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Bayreuth

Hochwasser und Überschwemmungen in Bayreuther Saturnstraße – Anwohner verzweifeln

Die Saturnstraße in Bayreuth-Aichig wird seit Jahrzehnten von Hochwasser heimgesucht. Die Anwohner kämpfen um Hilfe – und kommen dabei an ihre Grenzen.

Die Saturnstraße im Bayreuther Stadtteil Aichig wird seit Jahren von Hochwasser und Überschwemmungen heimgesucht.

Das bt traf sich mit den Anwohnern vor Ort.

Probleme mit Hochwasser seit den 80ern

In den 1980er Jahren wurde ein Gebiet in Aichig, direkt an der Kemnather Straße, bebaut. Nach und nach wurden dort mehrere Doppelhäuser errichtet, die gemeinsam mit zwei weiteren, vor rund zehn Jahren gebauten Häusern und einem Wendehammer die heutige Saturnstraße bilden.

Schon früh begannen die Probleme: 1981 kam es das erste Mal zu Problemen wegen Hochwasser, der Trend setzte sich in den Jahren danach immer weiter fort. Mittlerweile häufen sich die Starkregenereignisse, die stets dafür sorgen, dass die Saturnstraße unter Wasser steht. Die Stadt Bayreuth behauptet, die Anwohner müssten sich selbst schützen.

Das bt besuchte Claudia Bürger und Waltraud Werner in der Saturnstraße 13 bzw. 15. Das Doppelhaus, das sich beide mit ihren Familien teilen, ist das älteste der Straße – und wird aufgrund der Lage zum Wendehammer regelmäßig überflutet. Die Anwohner haben dort eine klare Meinung zur Haltung der Stadt. Lesen Sie auch: Nächster Paukenschlag im Bayreuther Eishockey – Tigers GmbH meldet Insolvenz an.

Die Häuser 13 und 15 in der Saturnstraße liegen direkt am Wendehammer und sind so dem Wasser aus mehreren Richtungen ausgeliefert. Grafik: Benedikt Günther

Wasser kommt von allen Seiten

Claudia Bürger bewohnt die Saturnstraße 13 in zweiter Generation, es ist das Haus ihrer Eltern. Waltraud Werner und ihr Mann bauten in den 80ern selbst dort. Beide Familien haben die Probleme mit dem Hochwasser im vollen Umfang miterlebt – und wollen es nicht mehr mit ansehen.

Das Doppelhaus mitsamt Garagen liegt direkt am Wendehammer am Ende der Straße. Rechts daneben sind neuere Häuser, die deutlich höher gebaut wurden. Von dort fließt das Wasser ab und staut sich im Wendehammer, der abschüssig genau so gebaut ist, dass die Wassermassen in Richtung der Hausnummern 13 und 15 fließen müssen.

Auch von gegenüber fließt aufgrund des abschüssigen Geländes Wasser generell immer in diese Richtung. Von außerhalb der Straße kommt noch dazu ein abschüssiges Grundstück der Stadt sowie das Feld eines Landwirtes, deren Oberflächenwasser sich dort sammelt. Letzterer hat sicher aber bereits bemüht, das Abfließen zu verhindern.

“Backbleche ins Beet gestellt”

Die anderen Anwohner, die genauso vom abschüssigen Gelände betroffen sind, greifen im Normalfall zur Pumpe. Längst schon sind alle Häuser der Saturnstraße mit mindestens einer davon ausgestattet – die Feuerwehr habe selbst nicht genug Kapazität für alle Häuser.

Das Problem dabei: Wenn die Hausnummern 8 und 9, beziehungsweise 10 und 12, ihr Wasser aus Kellern und Gärten pumpen, fließt es direkt in den Wendehammer und wird so wiederum zum Problem für Claudia Bürger und Waltraud Werner. Schon längst hat man dafür diverse Vorkehrungen getroffen.

Schon in den 1980ern baute Waltraud Werners Mann noch selbst eine Mauer direkt an den Garten. Diese sollte verhindern, dass das Wasser von der Seite direkt einfließen konnte. Nebenbei versuchte man mit allen Mitteln, das Wasser fernzuhalten: “Wir haben damals sogar Backbleche ins Beet gestellt”, erinnert sich Waltraud Werner.

Wasser bricht durch Boden

In Eigeninitiative habe man damals sogar den Gehsteig herausgerissen und neu gemacht, alles, um sich möglichst gut gegen das hochstehende Wasser zu schützen – vergeblich. Mittlerweile sind die Maßnahmen zur Prävention begrenzt, vielmehr geht es jetzt darum, den Schaden möglichst gering zu halten.

