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Geburtshilfe

Hebammen in Bayreuth schlagen Alarm wegen Unterversorgung: “Fast täglich verzweifelte Schwangere am Telefon”

Eine Hebamme in Bayreuth zu finden wird für Schwangere immer schwieriger. Mehrere Geburtshelferinnen schlagen deshalb nun Alarm.

  • zu wenige Hebammen in Bayreuth
  • nicht alle Schwangeren können betreut werden
  • werdende Mütter sollten sich spätestens in der 8. Schwangerschaftswoche um Hebamme bemühen
  • Hebammenambulanz in Bayreuth gescheitert

Viele schwangere Frauen haben ein Problem: Sie finden keine Hebamme. Die Schwangerschaft als ganz einzigartige, aufregende Zeit im Leben wird so zusehends zur Nervenprobe.

Bayreuth macht da leider keine Ausnahme. “Der Hebammenmangel ist groß”, sagt eine Hebamme. Werdende Mütter seien von der Schwangerschaft über die Geburt bis zum Wochenbett akut unterversorgt.

Freie Hebammen in Bayreuth? Fehlanzeige!

Hebammen aus Bayreuth machen auf Mangel aufmerksam: In Bayreuth gibt es zwar Hebammen – jedoch bei Leibe nicht genug. Viele Schwangere und junge Mütter bleiben bei der Betreuung auf der Strecke.

“Der Hebammenmangel ist groß”, berichtet die Hebamme Alexandra Schmidt-Maurer aus Bad Berneck. Wenn viele Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden, sich erst während der Schwangerschaft um eine Hebamme kümmern, dann ist das meistens schon zu spät. Auch interessant: Diese Themen sind Eltern nach der Geburt eines Kindes wichtig.

Hebammen in Bayreuth: Deshalb lieben sie ihren Beruf

Von der aktuellen Entwicklung abgesehen, können sich Hebammen voll mit ihrem Beruf identifizieren. “Das Wissen, wichtige Grundsteine in einem individuellen Familienleben setzen zu können”, sagt Susan Gilster aus Bayreuth auf die Frage, was sie am Beruf der Hebamme so schätzt. Gilster ist Kreissprecherin des Landkreises und der Stadt Bayreuth. “Ich kann hohes medizinisches Fachwissen benutzen, um Normalität wieder herstellen zu können”, sagt sie mit Hinblick auf die erste Zeit nach einer anstrengenden Geburt. Im Klinikum Bayreuth haben 2021 Drillinge das Licht der Welt erblickt.

“Ich liebe diesen Beruf, weil jeder Tag anders ist”, sagt ihre Kollegin Rebecca Freyer, die den Umgang mit anderen Menschen sehr schätzt. Selbstständige Hebammen müssten für Geburten 24 Stunden abrufbar sein. Dies beeinflusse das Privatleben natürlich sehr, nennt Freyer auch eine Herausforderung des Berufs.

Bis August 2022 alle Hebammen in Bayreuth ausgebucht

Die Versorgung mit Hebammen in Bayreuth und Umgebung nennt Freyer “sehr brisant”, da es viele Lücken gebe. “Wir sind definitiv nicht genug Kolleginnen und es gibt immer wieder Frauen, die keine Hebamme für die Betreuung nach der Geburt finden. Ich habe fast täglich verzweifelte Schwangere am Telefon”, berichtet Freyer von belastenden Situationen aus ihrem Hebammenalltag. Ein Einzelfall sind solche Situationen nicht mehr. Gegen Ende 2021 seien bis Juli 2022 alle Hebammen in der Umgebung ausgebucht.

“Schwangere bemühen sich jetzt teilweise schon vergeblich um einen Betreuungsplatz im August 2022”, schiebt die Hebamme Schmidt-Maurer den vollen Terminkalender noch einen Monat weiter in die Zukunft. Sie schätzt, mit der Einführung der Impfpflicht werde sich dieser akute Mangel weiter verschärfen. Lesen Sie auch: Dieses Hilfe-Telefon für Schwangere ist Ende 2020 an den Start gegangen. Kreissprecherin Gilster aus Bayreuth kann diesem Zeitplan nicht widersprechen. “Zur Zeit findet eine Frau, die nach der achten Schwangerschaftswoche eine Hebamme sucht, keine mehr.”

Hebammenambulanz als Notversorgung in Bayreuth ist gescheitert

Den Mangel an Hebammen verschärft auch ein gescheitertes Projekt in Bayreuth von vor rund drei Jahren: eine Hebammenambulanz. 2019 und 2020 war die Hebammenambulanz in Bayreuth noch in einer Art Pilotphase. Sie sollte in Bayreuth eine Anlaufstelle für Fragen und praktische Hilfe rund um die Schwangerschaft entstehen. Einmal pro Woche hatte diese Ambulanz geöffnet. Während der Sommerferien auch öfter. Aber: Die Ambulanz konnte sich nicht etablieren. “Hierfür hätten wir Unterstützung von der Stadt gebraucht”, sagt Freyer. Doch diese Hilfe gab es nicht.

Cordula Hartl, freiberufliche Hebamme aus Bayreuth, klagt, dass die beteiligten Hebammen finanzielle Hilfe der Stadt Bayreuth gebraucht hätten. “Nicht mal die Hälfte der Kosten für die Ambulanz war gedeckt. Auch bei der Suche nach eigenen Räumen konnte uns die Stadt nicht unterstützen.” Neben ihrer praktischen Arbeit auch noch den hohen bürokratischen Aufwand zur Erstellung eines Förderantrages hätten die Hebammen nicht mehr stemmen können.

Für Hartl als passionierte Hebamme, die ihren Beruf gerne ausübt, ein Unding. “Wir sind alle total frustriert, weil wir permanent Frauen absagen müssen.” Sie übt sich in Sarkasmus, wenn sie sagt, dass Frauen sich eigentlich gleich nach dem Geschlechtsverkehr eine Hebamme suchen müssten, um betreut zu werden.

Hebamme als Studium in Oberfranken

Die Versorgung mit Hebammen in Oberfranken ankurbeln soll ein Studiengang, wie Wissenschaftsminister Bernd Silber im Herbst 2019 noch jubelte. In der HAW Coburg kann man seit diesem Wintersemester Hebammenkunde studieren. Der Hebammenberuf, als einer der ältesten Berufe der Welt überhaupt, wird nun akademisiert. Kurzfristig schafft auch das Studium der Hebammenkunde in Oberfranken keine Abhilfe beim Mangel an Hebammen.

Gilster sieht es pragmatisch: “Es ist eine EU-Vorgabe, diese Ausbildung zu akademisieren. Wir sind im Gegensatz zu anderen EU-Staaten sehr langsam.” Hebammen sollen so mehr Gehör und auch die Chance auf eine bessere Bezahlung erhalten. Hebamme Rebecca Freyer sieht den Bachelorstudiengang eher kritisch: “Hebamme ist ein handwerklicher Beruf. Ich frage mich generell, ob die zunehmende Akademisierung von Berufen sinnvoll ist.” Bei einer schwangeren Frau im Stau setzten die Wehen ein. Die Polizei handelte sofort.