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Das haben Kaiserin Sisi und Cosima Wagner gemeinsam

Am Sonntag, dem 24. Dezember 1837, kamen an ein und demselben Heiligen Abend zwei Mädchen zur Welt, die später beide weltberühmt wurden, sich auch begegneten und beide einen Bezug zu Bayreuth haben. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt zurück.


Christ- und Sonntagskind

Cosima, spätere Ehefrau von Richard Wagner, und Elisabeth, genannt “Sisi”, Kaiserin von Österreich sind die beiden Christkinder. “Sisi” ist ein paar Stunden älter: Elisabeth kam um die Mittagszeit um Viertel vor elf Uhr im Herzog-Max-Palais in München zur Welt. Ihre Eltern waren Herzog Max Joseph I. in Bayern und Prinzessin Ludovika, Tochter von König Max Joseph.

Cosima wurde erst kurz vor Mitternacht, gerade noch am 24. Dezember 1837, am Comer See geboren. Sie war die zweite nichteheliche Tochter des damals schon berühmten Franz Liszt und der Gräfin Marie d´Agoult.

Cosima Wagner. Foto: Stephan Müller

An dieser Stelle sein angemerkt, dass sehr oft der 25. Dezember als Cosimas Geburtstag genannt wird. Dies liegt an Cosimas Tagebuch-Einträgen, in denen sie ihre Geburtstagsfeiern am ersten Weihnachtsfeiertag beschreibt. Grund dafür war, dass der Heilige Abend nicht ihr, sondern das “Fest” für die Kinder sein sollte.

Beide “Sonntagskinder” haben mit Bayreuth zu tun

Cosima Wagner lebte bekanntlich als Ehefrau und spätere Witwe von Richard Wagner fast 60 Jahre in Bayreuth. Auch “Sisi” hat eine “Beziehung” zu Bayreuth. Ihr Großvater väterlicherseits lebte fast zwei Jahrzehnte bis zu seinem Tod in Bayreuth, dabei in den Sommermonaten vornehmlich in der Eremitage. Es handelte sich um Herzog Pius von Bayern, der von den Bayreuthern nur der der “Klausner-Pius aus der Eremitage” genannt wurde.

Begegnung in Bayreuth

Die beiden Damen sind sich auch in Bayreuth begegnet. Sisi war die Cousine von König Maximilian II., dem Vater des großen “Festspielförderers” Ludwig II. Sisi und Ludwig waren sich sehr ähnlich. Sie verabscheuten höfische Zwänge, lasen fast täglich Bücher und liebten die Musik Richard Wagners.

Am 26. Dezember 1862 dirigierte Richard Wagner im Beisein der Kaiserin Elisabeth sein erstes Konzert im “Theater an der Wien”. Auf dem Programm standen das Vorspiel und zwei Szenen aus den “Meistersingern” sowie “fertige” Teile des “Rings”. Vor allem nach dem “Walkürenritt” wurde schon während des Konzerts gejubelt.

Als Richard Wagner am Ende die Bühne betrat, brach ein langer ungeheurer Beifall los. Kaiserin Elisabeth beugte sich unter den erstaunten Blicken der Besucher applaudierend aus der Loge. Mit ergeben ausgebreiteten Armen dankte der Meister für diese besondere – selten erlebte – Huldigung, die Erzherzogin Sophie sogar eine Eintragung in ihr Tagebuch wert war.

Begeisterung pur

Die Kaiserin Elisabeth war offenbar von der Musik derart begeistert, dass sie im Januar 1863 drei weitere Konzerte mit Richard Wagner besuchte. Das war bereits mehrere Monate bevor Ludwig II. Richard Wagner in München erstmals begegnete und ihn zu seinem Hofkapellmeister berief (4. Mai 1864) und bevor Richard und seine spätere Frau Cosima im Haus Pellet am Starnberger See endgültig ein Paar wurden (29. Juni 1864).

Franz Xaver Winterhalter schuf 1865 das wohl bekannteste Ölgemälde von Kaiserin Elisabeth von Österreich mit den “Edelweiß-Sternen” im Haar.

In Erinnerung an den 1886 verstorbenen Ludwig II. reiste Sisi auch nach Bayreuth, um im Sommer 1888 einer -von Cosima Wagner szenisch geleiteten – “Parsifal”-Aufführung im Festspielhaus beizuwohnen.

Auch hier war ihre Reaktion auf die Musik gefühlvoll:

Es ist etwas von dem man wollte, dass es nie endet, dass es immer so fortgeht.

Ihre Tochter, Erzherzogin Valerie, schrieb: “Mama war so entzückt, dass sie den Kapellmeister Mottl und die Darsteller des Parsifal und Amfortas zu sehen wünschte … ihre unpoetischen Erscheinungen nahmen etwas von der Illusion.”

