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Bayreuth

Cannabis-Legalisierung: Bayreuther Experten warnen vor Folgen

von Marcel Fuchs und Hannah Neudecker

Die Legalisierung von Cannabis stößt teils auf scharfe Kritik. Das bt sprach mit Experten aus Bayreuth über ihre Einschätzung. 

Die Bundesregierung will Cannabis in bestimmten Mengen legalisieren. Die Pläne stoßen teils auf heftige Kritik.

Das bt hat mit Bayreuther Experten aus den Bereichen Polizei, Psychologie, Medizin und Suchtberatung über Gefahren für Jugendliche gesprochen.

Einfacher Zugang für Jugendliche: “Jugendschutz sieht anders aus”

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begründet die Legalisierung von Cannabis unter anderem mit dem Jugendschutz. Durch die Legalisierung kann aus seiner Sicht besser sichergestellt werden, dass nur Volljährige an Cannabis gelangen.

Jochen Bergmann von der Kriminalpolizei Bayreuth hingegen warnt davor, dass Jugendliche durch die Legalisierung leichter an Cannabis kommen könnten. “Wer hat seinen Schnaps noch nicht unter 18 gehabt?”, sagt Bergmann. “Irgendwo findet sich immer jemand, der das besorgt.” Besonders die Kontrolle der Cannabis-Pflanzen im Privatbesitz dürfte sich schwer gestalten, so der Kriminalbeamte.

Aufgrund dessen kritisiert Bergmann die Pläne der Bundesregierung scharf: “Ich sehe hier keinen Jugendschutz. 25 Gramm Cannabis, die man draußen auf der Straße frei herumtragen kann, drei Pflanzen, die Zuhause stehen – Jugendschutz sieht anders aus.” Lesen Sie auch: Die Stadt Bayreuth hat Räume des ehemaligen Real-Markts in der Altstadt für Flüchtlinge angemietet.

Verunreinigtes Cannabis: “Da ist die Psychose fast vorprogrammiert”

Laut der Bundesregierung ist ein weiterer wichtiger Grund für die Legalisierung die Eindämmung des Schwarzmarkts. Dadurch soll die Weitergabe von verunreinigtem Cannabis verhindert werden. Dass auf dem Schwarzmarkt oft verunreinigte Substanzen kursieren, das steht für die Experten außer Frage. “Die Wirkung von Cannabis wird oft erhöht, indem es zusätzlich mit synthetischen Cannabinoiden behandelt wird”, erklärt Julia Jakob, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin (i.A.) am Bezirkskrankenhaus Bayreuth.

Auch der Bayreuther Kriminalbeamte Bergmann sieht in den verunreinigten Substanzen eine große Gefahr, denn die Wirkung würde teilweise zehn- oder sogar hundertmal stärker sein als bei handelsüblichem Cannabis. “Da ist die Psychose fast vorprogrammiert”, warnt der Drogenpräventionsbeamte. “Das ist viel zu stark fürs Hirn”. Bergmann hat zwar keine Lösung für dieses Problem, er vermutet aber, dass die Cannabis-Legalisierung solche ungünstigen Mischungen sogar fördern könnte.

Auch die Suchtberatung der Diakonie Bayreuth warnt  vor unerwünschten Nebenwirkungen durch Überdosierung. Darunter Panikattacken, Herzrasen, Herz-Kreislauf-Probleme oder Psychosen.

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Cannabiskonsum bei Jugendlichen: “Besonders gefährlich”

Auch die geplanten Cannabis-Clubs sieht der Drogenpräventionsbeamte Bergmann kritisch, sie würden viel eher zur gesellschaftlichen Verharmlosung beitragen. Dass Cannabis durchaus Gefahren birgt, zeigte die vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte CaPRis-Studie: Cannabis erhöht das Risiko für manisch-depressive Symptome, Angststörungen und Depressionen. Am deutlichsten sei aber das erhöhte Krankheitsrisiko für Psychosen: bei intensivem Cannabiskonsum steigt das Risiko um das 2 bis 3,4-fache an.

Das Risiko für Psychosen sei zudem besonders hoch, wenn Cannabis bereits in jungen Jahren konsumiert wird. “Bei Jugendlichen befindet sich das Gehirn noch in der Entwicklung”, erklärt Winfried Eller, Funktionsoberarzt der Suchtstation des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. “Gerade während der Pubertät organisiert sich das Gehirn neu. In dieser Phase ist Drogenkonsum, auch Cannabis, besonders gefährlich.”

Laut der Suchtberatung der Diakonie leiden dann die Aufmerksamkeitsfähigkeit, das Gedächtnis und die Intelligenz der Betroffenen nachhaltig.

Konsum kann zu sozialem Rückzug führen

Außerdem seien Jugendliche laut Eller besonders gefährdet, in Suchtproblematiken zu geraten. Es handle sich dabei allerdings um sogenannte “Sekundärerkrankungen”.

“Jugendliche, denen es psychisch oder seelisch nicht gut geht, entdecken Drogenkonsum als kurzfristige Problembewältigungsstrategie”, so der Arzt. Der Drogenkonsum hätte dann nicht nur körperliche Nebenwirkungen, sondern auch soziale Folgen, wie etwa schulische Probleme, sozialer Rückzug aus dem “gesunden” Freundeskreis oder Beschaffungskriminalität.

Cannabis als Einstiegsdroge?

In der Legalisierungsdebatte wird Cannabis oft als die klassische Einstiegsdroge bezeichnet. Der Kriminalbeamte Jochen Bergmann verneint dies allerdings. Vernehmungen in Suchtfällen ergäben immer wieder, dass die Sucht mit dem Konsum von Alkohol und Tabak beginnt. “Aus Gebrauch wird Missbrauch und daraus Sucht”, warnt Bergmann. “Wenn wir Alkohol und Tabak nicht unter Kontrolle halten können, sollten wir mit Cannabis gar nicht erst anfangen.”

Auch die Diakonie Bayreuth und Winfried Eller vom Bezirkskrankenhaus können dies bestätigen. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Alkohol mache diesen zur eigentlichen Einstiegsdroge.

Mehr Prävention in Bayreuth notwendig

Für den Kriminalbeamten Bergmann ist die Cannabis-Legalisierung keine Lösung, stattdessen appelliert er für mehr Aufklärung und Präventionsmaßnahmen, besonders für Kinder und Jugendliche. Süchte hätten oft ihren Ursprung in psychischen Problemen, wie Stress oder Trauer. “Sucht entsteht still und leise. Man bemerkt die Sucht erst, wenn es zu spät ist. Und wenn man süchtig ist, dann bleibt man es für den Rest des Lebens,” warnt Bergmann.

Man müsse vor allem jüngeren Generationen dabei helfen, mit Gefühlen umzugehen, statt Emotionen zu ertränken. Dafür brauche man mehr Personal, mehr Zeit und mehr Wege, um Jugendliche zu erreichen.

Versorgungslücken bei der Beratung

Auf bt-Anfrage heißt es auch von der Suchtberatung der Diakonie: “Der Ausbau von Suchtprävention, Vermittlung von Risiko- und Konsumkompetenz, sowie die Stärkung der indizierten Prävention, also die frühzeitige Beratung und Hilfe bei Problemen junger Menschen sind hier besonders wichtig. Hier sehen wir auch Versorgungslücken. Das Beratungsangebot für junge Menschen in unserer Region sollte dringend ausgebaut werden.”