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Interview: Unternehmerische Verantwortung und soziales Engagement sind wichtiger denn je

Quelle: pixabay.com © Free-Photos

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Einfach nur Profite zu erwirtschaften, ist vielen Unternehmern nicht mehr genug. Sie begreifen sich und ihre Firmen viel mehr als Baustein, der durch seine Leistungsfähigkeit viel dazu beitragen kann, Missstände zu verbessern.

Zu diesem Thema haben wir mit Samuel und Johannes Voetter gesprochen. Zusammen haben Sie im Jahr 2008 die Firma WIRmachenDRUCK gegründet- eine der größten Online-Druckereien Europas und Teil von Cimpress, dem Weltmarktführer auf gleichem Gebiet. Die Gebrüder Voetter gehören zu dieser neuen Generation von Unternehmern, die sich als mehr sehen als nur Geschäftsleute.

Herr Johannes Voetter, vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Sie sind Geschäftsführer von WIRmachenDRUCK und tragen damit eine grosse Verantwortung. Wie geht es Ihnen in diesen Tagen?

Diesen Dank gebe ich gerne zurück. Um auf Ihre Frage zu kommen: Angesichts der ganzen Situation ausgesprochen gut – auch wenn es derzeit deutlich hektischer zugeht als normalerweise.

Wieso das?

Nun ja, das Jahr 2020 ist auch für uns eines der Extreme. Wenn Sie sich anschauen, wie hart viele Branchen durch das Virus, die Gegenmaßnahmen und Schließungen getroffen wurden, können Sie sich wahrscheinlich vorstellen, dass auch die Druck-Branche nicht unberührt blieb.

Beispielsweise gerieten viele Auftraggeber in Schwierigkeiten, die normalerweise zu denjenigen gehören, auf die man als jahrelanger Geschäftspartner felsenfest zählen kann. Etwa die Veranstaltungsbranche. Normalerweise bucht die jährlich zigtausende Flyer, Banner und dergleichen; jetzt jedoch darf sie seit Monaten unternehmerisch kaum etwas tun. Dann fanden beispielsweise so gut wie keine Messen und Veranstaltungen statt- also auch hier kaum Aufträge von normalerweise sehr treuen Kunden.

Die Situation während der Pandemie ließ und lässt noch immer viele nachgeschaltete Unternehmen in Schieflage geraten, auch in der Druckerei Branche. Diejenigen Firmen, die trotz Pandemie weiter Druckwaren benötigen, müssen sich umorientieren, müssen Kosten einsparen und Werbebudgets kürzen. Seit wenigen Tagen kommt jetzt noch das Weihnachtsgeschäft hinzu: Grußkarten, Briefpapier, auch Fotogeschenke werden derzeit enorm verstärkt nachgefragt. Da merkt man wiederum, dass viele Menschen angesichts der Kontaktbeschränkungen auf anderen Wegen mit ihren Lieben in Verbindung bleiben möchten – nicht nur per Videotelefonie.

Für unser Unternehmen und unser Team geht es deshalb aktuell turbulent zu – angenehm turbulent, wie ich anfügen möchte.

Das ist schön zu hören. Kommen wir zu einer sehr zentralen Frage: Herr Samuel Voetter, was bedeutet für Sie als Unternehmer das Thema „Verantwortung“?

Dazu muss ich etwas ausholen. Sehen Sie, wir leiten ein umsatzstarkes, erfolgreiches Unternehmen. Warum tun wir das? Natürlich auch deshalb, weil mein Bruder Johannes und ich unternehmerische Wagnisse eingegangen sind, weil wir hart gearbeitet haben und es weiterhin tun. Aber letzten Endes stehen wir nur deshalb auf unserer Position, weil es wichtige Menschen in unserer Nähe gibt.

Damit meine ich besonders unsere rund 500.000 Geschäfts- und Privatkunden in 17 europäischen Ländern. Aber vor allem meine ich die andere Seite: Unsere Mitarbeiter, die tagtäglich alles geben und für unsere Firma brennen. Die Gemeinde Backnang, in deren Gewerbegebiet Backnang/Waldrems wir seit 2013 residieren dürfen, nachdem unser vorheriger Standort viel zu klein geworden war.

All diesen Menschen muss ich als Unternehmer dankbar sein. Sie sind es, die es uns ermöglichen, unser Geschäft zu betreiben. Und daraus entsteht wiederum eine Verantwortung. Nicht nur, aber auch für diese Personen.

Also vor allem eine Form von Dankbarkeit?

Auch. Aber Dankbarkeit trifft den Kern nicht ganz. Ich kann nicht nur Unternehmer sein, ich kann nicht nur für mein eigenes Wohl arbeiten. Ich bin Arbeitgeber, ich bin ein Wirtschaftsfaktor für meinen Standort und ich bin ein wichtiger Geschäftspartner für andere, die meine Dienste benötigen.

All das bedeutet für mich und auch meinen Bruder eine Verantwortung. Die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass es niemals zum Nachteil dieser Menschen wird, dass unser Betrieb arbeitet.

Spielen Sie damit auch auf die Corona-Pandemie an?

Definitiv. Auch an uns ging die Krise nicht spurlos vorbei – wer, außer vielleicht der Streaming- und Technologie-Branche, kann das schon von sich behaupten? Aber unsere Verantwortung war und ist uns eine Verpflichtung: Keiner von unseren rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde in Kurzarbeit geschickt. Und das werden wir nach Möglichkeit aufrechterhalten.