Natürlich sprach die Kaiserin auch ausführlich mit Cosima Wagner, vor allem natürlich über Ludwig II., Sisis Neffen zweiten Grades. Cosima betonte die Ähnlichkeit von Ludwig und Sisi und sagte später zu Elisabeths Nichte Amélie, dass sie noch nie solche Ergriffenheit gesehen habe, “wie bei Tante Sisi nach dem ‘Parsifal'”.

Vierhändig am Klavier

Sicherlich werden sich Festspielleiterin und die Kaiserin auch über private Dinge unterhalten haben und es wird bestimmt von Cosimas Vater Franz Liszt, der damals vor zwei Jahren verstorben war, die Rede gewesen sein.

Als sich Kaiserpaar am Pfingstsamstag, dem 8. Juni 1867 in der Matthiaskirche von Budapest zum König und zur Königin von Ungarn krönen ließen, ertönte die “Krönungsmesse”, die Liszt eigens für diese Zeremonie komponiert hatte. Auch ist verbrieft, dass Sisi mit dem Klaviervirtuosen, der eine Kultfigur des damaligen europäischen Musiklebens war, vierhändig Klavier spielte.

Kein Thema war mit Sicherheit Lola Montez gewesen sein, die aber auch in beiden Familiengeschichten eine Rolle spielte.

Sanierung für 20.000 Gulden

Die damals 25-jährige verruchte Tänzerin war ab Oktober 1846 die Geliebte von Sisis Onkel, dem 60-jährigen Königs Ludwig I. Der Bayernkönig verliebte sich unsterblich in Lola Montez und änderte schon im November 1846 sein Testament zu ihren Gunsten. Wenige Tage später erwarb der Monarch für die Tänzerin ein Palais in der Barerstraße, das er für 20.000 Gulden sanieren ließ. Viele weitere Peinlichkeiten um Lola Montez, die beim Volk für viel Unruhe sorgten, trugen schließlich maßgeblich zum Rücktritt von Ludwig I. im Jahr 1848 bei.

Pikante Liebschaften

Auch der von den Frauen umschwärmte Franz Liszt hatte im Februar 1844, also vier Jahre vor Abdankung des bayerischen Königs, eine Liebschaft mit der rassigen Tänzerin. Lola lernte Liszt nach einem Konzert entweder am 24. Februar in Dessau oder am 25. Februar in Köthen kennen. Sicher ist, dass sie ihn nach seinem Konzert nach Dresden begleitete.

Pikant ist, dass sich der Pianist dieser Affäre offensichtlich nur mit Mühe wieder entziehen konnte. Man erzählte sich, dass Liszt Lola Montez im Hotelzimmer bereits am 29. Februar eingesperrt haben soll. Zumindest sprach sich herum, dass der Portier die Anweisung bekam “die Tobende erst zwölf Stunden nach seiner Abfahrt freizulassen”. Dafür hinterlegt Liszt vorsorglich einen “ansehnlichen Betrag” für das vermutlich demnächst zertrümmerte Mobiliar.

Nein, über diese Frau werden sich die beiden “Sonntagskinder” sicher nicht unterhalten haben ….


Text: Stephan Müller


Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.


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Kunst, Humor und Freundschaft – das sind die Niederländter

Sie freuen sich auf ihren Festakt am 21. März 2020. Dann feiern die “Niederländter” ihr 150-jähriges Bestehen. Der Männerbund wurde vor 150 Jahren, am 7. Februar 1870, gegründet. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt auf die Geschichte der Niederländter zurück.


Einer der Höhepunkte der Feier zum 150. Geburtstag ist die Enthüllung eines Denkmals auf der Mainüberdachung, in direkter Nähe zur alten, im Krieg zerstörten, Kaserne: Ein großer Lindwurm, das Wappentier der Niederländter. Die Gesellschaft hat die Skulptur durch den Künstler Manfred Reinhart aus Rauhenebrach-Untersteinbach gestalten lassen und der Stadt Bayreuth geschenkt. Sie stellt das Symbol, den “Lindwurm” dar, so wie ihn von Nagel als den Bewacher des Niederländter Schatzes, der Pflege von Kunst, Humor und Freundschaft, ersonnen hat. Der Hauptausschuss des Stadtrates hat die Schenkung der rund 2,50 Meter hohen und drei Tonnen schweren Plastik im November mit großer Mehrheit angenommen und damit die Aufstellung der Skulptur genehmigt.

Ludwig von Nagel bzw. Adrian van Os. Foto: Stephan Müller

 Gründung der “Schwaabengesellschaft”

Im Jahr 1868 gründete Ludwig von Nagel, Oberleutnant des 6. Chevaulegersregiment in Bayreuth mit einigen Freunden die “Schwaaben­gesellschaft”. Der Name kam von den Wirtsleuten Schwaab, in deren Gaststätte sich die Männer regelmäßig trafen.