Sowohl Claudia Bürger, als auch Waltraud Werner hatten bereits ihre kompletten Keller unter Wasser – zuletzt im August 2023. Bei Claudia Bürger in Hausnummer 13 durchbrach das Wasser sogar die Bodenfließen, der Riss ist noch immer zu sehen. Rundherum sind die Regale an der Wand befestigt – mit einem halben Meter Abstand zum Boden.

Bei Waltraud Werner wurden die Fugen ebenso gesprengt, selbst die Anschlüsse der Heizkörper leckten. Auch durch die Fenster strömte das Wasser. Jetzt haben die Werners für rund 3000 Euro diebstahlsichere, vierfach verglaste Fenster im Keller – die hoffentlich halten.

Anwohner oder Stadt – Wer ist verantwortlich?

In den Kellerräumen ist der Schaden noch gut zu sehen. An den Wänden sieht man, wo frisch gestrichen wurde. Teilweise haben beide Familien sich dazu entschlossen, nichts mehr neu zu machen. Am Ende käme das Wasser sowieso bald wieder.

Ständig stehen neue Arbeiten an, damit verbunden sind auch immense Kosten. Auch anderswo investiert man – der Umwelt zuliebe. Bei Waltraud Werner findet sich Photovoltaik auf dem Dach, eine neue Wärmepumpe ist im Keller. Gekostet hat das eine ganze Stange Geld, sodass irgendwann auch nichts mehr übrig bleibt.

Wie vergangene Woche im Bauausschuss diskutiert wurde, seien die Anwohner laut Baureferentin Urte Kelm seit 2017 selbst verantwortlich, sich vor Hochwasser zu schützen – und entsprechende Arbeiten vornehmen zu lassen. Die Anwohner sehen das anders, die Stadt müsse etwas unternehmen. Dieser Streit läuft bereits seit Jahren.

Waltraud Werners Mann bei einem der Hochwasser in vor rund 20 Jahren - bis zu den Knien reichte das Wasser damals. Foto: Privat

Stadträte setzen sich ein

Schon seit Anfang der Problematik standen die Anwohner der Saturnstraße immer wieder mit der Stadt in Kontakt. “Wir haben offizielle Schreiben von den Oberbürgermeistern”, wie Waltraud Werner erzählte. In einer Mappe hat sie alte Schreiben, Fotos sowie Zeitungsartikel und wissenschaftliche Gutachten gesammelt.

Früher sei man noch persönlich zu den Verantwortlichen gegangen und habe versucht, etwas zu bewirken. “Mittlerweile läuft ja aber alles per Mail”, so Werner. Aus der damaligen Zeit seien daher nicht alle Gespräche dokumentiert, sodass man der Stadt nicht beweisen könne, wie lange das Problem bereits besteht.

Zuletzt waren die Anwohner zahlreich in der Sitzung des Bauausschusses am vergangenen Dienstag, dem 16. Januar 2024, anwesend gewesen. Die Stadträte Helmut Parzen und Mirko Matros (beide CDU) machten dort mit einem Antrag darauf aufmerksam, dass sich in der Saturnstraße etwas tun müsse. Das bt berichtete bereits.

Antrag im Bauausschuss

Besonders Parzen kennt die Problematik schon länger, bereits bei dem Hochwasser 2020 war er vor Ort und sorgte schließlich mit dafür, dass eine neue Drainage gebaut wurde – wenngleich diese Maßnahme rund drei Jahre dauerte. Dass die Wirkung dieser praktisch verpufft, sei ihm nahe gegangen, so Waltraud Werner im Gespräch mit dem bt.

Während der Sitzung des Ausschusses wurde allerdings deutlich, dass die Stadt in naher Zukunft wohl nicht in der Saturnstraße tätig werden wird. Baureferentin Urte Kelm sowie Gisbert Röhle, Leiter des Tiefbauamtes begründeten dies damit, dass die Maßnahmen, die seitens der Stadt getroffen werden könnten, keine Wirkung zeigen würden.

Laut Röhle würde weder eine Verbreiterung des Kanals, noch größere Abflussrohre im Bereich der Straßen zu einer Verbesserung führen. Einzig die Anwohner selbst könnten sich mit Investitionen selbst schützen. Dafür müssten die Drainagen über Sickerschächte von den Anschlüssen der Häuser getrennt werden – damit das Wasser so kontrolliert abfließen könne.

“Stadt und OB kennen das Problem”

Für Claudia Bürger, Waltraud Werner und die anderen Anwohner war dies nicht die erhoffte Reaktion. “Die Stadt weiß seit Jahren von diesem Problem”, so Claudia Bürger. Alle Anwohner hätten bereits viel Zeit und Geld investiert, um eine Lösung zu finden. “Wir können nicht mehr, körperlich wie finanziell”, so Waltraud Werners Fazit.

