Serien, Kolumen und Formate  aus Bayreuth und für Bayreuth

Vom Gymnasium geflogen: Graf Gravina, Lausbub und Bayreuther Original

„Grüß Gott, Herr Scholti.” Wie von der Tarantel gestochen bleibt Festspielleiter Wolfgang Wagner auf der Bühne des Festspielhauses stehen, als sein Mitarbeiter einen Statisten mit diesem berühmten Dirigenten-Namen begrüßt. „Scholti? Sind Sie etwa mit dem Georg Solti verwandt?“, fragt Wagner. „Ja, mein Großvater kommt aus Ungarn. Es ist sein Cousin”. Wolfgang Wagner sieht Martin Scholti lange an: „Na ja, für seine Verwandtschaft kann man ja nichts“, und fügte nach einer kleinen – wohl gesetzten – Pause schmunzelnd hinzu: „Das weiß ich am besten.“

Wen mochte Wagner wohl gemeint haben? In Frage kommen zweifellos mehrere Familienmitglieder. Vielleicht sein Cousin, Gilbert Graf Gravina? Er war eine schillernde Persönlichkeit, stadtbekannt und hatte es als Kind faustdick hinter den Ohren. Hobby-Historiker Stephan Müller erzählt warum.


Gilbert Graf Gravina. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Wolfgang Wagners Tante Blandine, eine Tochter aus Cosima Wagners erster Ehe mit Hans von Bülow, hatte am 25. August 1882 den sizilianischen Conte Biagio Gravina geheiratet. Blandine und ihr ältester Sohn Manfredi, der als italienischer Marineoffizier, Diplomat und Hoher Kommissar des Völkerbundes Karriere machte, waren später Wolfgang Wagners Taufpaten. Während er seine Tante Blandine verehrte, würdigte Wolfgang Wagner Manfredis jüngeren Bruder Gilbert (1890 – 1972) in seiner Biografie „Lebensakte” mit keiner einzigen Zeile.

Wer war Graf Gravina?

Gilbert Graf Gravina, geboren 1980 in Palermo, war also der Enkel von Cosima Wagner und damit auch Urenkel von Cosimas Vater Franz Liszt. Richard Wagner war als zweiter Ehemann von Cosima quasi sein “Stiefgroßvater”, Wolfgang und Wieland Wagner seine Cousins. Nach dem Selbstmord seines Vaters im Jahr 1897 wurde der siebenjährige Gilbert der Ziehsohn von Wolfgang Wagners Vater Siegfried und wuchs in Bayreuth auf. Siegfried Wagner komponierte für den begabten Flötenspieler sogar ein eigenes Konzert porträtierte ihn in einer seiner Opern als Lebemann, der er auch zweifellos war. Er starb im Jahr 1972 in Bayreuth und ist im Grab seiner Tante Daniela Thode am Bayreuther Stadtfriedhof beigesetzt.

Cosima Wagner mit ihren Kindern und Enkeln (von links nach rechts): Enkel Gilbert Graf Gravina, Isolde Wagner, Daniela Thode, Cosima Wagner, Siegfried Wagner, Eva Wagner und die Gräfin Blandine Gravina. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Der junge Graf flog von der Schule

Schon als Junge hatte es der Graf faustdick hinter den Ohren. Das zeigt eine Begebenheit aus dem Gymnasium Christian Ernestinum in der Friedrichstraße, die der Spinnerei-Besitzer Dr. Fritz Bayerlein immer wieder gern zum Besten gab: Etwa um die Jahrhundertwende, als Gilbert die siebte Klasse besuchte, kam täglich um Punkt 7.45 Uhr ein Fiaker vorgefahren. Dem türlosen Zweisitzer entstieg, seiner Würde bewusst, einer der Herren Professoren. Die Mappe an die Brust gedrückt, erklomm er die Stufen des Schulgebäudes und verschwand durch die Eingangstür.

Die Postkarte aus dem Jahr 1900 zeigt den Jean-Paul-Platz mit dem Bayreuther Gymnasium. Foto: Archiv Dr. Syliva Habermann.

Eines Tages wurden die vor der Tür noch harrenden Schüler durch Flüsterpropaganda aufgefordert, sich am nächsten Tag schon vor 7.45 Uhr vor dem Penal einzufinden. Es würde etwas Besonderes geboten, das auch Jean Paul, der auf seinem Sockel dem Schulgebäude gegenüberstand sicher Spaß gemacht hätte. Keine Frage, dass sich am nächsten Tag eine große Schülerzahl einfand. Da trabte, pünktlich auf die Minute, auch schon der Einspänner an. Doch die Aufmerksamkeit richtete sich auf die andere Straßenseite. Denn von dort ertönten ebenfalls Pferdehufe.

Eine elegante Chaise, von zwei Pferden gezogen, fuhr direkt auf das Gymnasium zu. Auf dem Bock saß ein Kutscher mit Zylinder und langer Peitsche, neben ihm ein livrierter Diener.

Fast im gleichen Augenblick hielten nun beide Kutschen einander gegenüber vor dem Schuleingang. Dem Fiaker entstieg, wie immer wortlos, der Herr Professor, der diesmal aber verdutzt stehen blieb. Er musste mit ansehen, wie der Lakai vom Bock sprang und seinem Fahrgast die Türe aufriss. Der Kutsche entstieg der Schüler Gilbert Graf Gravina, der dem Professor gemächlichen Schrittes ins Schulgebäude folgte.

Dr. Fritz Bayerlein erzählt: „An diesem Tag verzögerte sich Unterrichtsbeginn erheblich, weil sofort eine Lehrerkonferenz einberufen worden war.“ In den Klassenzimmern herrschte ein reges Treiben, bis gegen 10.30 Uhr der Schüler Gravina vom Pedell ins Lehrerzimmer gerufen wurde. Er sollte nicht mehr in sein Klassenzimmer zurückkehren, denn Gilbert Graf Gravina war mit sofortiger Wirkung der Schule verwiesen worden!

