Wirtsgogl G’schichtla: Ein kühner Segler über dem Fichtelgebirge

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Adrian Roßner, Foto: Privat

Adrian Roßner ist einer der jüngsten Heimatforscher Deutschlands und kommt aus der Region: In seiner bt-Serie „Wirtsgogl-Gschichtla“ gibt er regelmäßig Einblicke in seinen Fundus an kuriosen Geschichten, unglaublichen Erzählungen und Besonderheiten aus unserer Region.

In Teil neun der Serie erzählt Adrian Roßner von der Luftfahrt Anfang des 20. Jahrhunderts

Hier die aktuellste Geschichte des Wirtsgogl als Text und als Podcast zum Anhören.

 


Wirtsgogl G’schichtla #9 als Podcast zum Anhören

Ein „kühner Segler der Lüfte über dem Fichtelgebirge“

Die Luftfahrt ist heute, in Zeiten gigantischer Flugzeuge, zu einer für viele Menschen beinahe alltäglichen Reisemöglichkeit geworden, doch bedurfte es noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem Wagemut und Abenteuerlust, um sich in der Erforschung der damals neuesten technischen Errungenschaften zu engagieren. Einer der bekanntesten Pioniere der Aeronautik war, neben den späteren Flugzeugkonstrukteuren Junkers und Dornier, Ferdinand Graf von Zeppelin, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das bereits 1895 von David Schwarz konstruierte Starrluftschiff zu verbessern und zur Serienreife zu bringen. Unterstützt wurde er dabei von einem, heute leider beinahe vergessenen Sohn unserer oberfränkischen Heimat. 

Zwischen Münchberg, der USA und Friedrichshafen

Georg Hacker wurde am 18. Januar 1870 mit zwei Zwillingsschwestern im kleinen Städtchen Münchberg als Sohn des Stationskommandanten der bayrischen Gendarmerie Adam Hacker und der Zimmermeistertochter Friederich Söllner geboren und verzog im zarten Alter von drei Jahren nach Hof, wo der Vater eine Stelle als Bankdiener bei der königlichen Filialbank angetreten hatte. Nachdem der junge Georg einige Zeit lang als Piccolo im Hotel „Zum weißen Lamm“ gearbeitet hatte, schloss er Bekanntschaft mit dem aus Chicago stammenden, jedoch nicht näher bekannten Mr. King, der durch Zufall von der künstlerischen Begabung des Jungen erfahren hatte und ihn zu einer Ausbildung in die USA mitnehmen wollte.

Der Vater indes, der in seinem Sproß seit jeher einen zukünftigen Soldaten sah, wandte sich daraufhin mit der dringenden Bitte, Georg in die Reihen der deutschen Streitkräfte aufzunehmen, an den „eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck persönlich, der ihn im Alter von 15 Jahren als bis dato jüngsten Matrosen zur deutschen Marine schickte. Seine Strebsamkeit brachten ihn schließlich nach erfolgreichen Einsätzen in den Kolonialkriegen in die Position eines Steuermanns ehe er, dem Ruf des renommierten Professors Dr. Karl Börgen folgend, zum deutschen Marine-Observatorium in Wilhelmshaven wechselte. Am 18. August 1907 bewarb er sich schließlich, nachdem er eine entsprechende Annonce in der Zeitung gelesen hatte, als Obervermessungssteuermann beim Grafen von Zeppelin, der ihn postwendend zu einem Gespräch nach Friedrichshafen einlud. 

Georg Hacker. Foto: Adrian Roßner/Privat.

Flug über die Heimat

In den Reihen der „Männer von Manzell“, wie sich die Gefährten des von der Bevölkerung anfangs stark belächelten Grafen nannten, begann Hacker seine Arbeit am Steuer der neuen „Luftschiffe“, sowie am Reißbrett, wo er bei deren Entwicklung mitwirkte. Im Jahre 1909 schließlich – zwischenzeitlich hatte man selbst die lautesten Kritiker von der Funktionsweise  des „starren Systems“, also einem mit Aluminiumgerüst verstärkten Ballon, überzeugen können – machte sich Hacker zusammen mit dem Grafen und einigen anderen Besatzungsmitgliedern an Bord des Luftschiffes LZ 5 zu einer sogenannten „Dauerfahrt“ auf, von der auch die Zeitungen in Münchberg und dem Fichtelgebirge berichtet hatten.