Oberbürgermeister Thomas Ebersberger gab im Bauausschuss zu Protokoll, dass er nicht vollständig über das Problem im Bilde sei. Laut den Anwohnern sei dies unmöglich, schließlich hatten bereits seine Vorgänger sich damit auseinandersetzen müssen – in dieser Zeit sei Ebersberger über weite Strecken als 2. Bürgermeister ebenfalls mit in das Geschehen einbezogen gewesen.

“Immer gemacht, was uns gesagt wurde”

Statt etwas für die Anwohner zu tun, habe die Stadt eher kontraproduktiv agiert. Für zwei Neubauten wurde vor einigen Jahren das Gelände direkt neben dem Doppelhaus mit den Nummern 13 und 15 aufgeschüttet, um höher zu bauen. Durch diese Erhöhung fließt nun umso mehr Wasser in Richtung des Wendehammers.

Auch existiert das Stadtgrundstück direkt neben der Saturnstraße, von welchem aus ebenfalls das Oberflächenwasser in Richtung Wendehammer abfließt. Ginge es nach den Anwohnern, hätte die Stadt hier bereits Maßnahmen zur Prävention vornehmen müssen.

“Wir haben immer gemacht, was uns gesagt wurde. Wir haben die Abschlussventile einrichten lassen, wie es verlangt wurde. Aber was jetzt verlangt wird, ist nicht mehr zu stemmen”, sagte eine emotionale Waltraud Werner im Gespräch mit dem bt. Die Verzweiflung der Anwohner wird mehr als deutlich.

Kurios: Als die Abschlussventile ausgetauscht wurden, im Zuge eines der ersten Hochwasser, berichtete die Stadt sogar im eigenen Amtsblatt darüber. Den Ausdruck hat Waltraud Werner noch in ihrem Ordner. “Die wissen ganz sicher Bescheid”, sagte sie in Bezug auf das Hochwasser-Problem.

“Wir sind immer dran!”

“Bei einem früheren Hochwasser kam das Wasser aus der Toilette raus”, erinnert sich Claudia Bürger. “Es war mitten in der Nacht, meine Eltern waren im Urlaub”. Doch was immer auch unternommen wird, das Wasser scheint sich einen Weg in die Häuser zu suchen. “Auch andere sind mal dran, wenn es stark regnet – aber wir sind halt immer dran!”, so Waltraud Werner mit Nachdruck.

Die ganze Straße wirkt mit den Beschreibungen wie eine Fehlkonstruktion. Das Wasser läuft aus zu vielen Richtungen ab, das Gefälle im Wendehammer selbst sorgt dafür, dass sich alles sammelt. Allein schon wegen der puren Menge kann das Wasser nicht mehr vom Kanal aufgenommen werden.

Dabei würden die Kanäle alle völlig einwandfrei funktionieren, wie Gisbert Röhle im Bauausschuss klarstellte. Auch liege keinerlei Verschmutzung vor, das sei bereits geprüft worden. Das öffentliche Kanalsystem sei schlichtweg nicht dafür konstruiert, jegliche Menge an Regen aufnehmen zu können.

In einem Ordner hat Waltraud Werner alles, was mit den Hochwassern zu tun hat, gesammelt - die ältesten Dokumente stammen aus den 1980ern. Foto: Benedikt Günther

“Wasser steht uns bald im Wohnzimmer”

Für die Anwohner ist der Fall klar: Die Stadt müsse mehr tun. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, zumindest teilweise zu helfen. So könne man das Gefälle im Wendehammer entfernen, damit das Wasser nicht mehr so stark auf die Hausnummern 13 und 15 zufließt.

Auch größere Kanäle könnten helfen. In der angrenzenden Mostholzstraße hatten sich die Anwohner vor längerer Zeit über zu kleine Kanäle beschwert, erinnert sich Waltraud Werner. “Die wurden dann auch vergrößert und da war es kein Problem”. Sofern sich in der Saturnstraße nichts ändert, “steht uns das Wasser bald im Wohnzimmer”, so die Anwohnerin besorgt.

Streitpunkt Feuerwehreinsätze

Im Kampf für Maßnahmen stellt sich mittlerweile auch eine gewisse Ernüchterung ein. Im Bauausschuss kam es zu einem kurzen Moment der Unruhe, als Stadtrat Thomas Bauske (SPD) die Zahl der Feuerwehreinsätze anzweifelte, die im Antrag aufgezählt wurden. Laut Bauske fänden sich keine Aufzeichnungen darüber im Meldesystem.