Ein Bayreuther Original

Gilbert Graf Gravina war bei den Einheimischen ein beliebtes Original. Als Dirigent leitete er 1965 die musikalische Untermalung bei der Eröffnung der Stadthalle. Sie steht an der Stelle, an der sich einst besagtes Gymnasium befunden hatte. Ob er beim Betreten des neuen Konzerthauses wohl an sein Bubenstück gedacht hat?

Noch im hohen Alter oblag dem Grafen eine wichtige Aufgabe im Festspielhaus. Der Urenkel von Franz Liszt und Enkel von Cosima Wagner sorgte viele Jahre lang für das exakte Öffnen und Schließen des Hauptvorhangs.

Im Sommer 1965: Graf Gravina mit Festspielleiter Wieland Wagner, der Begum Aga Khan, dem Sänger Theo Adam und Dirigent Otmar Suitner bei einem Empfang im Festspielhaus. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Der Graf und sein Humor

Der „Gil”, wie er von den Bayreuthern genannt wurde, beteiligte sich rege am Leben im Städtchen. Gern erinnern sich die Bayreuther an die „sportlichen Leistungen“ des Grafen.

So war er in seiner Altersklasse mehrfacher Stadtmeister im Skilanglauf. Allerdings hatte er in der Kategorie der “über Siebzigjährigen” als einziger Starter keine allzu große Konkurrenz. Bei einem kurzen Plausch während eines Rennes bekam er auf die Frage, ob er “nicht weiter” müsse die Antwort, dass er keine Eile hätte: “In meiner Altersklasse gewinne ich ja sowieso!”

Für Aufsehen sorgte er auch, als man den Grafen während einer Stadtmeisterschaft auf dem Buchstein suchen musste. Er hatte sich verlaufen.


Text: Stephan Müller

Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

Multitalent Hausmeister: Es gibt immer was zu tun

Langeweile im Job kennt Lothar Höreth nicht. Im Gegenteil: Es gibt immer etwas zu tun. Lothar Höreth ist Hausmeister an der Alexander-von-Humboldt-Realschule – und das schon seit 25 Jahren. Der 52-Jährige war früher selbst Schüler an der Realschule. Seine Ausbildung zum Betriebsschlosser ist in seinem Job Gold wert. Höreth ist ein wahres Allround-Talent.

In seinem Dienstzimmer erledigt Lothar Höreth Verwaltungsaufgaben und Organisatorisches. Foto: Magdalena Dziajlo

Rund um die Uhr da

Tropfende Wasserhähne, verstopfte Toiletten, Schmierereien, Stromausfall: Höreth weiß sich immer zu helfen und ist immer an Ort und Stelle, wenn etwas repariert werden muss. Und: “Es macht mir einfach Spaß”, sagt der Hausmeister. Praktisch, wenn man da in der Hausmeisterdienstwohnung direkt auf dem Schulgelände wohnt. Ein kurzer Mittagsschlaf in der Pause, kein Problem. Doch das hat natürlich auch seine Schattenseite:

Der Nachteil ist, dass man auch mal am Abend, am Wochenende oder sogar im wohlverdienten Urlaub belästigt wird – von Fremden, Eltern oder Lehrern.

(Lothar Höreth, Hausmeister an der Alexander-von-Humboldt-Realschule)

Es sei schon vorgekommen, dass Eltern am Wochenende bei ihm geklingelt haben, weil die Tochter das Federmäppchen in der Schule vergessen habe. Ein weiterer Unterschied: “Während andere froh sind nach der Arbeit nach Hause zu kommen, bin ich oft froh, mit meiner Frau raus zu kommen.”

Kein Tag wie der andere

Nach Dienstende um 16 Uhr ist für den Hausmeister meist noch lange nicht Schluss. Von Montag bis Freitag nutzen Bayreuther Vereine ab 16.30 Uhr die Schulturnhalle. Die muss Höreth natürlich auf- und wieder zuschließen sowie die Halle nach dem Training kontrollieren. Hinzu kommen Schulfeste, Elternabende, Infoabende und andere Veranstaltungen zu denen der 52-Jährige da sein muss. Höreth kümmert sich auch um die Post, die er täglich ins Rathaus bringt und dort auch abholt. Mit der Zeit hat er seine Arbeitsabläufe optimiert, er weiß genau, wo er hin greifen muss und was zu tun ist, und setzt seine Prioritäten. Überall könne er ohnehin nicht sein.

Bei all den wiederkehrenden Aufgaben und Kleinigkeiten sei es sowieso schwierig, den Tag zu planen. Denn Unverhofft komme bekanntlich oft.

Ich habe es aufgegeben, zu planen. Wenn es nicht klappt, muss ich mich so wenigstens nicht ärgern.

(Lothar Höreth)

Oberste Priorität: Winterdienst

Im Winter hat das Räumen und Streuen für Höreth oberste Priorität. Statt um 6:30 Uhr beginnt sein Tag dann bereits gegen 4 Uhr. Bis die Schüler eintrudeln, müssen das Außengelände und vor allem die Hauptwege und die Treppe geräumt und gestreut sein. Besonders stolz ist der Hauseister auf seine Räummaschine, die ihm die Arbeit enorm erleichtert. Bei der Treppe muss er aber noch selbst die Schippe in die Hand nehmen.

Ebenso häufig im Einsatz sind gerade im Herbst der Laubbläser und der Besen. Den müssen übrigens auch die Schüler ab und an schwingen, wenn sie etwas angestellt und dafür bestraft werden. Dann heißt es: Hausmeisterdienst. Höreth findet das gut. “Das tut mehr weh. Ich sehe das als erzieherische Maßnahme.” Ein Zettel an die Eltern sei gleich wieder vergessen. Wenn aber alle Freunde Schulschluss haben und ins Freibad gehen und nur der Schüler, der etwas angestellt hat, bleiben und arbeiten muss, rege das eher zum Nachdenken an, findet der 52-Jährige.