Hätten wir es anders machen können? Vielleicht. Aber das wäre nicht das, wofür mein Bruder und ich stehen.

Johannes Voetter, Ihr Unternehmen wirbt damit, klimaneutralen Druck anzubieten. Gehört das auch zu dieser Verantwortung?

Absolut! Wer heute ein Unternehmen betreibt, ganz gleich ob das ein kleines Schreibwarengeschäft oder ein großer Industriebetrieb ist, der hat ebenso einen Anteil am Klimawandel, wie Sie, wenn Sie zuhause die Heizung übermäßig aufdrehen.

Wir haben nur einen Planeten. Und auch hier sage ich: Als Unternehmer sehe ich mich in der Verantwortung, durch meine Arbeit nicht zu einer Verschlechterung beizutragen und mehr noch, meine Arbeit dazu zu nutzen, Verfehlungen, auch anderer, abzumildern. Aus dem Grund bieten wir den klimaneutralen Druck, kompensieren unsere CO2-Emissionen durch Unterstützung von internationalen Klimaschutzprojekten via ClimatePartner.

Aktuell unterstützen wir damit ein Solarkraftwerk in Nordindien; bei unserem vorherigen Projekt war es eine indische Zuckerrohrfabrik, die dadurch ihre Stromversorgung gänzlich mit Abfällen sicherstellen konnte.

Und egal mit welchen anderen Unternehmern ich spreche: Die allermeisten von ihnen denken und handeln ebenso.

Also ein Paradigmenwechsel?

Definitiv und nicht einmal nur auf jüngere Generationen wie meinen Bruder und mich bezogen. Immer mehr Unternehmer werden sich ihrer Verantwortung bewusst. Von außen wird das oft nur als Anpassung an den breitgesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Umweltschutz angesehen. Als Insider kann ich Ihnen jedoch sagen, dass es damit nur am Rande zu tun hat. Das ist ein echter Sinneswandel.

Werden Unternehmer Ihrer Meinung nach dadurch zu Philanthropen?

Was heißt schon Philanthropen? Ich glaube, eher zu Realisten. Jeder Mensch, jedes Unternehmen beeinflusst seine Umwelt. Gleichsam hat jeder die Möglichkeit, diesen Einfluss zu lenken, um Gutes zu tun. Auch für diejenigen, denen es wirklich schlechter geht.

Das klingt aber doch schon stark nach einem Philanthropen. Erst recht, wenn man an ihr derzeitiges Spezialprojekt denkt.

(Lächelt). Wenn Sie mich so nennen möchten, gern. Zugegeben, unser Happy Friday ist tatsächlich sehr menschenfreundlich, da könnte es schon passen. Aber wenn, dann nur, weil unser gesamtes Team eine philanthropische Ader hat.

Um was genau geht es denn beim Happy Friday?

Beim gewöhnlichen Black Friday geht es vielen Unternehmen darum, an einem Tag riesige Umsätze zu erwirtschaften. Kurzfristig eine unternehmerisch sinnvolle Maßnahme, mit Sicherheit. Aber bei uns kommt da wieder die Verantwortung ins Spiel:

Wir glauben nicht, dass es sonderlich ethisch wäre, angesichts der diesjährigen und generellen Weltlage an diesem Tag ebenfalls nur Profitmaximierung zu betreiben. Es gibt Millionen von Menschen, die können sich weder am Black Friday noch außerhalb davon irgendwelche dieser glitzernden Produkte leisten. Mehr noch: sie können sich nicht einmal irgendetwas leisten, das über das Lebensnotwendigste hinausgeht.

Deshalb haben wir für uns den „schwarzen“ zum „glücklichen“ Freitag erklärt. Dann werden wir von unserem Tagesumsatz fünf Prozent abzweigen. Egal wie hoch der Betrag ist, mein Bruder und ich legen aus unserer Tasche nochmals die gleiche Summe drauf. Das Management unserer PrintBrothers Group legt weitere 25.000 EUR dazu. Daraus finanzieren wir Geschenkkartons, 10.000 Stück. Diese füllen wir mit Kinderspielzeug, Kuscheltieren, Süssigkeiten, Malstiften- zudem inkludieren wir aus unserem Sortiment Hygieneartikel, Schreibmaterialien, auch Kleidung. Das ist übrigens ein Projekt der ganzen Firma: Jeder von uns, inklusive uns beiden Gründern, wird am 27. und 28. November mit Kartons und Klebeband hantieren, bis alles eingepackt ist.

Dann gehen die Pakete an die Hilfsorganisation Hilfstransporte + Waisenhilfe e.V. Sie wird unsere Geschenke nach Ungarn und Rumänien ausliefern – an Kinder und Familien, die in ärmsten Verhältnissen leben.

Samuel Voetter: „Auch das ist für uns eine Verantwortung, selbst wenn diese Leute nicht direkt mit uns verbunden sind. Aber es gibt einen guten Anlass, wir haben die Möglichkeiten, also machen wir es. Ich bin nicht nur Unternehmer geworden, um mir ein schönes Leben zu finanzieren.“

Herr Voetter, wir danken Ihnen für das Gespräch!