Dieses wurde 2012 eingeführt und protokolliert seitdem alle Einsätze der Bayreuther Feuerwehren, funktioniert aber nicht rückwirkend. Daher sind die Einsätze bei den Hochwassern von 1981, 1988, 2003, 2006 und 2007 nicht vermerkt, sondern lediglich der von 2020.

Waltraud Werner und andere Anwesende konnten “solche Lügen nicht so stehen lassen”, weshalb mehrmals der Zwischenruf “Das stimmt nicht” im Sitzungssaal zu vernehmen war. OB Ebersberger machte darauf einen Ordnungsruf und bat die Anwohner darum, nach der Sitzung schriftlich ihre Unzufriedenheit vorzubringen.

Geld sinnvoller investieren

Anschließend sei man so vorgegangen und habe mehrfach Gisbert Röhle vom Tiefbauamt, sowie auch Stadtrat Bauske per Mail kontaktiert, habe aber nie zufriedenstellende Antworten erhalten. “Ich kämpfe seit Jahren”, so das Fazit von Waltraud Werner – das kostet freilich Energie.

Bei jeder Unwetterwarnung habe man Angst, man traue sich nicht mal eine Woche in den Urlaub zu fahren – es könnte ja regnen. Von anderen Stellen wurde den Anwohnern gesagt, sie seien “dumm”, die Sache öffentlich zu machen. “Jetzt kriegt ihr für das Haus nichts mehr”, sei ihnen gesagt worden. “Aber wir wollen ja gar nicht weg, wir wollen doch nur in Ruhe hier leben”, so die emotionale Antwort von Waltraud Werner.

Besonders ernüchternd sei auch zu sehen, wofür die Stadt in den letzten Jahren ihr Geld ausgegeben habe. Flutlichtanlagen bei der Spielvereinigung, die Reparatur des Eisstadions im vergangenen Herbst, bei der innerhalb von Stunden alles abgesegnet wurde sowie “Millionen, die man in das Schreibmaschinenmuseum steckt”. “Für das Geld, auch das, was für externe Gutachten und Berater ausgegeben wurde, hätte man schon lange neu bauen können”, so die Meinung der Anwohner.

Infoveranstaltung geplant

Wie genau es weiter geht, das weiß wohl niemand. Geplant ist zunächst eine Infoveranstaltung für die Anwohner abzuhalten, bei der sie über die Möglichkeiten zum Selbstschutz informiert werden sollen. “Da ist aber noch lange nichts spruchreif”, so Claudia Bürger auf bt-Nachfrage. Der Termin solle “im Frühjahr” stattfinden.

Ansonsten heißt es wohl erstmal weiter alles in Eigenregie zu regeln. Man versucht weiterhin, den Kontakt zu den Verantwortlichen zu suchen, erhofft sich auch Gespräche vor Ort. “Wir haben hier sichergestellt, dass nichts verstopft ist, haben eigene Gutachten anfertigen lassen”, berichtet Claudia Bürger.

Die eigenen Häuser versuche man, so gut es geht, zu sichern. Alle elektrischen Leitungen im Keller verlaufen jetzt an der Decke, eigene Pumpen, Schläuche und Sandsäcke liegen bereit. Für den Notfall scheint man gerüstet, doch die Sorgen sind weiter groß.

  • In Claudia Bürgers Keller brach das Wasser durch den Boden – der Riss ist noch immer deutlich zu sehen.
    Foto: Benedikt Günther

  • Der Wendehammer in der Saturnstraße. Hier staut sich das Wasser oft schon bei gewöhnlichem Niederschlag.
    Foto: Benedikt Günther

  • Im Amtsblatt warnte die Stadt 1992 schon vor Schäden durch Hochwasser.
    Foto: Benedikt Günther

  • Der Grünstreifen ist ein Grundstück im Besitz der Stadt. Auch von dort strömt regelmäßig Wasser in den Wendehammer.
    Foto: Benedikt Günther

  • In Waltraud Werners Keller sind die Wasserschäden noch deutlich zu sehen. Man wolle es teilweise gar nicht mehr ausbessern, solange es immer wieder passieren kann.
    Foto: Benedikt Günther

  • Eines der neuen vierfach verglasten Fenster im Keller der Familie Werner. Rechts daneben sieht man die neuen Stromleitungen, die an der Decke entlang führen.
    Foto: Benedikt Günther

  • Unmittelbar nach der Auffahrt der Hausnummern 13 und 15 befindet sich der Wendehammer. Alles, was sich dort staut, läuft früher oder später direkt auf das Grundstück.
    Foto: Benedikt Günther