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Letzte Generation

„Letzte Generation“-Prozess in Bayreuth: Verurteilter kündigt neue Klebe-Aktion an

Das Bayreuther Amtsgericht hat vier Klimaaktivisten wegen Straßen-Blockaden verurteilt. Drei davon haben eine Verwarnung erhalten.

Es war der erste Prozess gegen „Letzte Generation“-Aktivisten in Bayreuth. Nun sind die Urteile gefallen.

Einer der Aktivisten hat noch im Gerichtssaal die nächste Straßen-Blockade angekündigt.

Diese Urteile sind gefallen

Jugendrichterin Eva Ganzmüller hat am Bayreuther Amtsgericht die vier Klimaaktivisten heute, am 30. Juni 2023, wegen Nötigung verurteilt. Es ging um zwei Straßen-Blockaden vom 15. Februar 2022. Damals haben Aktivisten der “Letzten Generation” am Morgen den Verkehr auf der Bismarckstraße blockiert. Am Abend folgte eine Blockade auf dem Wittelsbacherring. Die Aktionen richteten sich unter anderem gegen die Verschwendung von Lebensmitteln.

Die Richterin hat die 25-jährige Maja Winkelmann zu einer Geldstrafe verurteilt, 30 Tagessätze zu je 10 Euro. Ein milderes Urteil gab es für die anderen drei Angeklagten, den Aktivisten Luca Thomas sowie einen 16-Jährigen und einen 19-Jährigen. Allen drei sprach die Richterin eine Verwarnung aus.

Thomas und Winkelmann müssen außerdem zu zweit die Kosten des Verfahrens tragen.

Richterin sieht Blockaden nicht als gerechtfertigt an

„Die Frage, um die es im Wesentlichen ging: Ist das Ganze in irgendeiner Weise gerechtfertigt?“, so die Richterin. „Unsere Angeklagten sagen, es bleibe ihnen keine andere Möglichkeit. Das sehe ich nicht so.“

„Das Gericht geht davon aus, dass der Klimawandel eine Gefahr ist“, sagte die Richterin. Gerechtfertigt wären solch drastische Maßnahmen aber nur, wenn sie das Problem tatsächlich beheben könnten. Ob die Aktionen der „Letzten Generation“ geeignet sind, um den Klimawandel aufzuhalten, „wird vielleicht die Zukunft zeigen“, so die Richterin. Sie wolle die Wirkung nicht ausschließen – aber das sei noch keine Rechtfertigung.

„Es geht nicht darum, was das effektivste Mittel ist“

Solange ein anderes geeignetes Mittel möglich wäre, seien die Blockaden nicht gerechtfertigt. „Es geht nicht darum, was das effektivste Mittel ist“, sagte Richterin Ganzmüller. „Ist, sich auf den Wittelsbacherring in Bayreuth zu kleben, das einzige geeignete Mittel, den Klimawandel aufzuhalten?“

Die Richterin kam zu dem Schluss: „Man kann auch auf andere, legale Weise Aufmerksamkeit erzeugen.“ 

Was für die Angeklagten sprach

Zugunsten der Angeklagten habe gesprochen, dass sie größtenteils geständig gewesen seien, so die Richterin. Außerdem waren alle vier laut der Richterin zum Zeitpunkt der Taten – im Februar 2022 – strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Auch wenn mittlerweile gegen manche von ihnen viele Verfahren laufen würden – man müsse den damaligen Zeitpunkt berücksichtigen.

Außerdem hätten sie „freundlich und friedlich demonstriert“, hätten für eine Rettungsgasse gesorgt. Und für ein Ziel demonstriert, das von einem großen Teil der Bevölkerung befürwortet werde. „Wir haben hier keine autonomen Chaoten, sondern intelligente Menschen, die etwas gegen Missstände unternehmen“, sagte Richterin Ganzmüller. „Dass jemand etwas gegen Missstände unternimmt, verdient Respekt. Allerdings muss man sich dabei an die Gesetze halten.“

Eindruck einer „Podiumsdiskussion“

Dem Urteil vorausgegangen war ein Prozess, der eineinhalb Tage dauerte. Bei den Plädoyers vor der Urteilsverkündung legten Staatsanwaltschaft, Verteidigung und die Angeklagten ausführlich ihre Sicht der Dinge dar.

Der Staatsanwalt äußerte die Ansicht, dass bei den Angeklagten der Sinn der Verhandlung „nicht so ganz klar“ geworden sei. „Es macht eher den Eindruck, dass man es als Podiumsdiskussion sieht.“ Der eigentliche Tatvorwurf habe sich in der Verhandlung bestätigt.

Staatsanwalt bezweifelt Sinn der Blockaden

Für die beiden jüngsten Angeklagten verlangte der Staatsanwalt eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht. Für Luca Thomas und Maja Winkelmann verlangte er eine Verurteilung nach dem Erwachsenenstrafrecht. Er begründete, wieso aus seiner Sicht die Blockaden nicht verhältnismäßig sind – und damit den Tatbestand der Nötigung erfüllen würden.

Der Staatsanwalt räumte ein: Das Ziel der Aktionen sei es nicht, jemandem zu schaden. „Das Grundziel ist ja eigentlich etwas Positives. Das ist etwas anderes als bei sonstigen Nötigungsfällen.“ Allerdings ginge es um ein globales Problem, das Deutschland nicht alleine lösen könne.

Außerdem würden Ursachen und Lösungen wissenschaftlich nicht eindeutig feststehen. Und man müsse berücksichtigen, dass sehr viele Einzelne beeinträchtigt würden durch solche Aktionen. Manche würden vielleicht einen Arzttermin verpassen, auf den sie lange warten mussten.

Haftstrafen ohne Bewährung gefordert

Der 19-jährige Angeklagte hat laut Staatsanwalt im nicht-öffentlichen Teil der Verhandlung gesagt, dass er diese Protestform nicht mehr anwenden wolle. Der Staatsanwalt forderte 20 Sozialstunden. Für den 16-Jährigen forderte er zwei Freizeitarreste. 

Für Luca Thomas forderte er wegen der beiden Blockaden eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten ohne Bewährung. Für Maja Winkelmann forderte der Staatsanwalt für die Blockade am Abend eine Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung.

Es betreffe „jeden Menschen auf der Welt“

Verteidigerin Maja Beisenherz forderte Freispruch für ihren 19-jährigen Mandanten. Die Aktionen würden kein egoistisches Interesse verfolgen, sondern im Allgemeininteresse liegen, „da es wirklich jeden Menschen auf der Welt betrifft“. Das müsse man berücksichtigen.

Der 16-jährige Angeklagte bestand darauf, dass er nicht unter Gruppendruck handle – das hatte der Staatsanwalt vermutet. Er habe sich selbst mit der Klimakrise beschäftigt, so der 16-Jährige. Er bat die Richterin daher darum, dass sie ihm die Strafe nicht aufgrund eines vermeintlichen Gruppenzwangs abmildern solle.

Neue Blockade angekündigt

Luca Thomas plädierte dafür, dass das Gericht das „Fernziel“ berücksichtigen müsse. Er und seine Mitstreiterin Maja Winkelmann wiesen beide darauf hin, dass es darum gehe, den Klimawandel aufzuhalten, der die menschliche Zivilisation bedrohe.

Luca Thomas kündigte noch im Gerichtssaal an: „Wir werden nächste Woche in Bayreuth erneut eine Aktion starten.“