Ausgleich Sport

Obwohl sein Job als Hausmeister körperlich viel abverlangt und enorm viel Zeit in Anspruch nimmt, geht Höreth dreimal die Woche ins Fitnessstudio. Und das seit 18 Jahren.

Das ist ein guter Ausgleich und die Zeit nehme ich mir einfach.

(Lothar Höreth)

Stand nur wenige Tage: Bayreuths kurioseste Bude

Vor 67 Jahren wurde in Bayreuth etwas weit und breit einzigartiges aufgebaut. Der Bayreuther “Milchpilz” war der Vorgänger der Milchbar am Luitpoldplatz und wanderte schließlich als Dönerbude in eine andere Stadt – wo der Pilz heute noch steht.

Großer Andrang am Bayreuther Milchpilz. Im Hintergrund das “Stenohaus”. Heute steht dort die Schloss-Galerie. Foto: Archiv Bernd Mayer

Mehr Milch fürs Volk

Der Milchpilz wurde als „der erste und bisher einzige seiner Art im ganzen Bundesgebiet“ aufgestellt, berichtete das „Bayreuther Tagblatt“ am 15. Mai 1952 mit sichtlichem Lokalstolz. Die Firma Waldner aus Wangen im Allgäu hatte den kleinen Kiosk, der als Anreiz „zur Steigerung des Milchverbrauchs“ dienen sollte, für genau 4195 Mark hergestellt. Der städtische Milchhof stellte ihn als Attraktion zu einer Tagung des „Verbandes großstädtischer Milchversorgungsbetriebe” vom 10. bis 17. Mai 1952 auf.

Der Pilz steht länger als erlaubt

Der auffällige Milchpilz war schnell Gesprächsthema Nummer eins. Aufgrund des riesigen Publikumserfolges entschloss sich der Milchhof, das „Milchhäusla” über diese eine Woche hinaus am Luitpoldplatz stehen zu lassen. Die Fränkische Presse berichtete, dass „Bayreuth von einem Milchtaumel erfasst” wurde:

Seit einer Woche zieht er jung und alt, groß und klein in seinen Bann.

Die Stadt bleibt hart

Damit eckte der Milchhof jedoch bei der Stadtverwaltung an, die hart blieb und den Abbau forderte. Der Milchpilz entspräche „in seiner Aufmachung nicht dem Stadtbild. Da nützte es auch nichts, dass Milchhofdirektor Hartl beim Oberbürgermeister die Begeisterung der Bürger und die volksgesundheitliche Bedeutung des Milchpilzes mit den „preislich günstigen und ernährungsphysiologischen Wert” der „Milch- und Milchmixgetränke” hervorhob. Stadtbaurat Schnabl drängte trotzdem auf die „umgehende Entfernung des Pilzes“ und konnte am 26. Juni den Abbau des „Milchkiosks in Pilzform“ vermelden. Die Bude wanderte nach Regensburg.

Rudolf Roesner vor seiner Milchbar am Luitpoldplatz. Foto: Gaby Roesner-Oliver

Margot Roesner hinter dem Tresen. Foto: Gaby Roesner-Oliver

Pilz geht, Bar kommt

Immerhin erhielt der Milchhof die Genehmigung zur Errichtung einer Milchtrinkhalle und Milchtrinkbar. So eröffneten dann Rudolf und Margot Roesner im September 1962 neben der bereits seit 1954 erfolgreichen legendären „Milchbar” (in der Badstraße und später am Sternplatz) eine zweite Eisdiele gleichen Namens am Luitpoldplatz.

Die erste Milchbar in Bayreuth gab es am Sternplatz. Foto: Archiv Bernd Mayer

Die Milchbar musste zusammen mit dem „Stenohaus” vor einigen Jahren dem Neubau der „Schlossgalerie” weichen.

Stehcafé in Regensburg

Den Bayreuther Milchpilz gibt es übrigens noch: Seit rund 60 Jahren steht er in Regensburg am Rande eines Parks und beherbergte erst eine Döner-Bude und heute ein beliebtes Stehcafé.

Als Döner-Bude drohte der Bayreuther Milchpilz zu verfallen. Dann nahm sich ein neuer Betreiber dem “Schwammerl” an, renovierte und eröffnete ein Steh-Café das es heute noch gibt. Foto: Stephan Müller


Text: Stephan Müller


Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

Lesen Sie auch:

Gessn werd dahaam: Willkommen im Dorfladen Emtmannsberg

In Folge 15 ist Christoph Scholz zu Besuch im Dorfladen Emtmannsberg.

B-Kwem: Der Mann aus Eisen – Rap vom Bindlacher Schrottplatz

Sebastian Leben steht mitten auf einem Schrottplatz, in seiner Hand hat er einen Hammer. Zwischen Autowracks und rostenden Stahlteilen erzählt der Rapper aus seinem Leben.

Von Prinz Charles bis Obama: Das Goldene Buch der Stadt Bayreuth

Wohl kaum eine Stadt von der Größe Bayreuths hat ein „Goldenes Buch”, das mit einer solchen Menge hochkarätiger Persönlichkeiten aufwarten kann. Der Grund: Die Bayreuther Festspiele, die zur Premierenaufführung jährlich am 25. Juli die Prominenz nach Bayreuth locken. Fast alle Bundespräsidenten waren hier, Könige, Staatschefs und Botschafter befreundeter Staaten, Stars und Sternchen aus der Schauspielwelt, Industrielle und Fürsten. Für das Bayreuther Tagblatt hat der Hobbyhistoriker Stephan Müller einen Blick in das Goldene Buch der Stadt geworfen.

