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Coronavirus

Bayreuther Pflegeheime werden wegen Corona-Regeln von Besuchern bedroht

Man höre immer wieder, dass Bewohner in deutschen Pflegeheimen durch Corona vereinsamen. Zwei Heimleiter in Bayreuth wollen das so nicht stehen lassen und schildern ihre Sicht der Dinge. 

Pflegeheime stehen in der Corona-Krise besonders im Blickpunkt. Nicht nur wegen der Risikogruppen, sondern auch, weil dort strengere Besuchsregelungen gelten. Dabei komme immer wieder der Vorwurf auf, Menschen in Pfleegeheimen würden vereinsamen. Das bt hat mit zwei Bayreuther Heimleitern über dieses Thema gesprochen.

Bayreuther Pflegeheime im ersten Corona-Lockdown

“Wir kämpfen seit März darum, dass wir wieder zur Gemeinsamkeit im Pflegeheim zurückkehren”, sagt Ulrich Bertelshofer, stellvertretender Geschäftsführer der Hospitalstiftung in Bayreuth. Nachdem die Pflegeheime im Frühjahr wegen der Corona-Pandemie zusperren mussten, wurden im Hospitalstift mehrere Tablets angeschafft.

Sein Ziel: flächendeckendes WLAN und Skype im Pflegeheim, um den ersten Lockdown mit digitalen Medien zu überstehen. “Da hat sich jedes Heim bemüht. In jedem Heim ist da was gelaufen.”

Auch beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK): “Wir haben versucht alles möglich zu machen, was nur technisch und personell umzusetzen war. Die Kontakte konnten per Telefon oder Videotechnik weitgehendst gesichert werden”, ergänzt Richard Knorr, stellvertretender Kreisgeschäftsführer des BRK.

Vor einem Corona-Ausbruch im eigenen Haus, haben die Heimleiter Angst. “Die größte Risikogruppe ist im Pflegeheim”, sagt Bertelshofer. “Und da den Spagat zu finden, zwischen Gemeinsamkeit und Infektionsrisiko, ist ganz ganz schwierig.”

Hygienekonzept in Pflegeheimen

Nach dem ersten Lockdown gab es einige Lockerungen. Doch die letzte offizielle Verfügung für Pflegeheime gab es vor rund fünf Monaten: “Die letzte ist aus dem Juni, mit einer Handlungsempfehlung aus dem Ministerium”, sagt Bertelshofer.

Diese Handlungsempfehlung bestand in dem Vorschlag, ein Hygienekonzept auszuarbeiten. Jedes Pflegeheim hatte also die Freiheit, sein Hygienekonzept dem Gebäude anzupassen.

Ob nun Zimmerbesuch zugelassen wird oder nicht, bleibt den Heimen selbst überlassen. “Wir haben festgestellt, dass der Zimmerbesuch für uns das größte Risikopotential hat”, sagt Bertelshofer. “Der Mundschutz ist relativ schnell abgenommen und der Abstand wird nicht eingehalten.”

Corona-Risikogruppe lebt in Einrichtungen

Die Handlungsanweisungen für Alten- und Pflegeheime stellen die Heimleiter vor große Herausforderungen. Das bayerische Gesundheits- und Pflegeministerium hatte in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales im Juni ein Konzept für Erleichterungen bei den Besuchsregelungen vorgelegt, das der Ministerrat in seiner Sitzung am 23. Juni gebilligt hatte.

Demzufolge gilt der Grundsatz der Verantwortung der Träger und Einrichtungen vor Ort. Jede Einrichtung muss ein individuelles Schutz- und Hygienekonzept ausarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorlegen. “Die Empfehlungen des Robert Koch Institutes, die Anweisungen des Ministeriums und die Bedürfnisse der Bewohner, Angehörigen und Beschäftigen in Einklang zu bringen, stellt uns vor äußerst schwierige Herausforderungen”, sagt Knorr.   

Besuche bei Hospitalstift und BRK

Im Hospitalstift dürfen Angehörige nur nach individueller Prüfung und im besonderen Einzelfall aufs Zimmer, erklärt Ulrich Bertelshofer. Für Besuche nach vorheriger Terminvereinbarung stehe ein 200 Quadratmeter großer Speisesaal mit mittlerweile installierten Luftreinigungssystem zur Verfügung. Beim BRK ist das anders. “Wir lassen ab 19.10.2020 einen begrenzten und terminierten Besuch auf den Bewohnerzimmern zu”, sagt Richard Knorr. “Dies erfordert einen sehr hohen strukturellen und personellen Aufwand.”

