In Folge 2 von Gessn werd dahaam begibt sich Christoph Scholz auf die Suche nach dem perfekten Senf.
Foto: Christoph Scholz
Nachdem Bäckermeister Thomas Zimmer mich am Ende von Folge 1 von „Gessn werd dahaam“ mit dem guten Gefühl entließ, dass ich für unsere Hot-Dog-Grillparty im Sommer auf Kartoffelbrötchen-wie-man-sie-nur-in-den-Staaten-findet aus seiner Backstube zählen kann und er mir obendrein noch den zusammengestellten Brotkorb geschenkt hatte, fuhr ich zum Supermarkt, um Wurst und Senf für eine spontane Brotzeit zu
kaufen.
Thomas Zimmer mit Brotkorb. Foto: Christoph Scholz
Der Senf, den ich wählte, war natürlich der Mittelscharfe von Siebenstern aus Oberkotzau, einem Dörfchen bei Hof. Sein mittelscharfer Senf sei so gut und so mild, dass sogar kleine Kinder ihn gerne löffelten und er deshalb auch „Löffelsenf“ genannt werde, erzählt mir Siebenstern-Chef Ingo Merbach später beim Interview.
Das mit dem Hot-Dog-Senf ist so eine Sache, denn eigentlich gibt es zum sehr fein vermahlenen, quietschgelben „American Mustard“ keine wirkliche Alternative. Weil der Ami-Senf bei uns nun aber mal nicht hergestellt wird, muss eine andere Lösung her und da kommt für mich nur der Senf von Siebenstern in Frage. Ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich ein bisschen süchtig nach Senf, Saurem, Eingelegtem bin und meinen Senf eigentlich fast überall dazugebe, nicht nur beim Kochen.
Siebenstern: Frisches aus Franken; Foto: Christoph Scholz
Nach Oberkotzau wird die Alte Lady, unser Mercedes-Oldtimer, mit dem ich zu den Interviews für diese Kolumne fahre, etwa eine Stunde brauchen. Für längere Fahrten lade ich immer Musik aufs Handy, denn die Alte Lady hat zwar noch ein originales Autoradio der Marke „Becker Europa Cassette“, aber der Radioempfang funktioniert nicht mehr, und wir nennen nur noch eine einzige uralte Kuschelrock-Kassette unser eigen, die erstens furchtbar leiert und die mir, zweitens, wie Bandsalat zu den Ohren raushängt. Für längere Fahrten stelle ich daher immer einen Bluetooth-Lautsprecher in die Mittelkonsole.
Maximilian, Christoph und Konstantin Scholz mit ihrer Alten Lady. Foto: red
Die Alte Lady wurde im Dezember 1980 erstmals in Hamburg zugelassen. Ob das „Becker Europa Cassette“ damals, als es noch Radiowellen empfangen konnte, im Norddeutschen Rundfunk immer mal einen der Hits von The Carpenters spielte? Die Lady wird sich, so male ich mir aus, bestimmt freuen, dass ich für die Fahrt nach Oberkotzau „Carpenters with the Royal Philharmonic Orchestra“ runtergeladen habe. Eine Platte, für die Richard Carpenter in den berühmten Londoner Abbey-Studios mit dem Royal Philharmonic Orchestra die großen Hits, die er in den 70er und 80er Jahre mit seiner Schwester Karen hatte, vor Kurzem neu eingespielt hat. „Yesterday Once More“, einer der größten Hits der beiden Geschwister, ist das ideale Motto für diese Fahrt, auf der mich mein ältester Sohn Konstantin begleitet, der die Senfleidenschaft von mir geerbt hat.
Ingo Merbach ist der Urenkel von Max Jackstädt und Geschäftsführer der Jackstädt GmbH & Co. KG Senf- und Konservenfabrik. 1927 begann Max Jackstädt in Hof mit Südfrüchten und Kolonialwaren zu handeln, bald darauf auch mit Sauerkraut, Gurken und Senf. Die Merbachs haben das allererste Senfrezept vom Urgroßvater kürzlich behutsam modernisiert und
bieten diese Sorte nun exklusiv im Werksverkaufsladen, wo auch noch drei alte Obstkisten aus den Gründerjahren stehen, an. Schon als Bub half Ingo Merbach im Betrieb mit, „von der Produktion, übers Lager, einfach alles“.
Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann und seiner Bundeswehrzeit entschloss sich Ingo Merbach, in den väterlichen Betrieb
einzusteigen, „weil es ja nicht angegangen wäre, dass die Leute in Oberfranken keinen Siebenstern-Senf mehr gehabt hätten“. Seinen ersten Senf stellte Max Jackstädt noch mit Zucker und Branntwein her, heute haben sich viele Zutaten geändert und die Firma stellt immer wieder neue Sorten her, zurzeit sind sechs verschiedene im Sortiment. Merbach
schaut immer mal wieder in Max Jackstädts altes Rezeptheftchen, aber „die meisten Rezepte sind im Kopf“. Die Qualität spricht sich rum, der süße Siebensternsenf stand sogar im Hofbräuhaus in Las Vegas auf den Tischen.
Warum eigentlich Siebenstern-Senf? „Mein Urgroßvater liebte seine Heimat“, und so habe er seine Marke „Siebenstern“ genannt, nach der geschützten Blume, die im Fichtelgebirge wächst, wo sogar Straßen nach ihr benannt sind oder die Vereinszeitung vom Fichtelgebirgsverein.
Siebenstern-Senf
Max Jackstädt Original, Mittelscharfer Senf, Bio-Senf, zwei süße Senfe und sogar eine extra scharfe Sorte gibt es. Ich werde für die Hot Dogs einfach mal alle ausprobieren. Die Alte Lady schaukelt gemütlich gen Bayreuth. Wir hören die Carpenters nochmal von vorne.
Die Höhen des Fichtelgebirges ziehen an uns vorbei und wir fühlen uns dabei wie auf dem „top of the world …“ (… lookin‘ down on creation/ And the only explanation I can find/Is the love that I’ve found ever since you’ve been around/Your love’s put me at the top of the world). Konstantin und ich haben etwas Appetit bekommen und wir überlegen, ob wir bei einem der bekannten Burgerbrater (noch ein Tipp: bestreichen Sie Ihre Hackfleisch-Patties immer mit Senf vor dem Braten) an der Autobahn kurz Rast machen. Aber das geht ja nicht. Denn: Gessn werd dahaam.
Christoph Scholz ist 45 Jahre alt und Familienvater. Sein Geld verdient er als Projektleiter bei Semmel Concerts. Privat beschäftigt er sich gerne mit den Themen Essen, Trinken, Kochen, Gastronomie und Hotellerie.
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