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Kommentar

Pro: Warum es richtig ist, dass Bauern protestieren

ein Kommentar von Johannes Pittroff
Bayreuther Tagblatt - Johannes Pittroff

Johannes Pittroff

Landwirte haben guten Grund, auf die Straße zu gehen. Im Kern geht es nicht nur um den Agrardiesel, sondern auch um fehlende Wertschätzung.

Der Agrardiesel ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Politik und Gesellschaft haben die Landwirte schon zu lange zu schlecht behandelt.

Deshalb ist es richtig, dass die Landwirte protestieren – solange sie sich an die geltenden Regeln für Demonstrationen halten.

Das Höfe-Sterben greift um sich

Es ist noch nicht lange her, da bestand Oberfranken zu einem großen Teil aus typischen Bauerndörfern: Viele Familien hatten ein paar Schweine, ein paar Hühner, ein paar Hektar Land. Wer selbst keine Kuh hatte, konnte sich die Milch noch mit der Kanne ein paar Häuser weiter holen. Und heute? Hat ein Dorf meist nur noch ein, zwei Betriebe, die dafür umso größer sind. Und die bangen nun ums Überleben.

Das Höfe-Sterben greift seit Jahren um sich: Der Deutsche Bauernverband hat errechnet, dass in den letzten zehn Jahren die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland jährlich um mehr als zwei Prozent zurückgegangen ist. Woran liegt das? Eine gänzlich andere Sicht auf die Proteste hat bt-Redakteur Bjarne Bahrs.

Es geht um mehr als den Agrardiesel

Einerseits kritisieren Landwirte konkrete Maßnahmen, wie zurzeit die geplante Besteuerung des Agrardiesels. Andererseits berichten sie, dass die häufig wechselnden Regelungen nicht nur immer neue Investitionen fordern – sondern auch das Risiko mit sich bringen, dass der neue Stall schon veraltet ist, bevor man ihn überhaupt fertig gebaut hat.

Viele Ferkel-Erzeuger beispielsweise müssen ihre Zucht-Anlagen an eine neue Halteverordnung anpassen – oder ihren Betrieb in den nächsten Jahren aufgeben. Der durchschnittliche Ferkel-Erzeuger müsste aufgrund des Umbaus und der steigenden Kastrationskosten künftig pro Ferkel einen um mindestens 8,60 Euro höheren Erlös bekommen. Das hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft errechnet.

Was geschieht, wenn unsere Landwirte die wachsenden Standards nicht mehr finanzieren können? Dann kommt noch mehr Fleisch aus dem Ausland. Wo oft ganz andere Standards gelten. Dieses Problem können Landwirtschaft und Politik nur richtig lösen, wenn sie sich gemeinsam an einen Tisch setzen. Doch die Entscheidungen werden zu oft über die Köpfe der Bauern hinweg getroffen.

Nicht alles ist die Schuld der “Ampel”

Mancher wirft den Landwirten vor, sie würden auf hohem Niveau jammern, da sie doch massig Subventionen einstreichen würden. Die EU-Subventionen aber fließen nach Fläche – wer genügend Hektar hat, dem wird gegeben. Diese Betriebe aber können sich Investitionen ohnehin eher leisten. Für die kleinen Betriebe birgt jede größere Investition das Risiko der Pleite.

Das ist natürlich nicht alles die Schuld der „Ampel“. Die Vorgänger-Regierungen und die EU haben bereits die Weichen gestellt, die viele Bauern an den Rande des Abgrunds führten – oder darüber hinaus.

Die Politik hat jahrelang Wind gesät, nun erntet sie den Sturm. Die Bundesregierung sollte den Bauern zumindest den Agrardiesel lassen. Auch wenn es eigentlich um mehr geht – es wäre doch ein erster Schritt in die richtige Richtung.