BRK lässt Besuche auf Zimmern zu

Die Öffnung und das Zulassen von Besuchen auf den Zimmern hat auch einen Grund: Der zunehmende, emotional verständliche Druck, welchen Bewohner und Angehörige auf die Einrichtung ausüben, sowie die Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, erklärt Knorr. In dieser wird die Überarbeitung der Handlungsempfehlung angekündigt.

Außerdem wurde die ausdrückliche Ermöglichung von Besuchen auf den Zimmern in dieser Mitteilung herausgestellt. Weiter heißt es dort: “Sollte der Verdacht bestehen, dass die Besuchsrechte zu stark beschränkt werden, können sich die Betroffenen an die jeweils örtlich zuständigen Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen wenden. Vor diesem Hintergrund haben wie diese Entscheidung treffen müssen”, erläutert Knorr.

Risiko bei Spaziergängen und Abholen der Bewohner

Ein gewisses Risiko kann auch bei Sparziergängen und Abholung der Bewohner durch ihre  Angehörigen nicht vermieden werden. Die Einrichtung kann das individuelle Verhalten nicht kontrollieren. “Wir müssen leider feststellen, dass die Angehörigen teilweise keinen Mundschutz tragen, den geforderten Abstand nicht einhalten und im Fahrzeug mit mehreren Personen – ebenfalls ohne Mund-Nasen-Schutz – sitzen”, erzählt Knorr.

Diese Schilderungen machen klar, wie wichtig umfassende Handlungsempfehlungen sind, damit alle Beteiligten eine sichere und allgemein verbindliche Vorgabe haben und dadurch Unsicherheiten beseitigt sowie die geforderte Verantwortung auch von den Einrichtungen getragen werden kann, ergänzt Knorr.

Keine Vereinsamung in Bayreuther Pflegeheimen

Für Ulrich Bertelhofer und Richard Knorr ist auch nachfolgende Klarstellung sehr wichtig.
Die in den Medien immer wieder dargestellten Situationen, dass Bewohner vereinsamt auf den Zimmern sitzen, keine Sozialkontakte pflegen können und in der Sterbephase allein gelassen werden, entspricht in keiner Weise der Philosophie der Einrichtungen und vor allem nicht der Berufsethik der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erklären die Heimleiter.  

“Wir lassen nichts unversucht, um den Bewohnern die Zeit in unseren Einrichtungen so angenehm wie möglich zu gestalten. In den Wohnbereichen werden Einzeltherapien durch geschultes Personal durchgeführt, es werden unter Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen Gruppenangebote, wie Gedächtnistraining, Gymnastik und Singkreis ermöglicht”, zählen Bertelshofer und Knorr auf.

“Spaziergänge, Rikschafahrten sowie Konzerte, welche von Musikern im Freien zum Besten gegeben werden, sorgen für ein abwechslungsreiches Betreuungsangebot. Bewohner, welche sich in der letzten Lebensphase befinden, werden durch geschultes Personal liebevoll begleitet. Selbstverständlich wird den Angehörigen hierbei eine großzügige Teilhabe ermöglicht”, erklären die beiden Heimleiter.

Drohungen von Angehörigen

“Sicherlich ist uns bewusst, dass unser ganzes Bemühen nicht den Kontakt zu den Angehörigen ersetzen kann”, sagen Bertelshofer und Knorr. “Jedoch, vor dem Hintergrund der derzeitigen Infektionslage und dem hohen Risiko, welches für unsere Bewohner besteht, sind wir sicher, dass unser Handeln für alle Seiten akzeptabel sein kann.” 

Bertelshofer und Knorr bestätigen, dass viele Angehörige verständnisvoll auf die Einschränkungen und Vorgaben reagieren. Jedoch gibt es auch diejenigen, welche mit Anwalt und Beschwerden bei den zuständigen Behörden drohen, weil sie ihre Lieben aufgrund der Steuerung der Besucherströme, der Terminabsprache und der Anzahl der Besucherwünsche nicht täglich besuchen können.

Kein einheitliches Konzept für Pflegeheime in Bayern

Der stellvertretende Kreisgeschäftsführer vom BRK in Bayreuth wünscht sich, dass die vom Ministerium versprochene neue Handlungsempfehlung zeitnah verabschiedet wird. Dadurch erhofft er zumindest eine geringe Rechtssicherheit für die Träger von Senioreneinrichtungen, welche letztendlich die Verantwortung tragen müssen. 

Ulrich Bertelshofer vom Hospitalstift bestätigt Knorr. “Für uns gibt es keine genauere Gebrauchsanweisung.” Er fügt hinzu: “Schlussendlich sind immer Heimträger und Heimleiter dafür verantwortlich, wie er die Organisation in der jetzigen Zeit in seiner Einrichtung sicherstellt.”

Bayreuther Tagblatt - Katharina Adler

 bt-Redakteurin Online/Multimedia
Katharina Adler