Verletzungen davon.

Das Leben des Marcel E. in Mainleus

In Lichtenfels lernte Marcel E. außerdem zwei damalige Mitbewohner der Mainleuser WG kennen – und zog nach eigener Aussage Mitte Dezember vergangenen Jahres dort ein. Mitte Januar habe er eine Arbeit gefunden, als Paketbote bei Hermes. Er sei der einzige mit einer Arbeit in der WG gewesen, so Marcel E.

“Vor allem, als ich nicht gearbeitet hab, habe ich viel getrunken”, sagte Marcel E. vor dem Landgericht. Sobald er als Paketbote arbeitete, habe er das Trinken auf die Abende und die Wochenenden beschränkt. “Mir war es viel zu riskant, am Steuer etwas zu trinken”, sagte er.

Zu Feierabend habe er täglich “etwa einen Viertelkasten” Bier getrunken – also rund fünf Bier. Ob es 0,3- oder 0,5-Liter-Flaschen waren, konnte er auf Nachfrage von Richter Bernhard Heim nicht beantworten – nur, dass es sich um die Marke Ratskrone gehandelt hat. An den Wochenenden habe er “viel getrunken, Partys gefeiert, Musik gehört”, so Marcel E.

Bis zu dem Wochenende, an dem Heiko F. starb.

Bier und Wodka in der Tatnacht

Am Samstag, den 11. Februar 2023, habe er gegen 19 Uhr mit dem Trinken angefangen, sagte Marcel E. vor Gericht. Wie viel genau es war, könne er nicht mehr sagen. “Es war auf jeden Fall genug Bier und es war auf jeden Fall noch Wodka.” In dieser Nacht sollen er und Roland K. ihren Mitbewohner zu Tode geprügelt haben. Zu den Vorwürfen äußerte er sich allerdings nicht.

Marcel E. hatte nach eigener Aussage die Aussicht auf einen festen Arbeitsvertrag – am 15. Februar hätte er dazu in seiner Firma ein Gespräch gehabt. Einen Tag davor, am 14. Februar, wurde er verhaftet. Zurzeit verbüßt er in der JVA Bayreuth die zehnmonatige Freiheitsstrafe wegen der Körperverletzung in Lichtenfels.

War Tina H. selbst Opfer?

Die 41-jährige Tina H. musste sich seit 2013 mehrfach vor Gericht verantworten. Einerseits wegen Diebstahl, unter anderem von Tabakwaren und von Kleidung aus einem Altkleidercontainer. Außerdem, weil sie zweimal betrunken mit einem E-Scooter gefahren war.

Sie äußerte sich nicht vor Gericht. Ihr Anwalt Gert Lowack sagte, Tina H. sei “selbst Opfer der Verhältnisse in diesem Haus” gewesen. Er warf die Frage auf, ob sie in dem Moment überhaupt hätte Nein sagen können, als Marcel E. sie aufforderte, den Schwerverletzten mit in den Lieferwagen zu tragen. Und ob ihr überhaupt klar gewesen sei, wie schwer Heiko F. verletzt war und was Marcel E. mit ihm vorhatte.

Gutachten soll möglichen Hirnschaden klären

Der Anwalt beantragte ein neuro-psychiatrisches Gutachten für Tina H. Sie war im Jahr 2011 mit einer Hirnblutung im Kulmbacher Klinikum behandelt worden. Dem Anwalt zufolge hat das Hirnschäden nach sich gezogen, ihre Gedächtnis-, Sprach- und Konzentrationsfähigkeit sei beeinträchtigt gewesen. Sie sei zeitweise betreut worden, die Ärzte hätten ihr ein “hirnorganisches Psychosyndrom” diagnostiziert. Deshalb forderte der Anwalt das neue Gutachten.

“Wir werden darüber beraten”, sagte Richter Heim. Der Prozess am Landgericht Bayreuth geht am Freitag um 9 Uhr weiter – noch stehen zehn Termine und 16 Zeugenaussagen bevor.