Davon angespornt setzten die Münchberger Schulkinder einen Brief an den berühmten Sohn ihrer Stadt auf, in dem sie darum baten, doch auch über seine ehemalige Heimat zu fahren, damit man ihm hier ebenfalls die gebührende Ehre erweisen konnte. Gerührt von diesen Zeilen verlegten er und Graf von Zeppelin kurzerhand die Route über das Fichtelgebirge und näherten sich am 30. Mai 1909 unter dem Beifall der Bewohner langsam aber sicher unseren heimischen Gefilden. Ein Augenzeugenbericht aus dem „Boten vom Waldstein“ soll an dieser Stelle den majestätischen Anblick, den das Luftschiff bot, in Worte fassen:

„Kurz nach 10 Uhr wurde bekannt, dass das Zeppelin’sche Luftschiff unterwegs sei und sich bereits in der Bayreuther Gegend befinde. Natürlich kam alles in Bewegung und verfolgte mit Interesse das Erscheinen und die Weiterfahrt des Luftschiffes, das von hier aus fast ¾ Stunden zu sehen war, wenn man hier auch sonst nicht so vom Drehwurm befallen war, wie die Berichte aus anderen Orten lauteten. Auf dem Waldstein kam die Nachricht gegen halb 11 Uhr an und das zahlreiche Ausflugspublikum besetzte sofort die Schüssel, die Burgruine und alle anderen erhöhten Punkte. Mit großer Freude wurde auch dort droben der kühne Segler der Lüfte begrüßt. Sehr anständig war es von dem Luftschiff, daß es sich uns trotz der verschiedenen Manöver, die es in der Luft ausführte, bis zum Entschwinden immer von der Seite zeigte, im Gegensatz zu den Besuchern eines anderen Berges […] denen Z II, wie zu lesen war, beim Entschwinden das Hinterteil zeigte!“
(Bote vom Waldstein, 2. April 1909)

Der Beginn eines Siegeszugs

Nur drei Monate später überquerte am 28. August ein zweites Mal ein Luftschiff Münchberg und Hof. Mit dem Erfolg dieser sogenannten „Kaiserfahrt“ hatte Graf von Zeppelin endgültig sein Ziel erreicht: Der Kaiser war begeistert, ebenso das deutsche Volk und die Weltpresse. Der Siegeszug der Luftschiffe konnte beginnen. Den Überfahrten widmete man im Fichtelgebirge vielerorts Gedenksteine und sogenannte „Zeppelineichen“, wie man sie noch heute in Reinersreuth am Fuße des Waldsteins besuchen kann. 

Georg Hacker, der noch während des ersten Weltkriegs verschiedene Maschinen kommandierte, leitete ab 1920 den Luftschiffhafen in Potsdam und zog sich Mitte der 30er Jahre langsam aus dem aktiven Dienst zurück. Als 1936 das neueste Fabrikat der Zeppelin-Werke, LZ 129, zu seiner ersten Fahrt aufbrach, nahm Hacker dies zum Anlass, seine Memoiren herauszugeben, die er unter dem Titel „Die Männer von Manzell“ publizierte. Er schloss mit den Worten „Wir grüßen das neue Luftschiff des Jahres 1936, das Länder und Völker verbindend durch die Lüfte ziehen und für Deutschland werben soll.“

Foto: Adrian Roßner/Privat.

Ende unter dem Hakenkreuz

Nur ein Jahr später explodierte LZ 129, das den Namen „Hindenburg“ erhalten hatte und, entgegen der Intention des Zeppelin-Konzerns mit Hakenkreuzen versehen worden war, bei Lakehurst in Amerika und riss 36 Menschen mit in den Tod; bis heute eines der tragischsten Unglücke der Luftfahrtgeschichte. Die Nationalsozialisten, allen voran Hermann Göring, der der friedlichen Nutzung der „Giganten der Lüfte“ von vornherein kritisch gegenüber gestanden hatte, ließen daraufhin sofort alle Fahrten stornieren. Die Schiffe wurden kurze Zeit später verschrottet, die Fertigungshallen gesprengt. Damit war der Traum des Grafen zu Ende. Sein langjähriger Kamerad Georg Hacker starb 1947 in Potsdam im Alter von 77 Jahren. Die Wiedergeburt der kleineren „Zeppeline“, wie man die Luftschiffe zu Ehren ihres Erfinders nennt, hat er demnach nicht miterlebt, doch hat er sich seinen Platz in der Geschichte der Luftfahrt, die noch heute auf seine Initiative hin mit nautischen Einheiten rechnet, gesichert, wenngleich in seiner Heimat leider nur wenig an ihn erinnert. 


Text: Adrian Roßner