Prinzen, Könige, Präsidenten

Ihre Majestät Königin Margarethe II. von Dänemark, Michail Gorbatschow und seine Ehefrau Raissa Gorbatschowa, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Seine Exzellenz Juan Antonio Samaranch, die Prinzessin Begum Aga Khan oder eine komplette UNO-Delegation sind nur einige dieser berühmten Persönlichkeiten. Erst vor zwei Jahren kamen beim Staatsempfang nach der Festspielpremiere Schwedens König Carl Gustaf und Königin Silvia dazu. Einer der herausragenden Eintragungen im Golden Buch der Stadt Bayreuth entstand anlässlich des Besuches von Prinz Charles am 6. August 1987. Der englische Thronfolger Prinz verband einen Besuch bei seiner Coburger Verwandtschaft mit einem Besuch der Bayreuther Festspiele.

Habe die Ehre

Im Bayreuther Stadtrecht ist in einer „Satzung über Auszeichnungen der Stadt Bayreuth“ geregelt, wer sich eintragen darf: So haben Ehrenbürger, Inhaber der Bürgermedaille und des Ehrenrings sogar das Recht, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen. Auch besondere Ereignisse in der Stadtgeschichte finden sich im Buch, wie die „Festliche Sondersitzung” mit allen Unterschriften der Stadträte zur Einweihung des Neuen Rathauses am 5. Mai 1972.

Fünf auf einen Streich

Zur Geburt der Bayreuther Fünflinge Lisa, Peter, Dirk, Tim und Moritz trugen sich am 27. Juni 1984 die stolzen Eltern Margot und Jürgen Abel ein, ebenso die Delegationen der Partnerstädte Annecy, La Spezia und Rudolstadt, der Franzensbader Heimatgruppe sowie der Partnerregion Burgenland.

Größen der Opernwelt

An große Persönlichkeiten der Bayreuther Festspiele erinnern die Unterschriften von Winifred Wagner, Wolfgang Wagner (anlässlich der Verleihung des Ehrenbürgerrechts am 22. Juli 1976), der Kammersängerin Astrid Varney, dem Kammersänger Wolfgang Windgassen, der Chordirektoren Wilhelm Pitz und Norbert Balatsch oder der Generalmusikdirektor Hans Knappertsbusch.

Die Schwester des Präsidenten

Auma Obama, die Germanistin und kenianische Halbschwester des früheren US-Präsidenten Barack Obama, hat zwischen 1988 und 1996 an der Uni Bayreuth ihren Doktortitel erworben. Im Jahr 2018 kam sie in die alte Heimat zurück und unterschrieb im Goldenen Buch der Stadt.

Zweimal Gold bei Olympia

Zwei Goldmedaillen gewann die Hochspringerin Ulrike Meyfarth: 1972 in München und 1984 in Los Angeles. Im April 1985 verschlug es sie nach Bayreuth. Die Bayreuther fackelten nicht lange und hielten der Spitzensportlerin ihr Goldenes Buch unter die Nase.

Bayreuths große Mannschaften

Einmal klopfte die Spielvereinigung Bayreuth an der Tür zur 1. Fußball-Bundesliga. In der Saison 1979/80 war das. Die SpVgg wurde Vize-Meister in der 2. Liga, scheiterte in der Aufstiegs-Quali aber mit 1:1 und 1:2 an Bayer 05 Uerdingen.

1985 sind die Basketballer von Steiner Bayreuth in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Ein Jahr später belegten sie im Oberhaus sogar den dritten Platz – und zwar mit diesen Spelern in ihren Reihen:

Alle guten Dinge sind drei: Neben Fußball und Basketball wird in Bayreuth seit jeher Eishockey gespielt. Die Mannschaft des Schwimmvereins Bayreuth, wie dieTigers ganz früher einmal hießen, schafften es bis in die 1. Bundesliga. Die ganze Mannschaft kam zum Unterschreiben ins Rathaus.

Weitere Spitzensportler der Stadt

Der Zeichner

Zuständig für die Gestaltung der meisten dieser Seiten war übrigens Sepp Ableiter. Der brauchte für seine beiden großen Freizeitbeschäftigungen Ruhe. Als Bogenschütze bei der Bayreuther Turnerschaft und als Grafiker, der im Auftrag der Stadt Bayreuth die Einträge für das Goldene Buch gestaltete, war es unerlässlich, dass Josef Ableiter eine ruhige Hand bewies.

Von 1960 bis 2004 zeichnete der „Sepp” vor dem Besuch der Prominenten Staatswappen, landestypische Gebäude oder passende Merkmale in das wertvolle Buch. Im Alter von 92 Jahren übergab er diesen „städtischen Auftrag” an seinen Nachfolger Heinz Schimmel. Sepp Ableiter starb 2006 im Alter von 94 Jahren.


Text und Fotos: Stephan Müller


 

Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es hier beim bt.

 

Ein Bayreuther als Vorreiter im Kampf gegen den Katzendreck

Der Bayreuther Stadtförster Gotthard Eitler traut seinen Augen nicht. In den 70er-Jahren besucht er seinen Freund Ludwig Hahn in seiner Heimat im Erzgebirge und kann nicht glauben, was er dort sieht. Der einstmals dichte Bilderbuch-Wald bietet ein gespenstisches Bild. Von dem vollen Nadelwald, den er aus seiner Jugend kannte, ist nur noch ein Gerippe zu sehen. Hobby-Historiker Stephan Müller erzählt seine Geschichte.

Pioniere im Kampf gegen das Waldsterben

Die beiden Männer mussten vorsichtig sein. Ihre geheime Absprache hätte für Ludwig Hahn schlimme Folgen haben können. Doch der Oberförster aus dem Erzgebirge vertraute seinem Kollegen aus dem Westen, den er noch aus seiner Kindergartenzeit kannte. Die beiden Naturschützer gingen ihr gewagtes Unternehmen an.

