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Medikamentenmangel

Medikamentenmangel: Lauterbach warnt vor “Medikamentenflohmarkt”

Immer mehr kommt es zu Lieferengpässen bei Medikamenten. Gesundheitsminister Lauterbach will deshalb eine Gesetzesanpassung vornehmen.

In Deutschland ist es überall bemerkbar. Arzneimittel sind rar geworden – vor allem Kinderarznei. Aus diesem Grund will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Gesetzesanpassung vornehmen.

Dadurch sollen einige Medikamente teurer werden. Aus diesem Grund sprechen die Krankenkassen von einem “Geschenk für Pharmaunternehmer”.

Lauterbach will Gesetzesanpassung

Das sogenannte Eckpunktepapier von Lauterbach ruft allerdings unterschiedliche Reaktionen hervor. Unter anderem äußert sich die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kritisch. Die Vorstandschefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, sagte, den Festbetrag für bestimmte Kinder Medikamente oder Krebstherapien pauschal um 50 Prozent zu erhöhen, sei “ein beeindruckendes Weihnachtsgeschenk für die Pharmaunternehmen”. Ob deshalb künftig Medikamente verlässlicher nach Europa geliefert oder sogar wieder mehr produziert werde, sei unklar.

Statt nur auf kurzfristige Effekte zu setzen, die Versicherte über ihre Beiträge finanzieren müssten, werde von der Politik eine strategische Herangehensweise für ganz Europa erwartet, betonte Pfeiffer.

Kassenärzte zufrieden mit Vorschlag

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) steht dem Ganzen allerdings positiv gegenüber. “Es ist ein richtiger Ansatz, unter anderem die Preisregeln für Kinderarzneimittel zu lockern und Festbeträge sowie Rabattverträge abzuschaffen”, erklärte der stellvertretenden KBV-Vorstandschef Stephan Hofmeister.

Auch aus der Politik bekommt Lauterbach Zustimmung. Sie begrüße das Eckpunktepapier, sagte etwa die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Christine Aschenberg-Dugnus. Lieferengpässe von Arzneimitteln seien jahrzehntelang vernachlässigt worden.
Auch SPD-Chefin Saskia Esken begrüßt den Vorstoß. “Der Staat ist hier in der Pflicht zu handeln.” Gerade die Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln müsse “von rein wirtschaftlichen Interessen losgelöst werden”, sagte sie an. Lesen Sie auch: Ab 1. Januar 2023 gibt es eine neue Verordnung bezüglich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Lauterbach legte Eckpunktepapier vor

Als Reaktion auf die Lieferengpässe, die vor allem Kinder Medikamente betreffen, hat Lauterbach deutliche Änderungen bei den Preisregeln in Aussicht gestellt. Sein Plan ist es, dass die Preisvorschriften für Kinder-Arzneien gelockert werden, wieder Medikamente von europäischen Herstellern ins Spiel kommen und Vorräte der preisgünstigsten Arzneien angelegt werden. Auch Medikamente für die Krebsversorgung Erwachsener und Antibiotika sollen durch finanzielle Anreize besser verfügbar werden.

Damit die erreicht werden kann, sollen gesetzliche Krankenkassen bei Engpässen künftig einmalig bis zum 1,5-Fachen des bisherigen maximalen Betrags für benötigte Arzneimittel übernehmen können. Die Zuzahlung für die Patienten auf die Arzneimittel soll dagegen begrenzt werden.
Medikamente sollen wieder aus Europa kommen




Verträge mit Billiglohnländern

Doch woran liegt die Knappheit überhaupt? Krankenkassen müssen mit günstigen Herstellern Verträge schließen. Dadurch wurde die Produktion auf Billiglohnländer konzentriert und die Zahl der Anbieter sank.

Aus diesem Grund sollen bei künftigen Ausschreibungen den Plänen zufolge deshalb auch wieder Hersteller berücksichtigt werden, die Krebsmedikamente und Antibiotika in Europa produzieren. Das solle dazu führen, dass die Produktion dort wieder hochgefahren werde, sagte Lauterbach im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF.

Um künftigen Versorgungsengpässen von benötigten Arzneimitteln vorzubeugen, sollen nach dem Plan des Bundesgesundheitsministeriums Kriterien entwickelt werden, die die Probleme frühzeitig erkennen helfen. Bis Ende 2025 sollen die getroffenen Maßnahmen ausgewertet werden.
Tauschgeschäft mit Arznei gefährlich

Medikamentenflohmarkt: Ja oder Nein?

Das Thema Tauschgeschäft, bei dem geringe verfügbare Medikamente getauscht werden sollen, hält Lauterbach dagegen als gefährlich.
Diese Idee hatte ursprünglich Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Dieser hatte in einem Zeitungsinterview vorgeschlagen, angesichts der Knappheit von Arzneimitteln vor allem für Kinder, “Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft” zu veranstalten.

Der Kinderarzt Tilman Kaethner, Vorstandsmitglied im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, sieht das wie Lauterbach skeptisch. Das sei unrealistisch und nicht zu Ende gedacht, sagte er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Wenn Nachbarn sich allerdings untereinander etwa mit Fiebersäften oder anderen rezeptfreien “Hausmitteln” aushelfen, sei dagegen nichts einzuwenden. “Das wird ohnehin bereits vielfach gemacht”, erklärte er.