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Gericht

Baby in Mülltonne in Heinersreuth: Mutter verurteilt – “muss sich eingestehen, dass ihr Kind durch ihr Zutun gestorben ist”

Das Landgericht Bayreuth hat am Dienstag, 12. April 2022, das Urteil im Heinersreuth-Prozess verkündet. Eine junge Mutter hat ihr Neugeborenes in einer Mülltonne entsorgt.

Es war ein schrecklicher Fund im vergangenen Sommer: Am Montag, den 19. Juli 2021, wurde in einer Mülltonne in Heinersreuth ein totes Baby gefunden.

In den letzten zwei Wochen fand der Prozess in dem als Totschlag behandelten Fall am Landgericht Bayreuth statt. Die zur Tatzeit 19-jährige Emilia C. (Name von der Redaktion geändert) saß auf der Anklagebank. Am heutigen Dienstag, 12. April 2022, verkündete die Jugendkammer das Urteil.

Kindstötung in Heinersreuth

Andere Punkte standen am Dienstag nicht auf der Tagesordnung der Verhandlung. Die vorsitzende Richterin Andrea Deyerling verliest sogleich um 13 Uhr das Urteil und in der folgenden Stunde die Ausführungen, wie und warum die Kammer zu dem Urteil gekommen ist. Emilia C. wurde im Rahmen des Jugendstrafrechts zu 5 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt. Zu Beginn des Prozesses stellte sich heraus, dass die Angeklagte in sehr kargen Verhältnissen lebte.

Am Ende der Verhandlung hielten die Parteien jeweils fest, dass sie keinen Gebrauch von dem Recht auf Berufung oder Revision machen würden. Das Urteil ist somit rechtskräftig.

Tragische Verkettung von Ereignissen

Das Bild, das sich in der Verhandlung von den Geschehnissen zeichnet, ist vor allem eines: tragisch. Emilia C. sitzt auf ihrem Stuhl neben ihrem Verteidiger Karsten Schieseck und blickt der vorsitzenden Richterin direkt in die Augen. Sie wendet den Blick nie ab und wechselt auch kaum ein Wort mit Schieseck.

Zugunsten der Angeklagten habe die Jugendkammer gehalten, dass sie eine defizitäre Kindheit gehabt habe, ihre Sozialisation nur schwer vonstatten gegangen sei, sie zwischen Mutter und Vater immer hin und her geschoben worden sei. Auch in Psychiatrien habe sie sich schon längere Zeit aufgehalten. In jüngeren Jahren sei die einzige direkte Bezugsperson für sie ihre Großmutter gewesen. Sie habe sich zwar, auch nach Einschätzung der Gutachter, nicht in einer “affektiven Ausnahmesituation” befunden, dennoch habe die Kammer die Belastung, der C. ausgesetzt war, gewürdigt.

Trotz schwerer Umstände allerdings habe sie einen Freund, den Vater ihres Kindes, gefunden, der sie so genommen habe, wie sie ist, und mit ihm eine glückliche Beziehung geführt. Auch dessen Mutter habe ihr immer wohlwollend gegenüber gestanden. Der Bekannte in Heinersreuth, zu dem die Angeklagte ging, um das Kind fernab von ihrem Freund heimlich auf die Welt zu bringen, habe ihr nach Einsatz der durch die Wehen erzeugten Schmerzen angeboten, einen Notarzt zu rufen. Und dennoch: Emilia C. habe, so Deyerling, bis zuletzt ihren Freund in dem Glauben gelassen, sie kümmere sich um die Verhütung und sie sei nicht schwanger. Sie habe ihr persönliches Umfeld weiter belogen und die Schwangerschaft verheimlicht, weil sie Angst vor Veränderung gehabt habe und wollte, dass alles so bleibt, wie es ist.

Mutter handelte bewusst

Einer der ausschlaggebenden Punkte für das Urteil war die Frage, ob das Baby bei der Geburt gelebt hat oder nicht. Verteidiger Schieseck verwies im Vorfeld des Urteils auf ein Gutachten des zuständigen Gerichtsmediziners, dass das Baby bereits durch Geburtskomplikationen verstorben sei. Das Gericht schenkte diesem jedoch keinen Glauben im Vergleich zu den Aussagen anderer Sachverständiger.

Wie Deyerling in ihrem Monolog mehrfach darlegt, sei die Kammer zu dem Schluss gekommen: Die Angeklagte hat in dem Badezimmer des Bekannten, bei dem sie zum Zeitpunkt der Geburt zu Besuch war, ein etwa 3 Kilogramm schweres, 51 Zentimeter großes, gesundes Mädchen zur Welt gebracht, welches lebensfähig war und selbstständig atmete.

Sie habe spätestens, als die Wehenschmerzen sich verstärkten, den Entschluss gefasst und geplant, das Kind zu töten und zu entsorgen. Sie habe sich auf dem Weg ins Badezimmer einen blickdichten Müllsack genommen und das Baby nach der Geburt in eine leere Plastikverpackung samt Toilettenpapier und anschließend in den blickdichten Müllsack gesteckt.

Laut der im Lauf der Verhandlungen geschilderten Gutachten der Sachverständigen sei das Kind in dem Beutel schließlich erstickt. Der Bekannte der Angeklagten schlief derweil im Wohnzimmer und habe von der Tat nichts mitbekommen. Als Emilia C. ihn später um Hilfe rief, da sie neue Kleidung brauchte, habe sie ihn auf ihre Periode hingewiesen, um das viele Blut zu erklären. Am Abend entsorgte der Bekannte schließlich den Müllsack auf Bitte der Angeklagten.




Angeklagte will Neuanfang

Zum Schluss richtet Deyerling das Wort noch einmal an die Angeklagte selbst. In ihrem letzten Wort sagte Emilia C., dass sie die Strafe als einen Neuanfang nutzen möchte. Sie möchte sich mit dem Geschehenen auseinandersetzen. Das sofortige Geständnis und die gezeigte Reue bewertete die Kammer, so Deyerling, auch positiv. Bei einer Begehung des Kreißsaals im Klinikum Bayreuth, im Rahmen ihrer durch die Kriminalpolizei angeordneten gynäkologischen Untersuchung habe sie gesagt: “Das hätte ich auch alles haben können. Und jetzt habe ich alles verloren.”

Wichtig sei allerdings: Nach Beurteilung der Kammer sei man sich sicher, dass die Angeklagte einen strukturierten Rahmen brauche und dass eine Auseinandersetzung mit dem Geschehenen stattfinden müsse – insbesondere in der Hinsicht: Sie müsse sich eingestehen, dass ihr eigentlich gesundes Kind durch ihr Zutun gestorben ist.