Schon seit dem Ende der sechziger Jahre hatte Eitler die zunehmenden Schädigungen am Baumbestand im Erzgebirge beobachtet. Den beiden Fachleuten war klar, dass das „Waldsterben” auf die zunehmende Luftverschmutzung zurückzuführen war. Als ihm sein Freund Ludwig Hahn die schlimmsten Stellen gezeigt hatte, stand für Eitler endgültig fest, dass gehandelt werden musste.

Hahn sollte weitere Informationen beschaffen, Eitler würde im Westen an die Öffentlichkeit gehen. In der DDR waren die sterbenden Wälder ein Tabu-Thema. Welches Risiko Ludwig Hahn einging, muss also nicht betont werden.

Kampf dem Katzendreck

Im Jahr 1978 gab Eitler seine erste Dokumentation „Kampf dem Katzendreck“ heraus, in der er feststellte, dass das Waldsterben auch das Fichtelgebirge längst erreicht hätte. Verzweifelt schrieb er seinen berühmten „Försterbrief” an Bundeskanzler Helmut Kohl und wurde dafür aus der Bayerischen Staatskanzlei als „Übertreiber” getadelt.

Der Forstamtmann ließ sich aber nicht beirren: Im Februar 1983 brachte er Josef Ertl, den damaligen Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zum Umdenken. Von Ertls provozierenden Fragen – Wann habt ihr das letzte Mal richtig ausgeforstet? Sind das nicht Schäden vom Schneebruch? Die Bäume stehen halt zu dicht! – ließ er sich nicht beirren, sondern öffnete dem Minister mit einem beeindruckenden Diavortrag die Augen.

Ich habe heute viel gelernt.

(Fazit von Josef Ertl)

Eitler war der Durchbruch gelungen.

Wenig später hielt Eitler seinen Vortrag im Bundeskanzleramt, ehe im April 1983 eine Forstexpertengruppe aus 17 Ländern direkt aus Genf ins Fichtelgebirge reiste.

UNO gründet eine Kommission

Nach Eitlers Ausführungen gründete die UNO die Kommission „Air Pollution“ (Luftverschmutzung). In dieser Zeit hielt Eitler seinen Vortrag über 270 Mal und klärte über die Ursachen des Waldsterbens durch Schwefeldioxid und Stickoxide auf. Seine Forderung nach Dreiwege-Katalysatoren und Tempolimit fand Gehör.

Vom damaligen Oberbürgermeister Dr. Dieter Mronz stammt das Zitat: „Vom einsamen Rufer zum geehrten Preisträger”. Bei der Verleihung des Umweltpreises der Stadt Bayreuth lobte Mronz den Stadtförster, der sich nicht hätte beirren lassen und „alle Anfeindungen mannhaft und tapfer durchgestanden” hätte.


Text: Stephan Müller

Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.


Lesen Sie auch:

Superfood: Bayreuther Gemüse für den Herbst

Der Wind peitscht durch die Blätter, Sprühregen landet auf Wangen und Nasenspitze. Gerade jetzt im Herbst ist es wichtig, auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu achten, damit das Immunsystem leistungsfähig bleibt. Drei Experten vom Bayreuther Wochenmarkt zeigen, mit welchem regionalen Gemüse man seinem Körper jetzt optimal pushen kann.

Wochenmarkt vor der Rotmainhalle, Foto: Carolin Richter

Die drei fränkischen Superfoods im September

Obst und Gemüse aus der Region zu essen, ist durch kurze Transportwege umweltfreundlicher. Daneben bleiben mehr Vitamine erhalten, da die Produkte erst bei voller Reife geerntet werden. Warum Kürbis, Romanesco und Brokkoli locker mit den Superfoods von Übersee mithalten können, erfahren Sie im Folgenden:

Hokkaido-Kürbis: Zur natürlichen Entwässerung des Körpers

Hokkaido-Kürbis. Foto: Carolin Richter

Erst seit dem 20. Jahrhundert wird der Hokkaido-Kürbis in Europa angebaut, ursprünglich stammt er von einer Insel nördlich von Japan. Bis zu zwei Kilo kann er schwer werden – damit gehört er eher zu den kleineren Sorten. Geschmacklich erinnert der Hokkaido an Esskastanien, sogar Marmelade kann man damit kochen.

Angelika Bajsini vor der Rotmainhalle, Foto: Carolin Richter

Den Kürbis gibt es hier am Markt meist ab Anfang September zu kaufen. Er ist ein typisches Herbstgemüse.

Meine Oma hat ihn immer süß-sauer eingemacht, also mit Essig, Zucker, Zimt, Muskat und etwas Nelken. Besonders lecker, ist er auch püriert als Suppe mit etwas Schmand.

(Angelika Bajsini, Stand Klaus Schmid & Bajsini)

Durch einen hohen Anteil an Kalium, regt der Hokkaido die Tätigkeit von Niere und Blase an und hilft den Körper auf natürliche Weise zu entwässern. Außerdem enthält der Hokkaido viel Vitamin A, das die Sehkraft stärkt und das Zellwachstum anregt. Er ist eines der Lebensmittel, das besonders leicht verdaulich ist und so auch Menschen mit sensiblem Magen gut bekommt. Auch Low-Carb-Fans können sich freuen: In 100 Gramm des Hokkaido stecken nur 5 Gramm Kohlenhydrate.

 


Romanesco: Für einen gesunden Blutkreislauf

Romanesco, Foto: Carolin Richter

Mit seinem spitzen Röschen fällt er einen schnell in den Blick. Auch wenn er aussieht wie “from outer space”, ist er ein heimisches Gemüse, dass hier im Freiland bis in den Herbst hinein gut wachsen kann. Im Gegensatz zum weißen Blumenkohl, darf der Romanesco in die direkte Sonne und erhält so seine leuchtende Farbe.

Florian Schmidt, Foto: Redaktion

Der Romanesco wächst noch bis Ende Oktober direkt im Bayreuther Freiland. Geschmacklich erinnert er an Blumenkohl, nur etwas intensiver.

(Florian Schmidt, Junior-Chef Gärtnerei Schmidt)

Romanesco enthält Chlorophyll, dass dafür sorgt, dass im Körper neue Blutzellen gebildet werden und der Sauerstofftransport im Körper gefördert wird. Je frischer der Romanesco ist, desto mehr Vitamin C enthält er – schon eine Hand voll Romanesco reicht aus, um den Tagesbedarf eines Erwachsenen decken zu können. Das enthaltene Vitamin K unterstützt außerdem Herz und Kreislauf.

Brokkoli: Senkt das Diabetes-Risiko

Brokkoli. Foto: Carolin Richter

Wer regelmäßig Brokkoli isst, kann sein Risiko für Diabetes Typ 2 um etwa 14 Prozent verringern, zu diesem Ergebnis sind englische Forscher im Rahmen einer Studie gekommen. Außerdem kann Brokkoli Krebserkrankungen vorbeugen und auch die Wirkung von Chemo-Therapien verstärken. Damit möglichst viel Vitamin C im Brokkoli enthalten bleibt, sollte man in besser dünsten, anstatt in kochendes Wasser zu geben.

Jürgen Schmidt, Foto: Redaktion

Im Frühjahr und Herbst wächst der Brokkoli besonders gut im Freiland – dann wird er auch größer. Wenn es im Sommer zu trocken ist, tut ihm das eher nicht so gut. Saison hat er noch etwa bis Ende Oktober, bis es Frost gibt.

Zubereiten kann man den Brokkoli zum Beispiel mit Semmelbröseln in der Pfanne oder als cremige Suppe.

(Jürgen Schmidt, Inhaber Gärtnerei Schmidt)

Folgende regionale Obstsorten haben jetzt außerdem Saison:

  • Äpfel
  • Birnen
  • Preiselbeeren
  • Weintrauben
  • Pfirsich
  • Zwetschgen

Via Hochrad: Als zwei Festspiel-Mitarbeiter Kamerun entdeckten

Das Verkehrsschild nach “Kamerun”, das kurz hinter Wolfsbach an der Bundesstraße nach Creußen und Pegnitz zu sehen ist, hat sicherlich schon manchen Autofahrer zum Schmunzeln gebracht. Das beliebte Forsthaus ist nämlich tatsächlich nach der alten deutschen Kolonie in Afrika benannt.

Ausflug im Sommer

An einem Sommertage des Jahres 1884 benutzten zwei junge Männer auf Hochrädern die Strasse nach Neuenreuth. Einer davon war Fritz Brandt, der technischer Leiter im Festspielhaus und als Verlobter von Cosima Wagners ältester Tochter Daniela von Bülow zumindest vorübergehend ein Mitglied der Wagner-Familie war.

Zusammen mit seinem Mitarbeiter Friedrich Kranich nutzte Brandt also diesen schönen Sommertag zu einem Ausflug, um sich von der Bühneneinrichtung für die (ein Jahr nach Richard Wagners Tod) bevorstehenden “Parsifal”-Aufführungen” zu erholen. Um sich von der Hitze zu erholen, bogen die beiden jungen Männer kurz hinter Wolfsbach auf einen ihnen unbekannten Waldweg ein, um den Schatten der alten Kiefern zu nutzen.

Rast im idyllischen Forsthaus

Wenige Meter später war die Überraschung groß, als sie das idyllische Forsthaus von Ottmannsreuth entdeckten. Die Frau des Waldaufsehers Philbert begrüßte die beiden Männer und bot ihnen eine Erfrischung an. Zufrieden legten sie eine längere Pause ein.

Foto: Forsthaus Kamerun

Brandt rief aus: “Eine richtige Entdeckung haben wir da gemacht” , worauf Kranich ergänzte: “Ja, wie der Nachtigall in Afrika!” Mit diesen Worten schilderten sie auch abends nach der Rückkehr ihr Erlebnis.

Einsames Forsthaus als Anziehungspunkt

Weil im Juli 1884 alle Zeitungen von der Hissung der deutschen Flagge durch den Afrikaforscher und späteren kaiserliche Generalkonsul Dr. Gustav Nachtigall in Kamerun berichteten, nannten die beiden Entdecker das einsame Forsthaus “Neu-Kamerun”. Durch den Besuch von Brandt und Kranich wurde das 1848 erbaute Forsthaus ein immer größerer Anziehungspunkt für die Mitwirkenden der Festspiele. Grund genug für den Waldaufseher Philbert, eine Wirtschaftskonzession unter dem Namen “Kamerun” zu beantragen.

Die Ausflugsgaststätte Neu-Bukoba

Neubukoba. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Gut zehn Jahre später eröffnete nur einen Kilometer Luftlinie entfernt eine weitere Ausflugsgaststätte, die in Zeiten des Kolonialismus einen afrikanischen Namen erhielt: “Neubukoba”. Wer heute aus Richtung Nürnberg kommend, auf der Autobahn A9 in Richtung Berlin kurz vor Bayreuth auf dem Rastplatz Sophienberg anhält, der befindet sich ganz in der Nähe des damaligen Stadtortes. Gäbe es die 1894 eröffnete Wirtschaft heute noch, dann läge sie wie eingeklemmt zwischen der lärmenden sechsspurigen Autobahn und der Bahnlinie Nürnberg-Bayreuth – ein Biergartenidyll sehe wohl anders aus.

Wo Kamerun und Neubukoba liegen. Foto: Bernd Meyer Stiftung.

Das Gebäude wurde 1821 erbaut und 1894 von Johann Carl Christian Querfeld als “Neu-Bukoba – Bierwirtschaft mit Spirituosen” angemeldet und wurde schnell ein beliebtes Ausflugsziel für die Bayreuther.

Bukoba in West-Afrika

Bukoba ist eine Stadt an der Westküste des Viktoriasees, gelegen im ehemaligen Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania. Darüber, warum Querfeld gerade diesen Ort als Namensgeber wählte, kann nur spekuliert werden. Vielleicht wegen des damals schon sehr bekannten Bukoba-Kaffees, der dort sicherlich auf der Getränkekarte stand, oder wegen der Weiher auf denen rund um die Ausflugsgaststätte auch Ruderboote unterwegs waren.

Kaffee und Kuchen im Garten

Im Jahr 1907 übernahmen Karl und Mathilde Kolb für gut 20 Jahre das Anwesen und verkauften in Spitzenzeiten 49 Hektoliter in der Saison. In dieser Zeit beschreibt der Bayreuther Friedrich Bauer, wie er dort einkehrte: “Wir wanderten entlang dem Röhrensee, dann an dem Einzelgehöft Plantage vorbei in Richtung Thiergarten. Kurz davor bogen wir links in den Schindelteichwald ein und erreichten über Oberthiergarten Neubukoba. Unsere Eltern setzten sich in den schattigen Garten und unterhielten sich bei Kuchen und Kaffee und sonstigen Getränken.”

Neubukoba. Foto: Bernd Mayer Stiftung.

Viele Bayreuther nutzten aber auch die Eisenbahn in Richtung Creußen, um nach Neubukoba zu kommen. Vom Bahnhof Neuenreuth war es nur noch ein kurzer Spaziergang zu der Ausflugsgaststätte.

Diese Idylle endete rund vier Jahrzehnte nach der Eröffnung. Im Jahr 1936 wurde die Autobahn fertig gestellt, zwei Jahre später wurde das einst so beliebte Lokal abgerissen.


Text: Stephan Müller

Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

 

Warum die Turner der BTS die Feuerwehr gründeten

Von Montag, den 23. September, bis Sonntag, den 29. September findet in Bayreuth eine Aktionswoche zum Brandschutz statt. Insgesamt gibt es die Freiwillige Feuerwehr in Bayreuth schon seit 158 Jahren. Ohne die Turner der BTS würde es die Bayreuther Feuerbekämpfer wohl aber noch gar nicht so lange geben, wie der Bayreuther Hobbyhistoriker Stephan Müller herausgefunden hat. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Hier ist die Geschichte:

Wir schreiben das Jahr 1861, das Gründungsjahr der Bayreuther Feuerwehr. In einem an den Turnverein gerichteten Schreiben vom 13. Mai 1861, regen die Räte des Stadtmagistrats an:

Wir wünschen aufrichtig, dass der edle Zweck des Turnens immer mehr anerkannt und wirklich erreicht und dass dies dem Verein bald gelingen werde, gleichwie es von Turnvereinen anderer Städte geschehen ist, die hiesige Feuerwehr durch eine Feuerwehr aus Turnern zu vermehren.

Bayreuth hat damals 18.000 Einwohner

Es scheint fast so, als ob der Magistrat, der vorher mit allen Versuchen eine schlagkräftige Feuerwehr oder einen Löschverein zu bilden, gescheitert war, sehnsüchtig auf einen Turnverein gewartet hatte. Wie in vielen Städten war auch in Bayreuth mit seinen damals 18.044 Einwohner (Stand 1861) die Brandbekämpfung mit einem großen undisziplinierten und meist nur widerwillig arbeitenden Haufen von „Löschdienstpflichtigen“ der Feuer-Rettungsgesellschaft von 1836 mehr als unprofessionell.

Brandkatastrophen häufen sich

Dabei häuften sich durch die Industrialisierung die Brandkatastrophen. Nachdem 1860 auch die Aufstellung einer städtischen freiwilligen Feuerwehr und eines schlagkräftigen Rettungs-Corps kläglich scheiterte, schien sich mit den Turnern eine Lösung anzubieten. Die jungen Männer, die im Verein ihre Körperkräfte stärkten und sich turnerische Fähigkeiten erwarben, könnten doch ihre Geschicklichkeit auch praktisch unter Beweis stellen.

Foto: Stephan Müller

Die Turner finden Gefallen an der Sache

Das Vorhaben gelang: Die Turner sahen das Leiternbesteigen, „Hinaufkraxeln“ und Löschen von den benachbarten Hausdächern als Herausforderung und nahmen den Vorschlag des Magistrats an. Der diesem Wunsche des Stadtmagistrats entsprechende Antrag des Vorstandes zur Bildung einer freiwilligen Turnerfeuerwehr wurde freudigst begrüßt und einstimmig angenommen. Nicht weniger als 114 Turner traten am 20. Juni 1861 sofort als „Steiger“ in die freiwillige Turnerfeuerwehr. Dieser Freiwilligen Turnerfeuerwehr, die ein selbständiges Corps bildete, unterstanden nun auch alle bisher bestandenen Lösch- und Rettungsabteilungen. Der Verein führte nun den Namen „Turnverein und Freiwillige Turnerfeuerwehr von 1861“.

Foto: Stephan Müller

Für großes Aufsehen sorgte die erste Hauptübung der freiwilligen Turnerfeuerwehr im Herbst 1862.

Foto: Stephan Müller

Freude bei der Presse

Voller Begeisterung berichtete das Bayreuther Tagblatt:

Es ist eine wahre Freude, diese muntere Schar jugendlicher Turner mit keckem Muth und Selbstvertrauen das abschüssige Dach, den hohen Giebel und alle Fenster des für die Übungen ausersehenen Gebäudes mit seltener Geschwindigkeit ersteigen und ihre Lösch- und Rettungsapparate überallhin tragen und befestigen zu sehen. Jeder Einwohner unserer Stadt geht von heute an um vieles ruhiger zu Bette, da er wisse, dass auf den ersten Feuerruf alle rüstigen Turner bereit stehen, das gefährdete Leben und Eigentum der Einwohnerschaft opfermütig zu schützen und zu retten.

(Bayreuther Tagblatt, 1861)

Foto: Stephan Müller

Auch nachts im Einsatz

Neben den regelmäßigen Übungen übernahm die Turnerfeuerwehr ab 1862 in den Wintermonaten von 21 bis 5 Uhr eine freiwillige Drei-Mann-Nachtwache in den Räumen der Polizei im Rathaus, was am 14. Oktober 1862 vom Tagblatt wie folgt honoriert wurde:

Schließlich bitten wir die wackeren Turner noch um Verzeihung, wenn wir ihnen zumuten, bisweilen auch noch die Ruhe der Nacht dem allgemeinen Wohle der Einwohnerschaft zu opfern.

(Bayreuther Tagblatt, 1862)

Auch die Stadtvertretung betonte, dass sie auf ihre Feuerwehr stolz ist und alle Ursache dazu hat. „Sie ist dankbar und wird es in Zukunft auch bleiben.“

Ein weiterer Höhepunkt war die Einweihung eines Steigerturms, der am 29. Oktober 1865 an die Dammallee-Turnhalle angebaut wurde. Dort, wo heute das Richard-Wagner-Gymnasium seien Sportanlagen unterhält.

Foto: Stephan Müller

Auch im Krieg im Einsatz

Ein Jahr später wurden die Turner sogar als Sanitäter aktiv. Im bayerisch-preußischen Krieg von 1866 transportierten sie „aus dem Schlachtfeld bei Seybothenreuth die unglücklich schwer Verwundeten ab“ und während des Krieges 1870/71 bildeten 140 Mitglieder ein freiwilliges Turnerhilfskorps, das den „Transport der Verwundeten vom Bahnhof in die drei Bayreuther Spitäler“ übernahm.

Zu Beginn des Jahres 1889 rief der praktische Arzt Dr. Hess auch offiziell eine „Sanitätsabteilung“ ins Leben:

Sie hielt ihre erste Instruktionsstunde am 7. Februar ab. Hierauf spielte unsere Vereinskapelle.

Der Verein führte nun 75 Jahre lang den Namen „Turnverein und Freiwillige Turnerfeuerwehr von 1861“. Erst im Zuge der Neuordnung des Feuerwehrwesens im Jahr 1935 wurde die Turnerfeuerwehr in die Freiwillige Feuerwehr übergeführt. Am 26. Juni 1935 wurden die Feuerwehren mit dem Inkrafttreten des Luftschutzgesetzes amtlich in den Gesamtaufbau des zivilen Luftschutzes eingegliedert und wurden später eine „Hilfspolizeitruppe“ unter staatlicher Aufsicht.

Foto: Stephan Müller

Eine Anekdote noch zur Feuerwehr:

Im März 1835 wurde durch den Magistrat eine „Instruktion für Feuer-Rettungs-Gesellschaft“ beschlossen. In diese Rettungs-Compagnie wurden unter anderen sämtliche Schreinermeister mit ihren Gesellen, sämtliche Auf- und Ablader, sämtliche Müller mit ihren bespannten Mühlwagen, alle Glaser- und Schlossermeister verpflichtet.

Wenn diese sich im Brandfall durch schnelle Hilfe, Anstrengung oder Geistesgegenwart auszeichnen, würden sie belohnt und öffentlich gelobt, während die „Vorsteher“ um Sophian Kolb und F. C. Dilchert „weder Lohn noch Lob zu erwarten“ hätten:

Ihnen genüge das Bewußtseyn treuerfüllter Bürgerpflicht und die Ehre, einem Verein anzugehören, der Achtung und Zutrauen verdient!

Vorsicht vor Streichhölzern!

Dabei war die Feuergefahr immer gegenwärtig: Am 11. Mai 1854 wies der Stadtmagistrat darauf hin, dass „der Gebrauch der in neuerer Zeit aufgekommenen Zündhölzchen, welche durch bloßes Aufstreichen oder Überfahren einer rauhen Fläche oder Reibung zwischen Sand-Papieren sich entzünden, mit besonderer Feuers-Gefährlichkeit verbunden ist.“

In weiteren vier Paragraphen wird mit einer „entsprechenden Arreststrafe“ oder Geldstrafe gedroht, wenn derartige Reibfeuerzeuge an Kinder unter 14 Jahre verkauft oder nicht vorschriftsmäßig in verschlossenen Behältern aus Stein, Metall oder Thon aufbewahrt werden. Die Notwendigkeit einer neuen Feuerwehr wurde endgültig am 23. Februar 1858 deutlich, als man „beim jüngsten Brande im militärischen Krankenhause zu St. Georgen eine „unliebsame Wahrnehmung“ gemacht hat:

Obwohl dieser Brand durch Zusammenläuten der Glocken auf den Thürmen zu St. Georgen zur Kenntniß der dortigen Einwohner gebracht worden war, doch nur Einzelne, äußerst wenige Personen sich angeschickt haben, zur Löschung des Brandes beizutragen und daß viele Personen zur Beischaffung von Feuerlöschrequisiten aufgefordert, dies zu thun sich geweigert und unter ungeeigneten Äußerungen sich in ihre Wohnungen zurückbegeben haben.


Text und Fotos: Stephan Müller


 

Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es hier beim bt. Die Geschichte der Bayreuther Feuerwehr hat Müller ursprünglich für die Jubiläumsschrift 150 Jahre Bayreuther Turnerschaft im Jahr 2011 verfasst.