Es dauerte aber nicht lange, bis von Nagel und einigen Freunden der Ton bei den “Schwaaben” zu rau wurde. So trafen sich die Männer erneut, um “auf gepflegterer Ebene einen neuen Bund” zu gründen. Am 7. Februar 1870 kamen im Gasthaus “Zur Sonne” in der heutigen Richard-Wagner-Straße elf Männer zusammen, die unter dem Motto “Froh’ Gemüt, geschickte Hand” eine frohsinnige, keinesfalls elitären, aber geistvollen und vielleicht auch selbstironischen Bund ins Leben zu rufen. Neben dem Frohsinn sollten das Maltalent, das Musizieren, eigene Gedichte oder das Basteln im Mittelpunkt stehen. Beruf, Alltag und Politik blieben bei den Zusammenkünften ausgespart.

Foto: Stephan Müller

Nun fehlte nur noch ein Name für den Männerbund. Ludwig von Nagel, der auch ein begabter Kunstmaler war, erinnerte sich an ein Buch, das ihm zufällig in die Hände fiel. Ein Buch, das die Geschichte der altniederländischen Maler und Malergilden zum Thema hatte. Dabei kam ihm der Gedanke, dass doch seine musikalisch oder künstlerisch veranlagten Freunde sehr viel mit den niederländischen Gilden gemein haben.

“Froh’ Gemüt, geschickte Hand, Rathsherr und Lump, Hoch Niederlandt!”

Und so gaben sich die Männer der neuen Gesellschaft den Namen: “Societät der Niederländter”und “Mahlkasten”. Am Schluss der Veranstaltung wurde Ludwig von Nagel im Kreise der elf “Ur-Mynherrn” zum Vorsitzenden gewählt. Der Wahlspruch lautete nun: “Froh’ Gemüt, geschickte Hand, Rathsherr und Lump, Hoch Niederlandt.”

Ludwig von Nagel erhielt den niederländtischen Namen Adrian van Os, seine Freunde hießen van Dow, van Potter oder van Honthorst. Als Erkennungsruf hallte fortan “VAN” durch die Versammlungsstätten. VAN wie “vivat amicitia nostra”, “Es lebe unsere Freundschaft.”

Im Protokoll heißt es, dass sich “am 7. Februarius 1870, als dem Tag des Sankt Romuald bei gar kaltem Ostwind elf Stück der Niederländter versammelten. Sie aßen gesottenen Fisch neben welschem Salat. Es wurden viele Reden getan und Hochs ausgebracht, auch auf dem Spinett gar zierlich gespielet und man hat sich erlustieret bis gen Mitternacht.”

Foto: Stephan Müller

Die glückliche Zeit währte allerdings nicht lange. Der deutsch-französische Krieg 1870/71 rief die Soldaten in das Feld, viele Offiziere wurden versetzt, so dass der die Treffen des “Mahlkasten” ab 1874 nicht mehr stattfinden konnten. Im Jahr 1876 gründeten einige “Niederländter”, die früherdem Bayreuther “Mahlkasten” angehörten, eine eigene Societät in Würzburg.

Durch die Kriegswirren, die zahlreichen Versetzungen und wohl auch dadurch, dass Richard Wagner die Bayreuther von seinem Erscheinen im Jahr 1871 bis zu seinem Tod 1883 in seinen Bann zog und die “Richard-Wagner-Verbände” starke Mitgliederzuwächse hatten, erlebten die Niederländter in Bayreuth dagegen eine längere Durststrecke.

Bayreuth ist Niebelungenreuth

So kam es am eigentlichen Gründungsort erst nach Wagners Tod im Februar 1885 wieder zu einer Neugründung. Die neue Bayreuther Societät wurde selbst “Urstätt” getauft, der Sitz wurde als Hommage an Richard Wagner “Niebelungenreuth” genannt, das Wappentier der Lindwurm.

Die Societät traf sich zunächst in der “Sonne”, später in der Restauration “Angermann”, also der früheren Lieblingswirtschaft von Richard Wagner, die 1891 dem Neubau des Postgebäudes (heute Kanzleistraße) weichen musste. So zog es die Niederländter unter anderem in die Mainstraße in das Lokal “Preßlein”, das später als der “Frühhaber” oder das “Podium” zum Begriff wurde. Dann trafen sie sich über 60 Jahre in der Alexanderstraße, ehe nun vor ein paar Jahren das Prinzessinnenhaus in St. Georgen das neue Domizil wurde.

Foto: Stephan Müller

Zwei Bürgermeister waren Niederländter

Berühmte Bayreuther Niederländter früherer Jahre waren die Bürgermeister Leopold Casselmann als “Lukas van de Capelle” (1886) und Albert Preu (1898) als “Allart van Putterhoek”.

Ausgehend von Bayreuth und Würzburg erfuhr Niederlandt in Bayern und den damals zu Bayern gehörenden Gebieten eine weite Verbreitung. Heute gibt es über 400 “Niederländter” in 20 Städten in Bayern, der Pfalz und in Bonn. Der Gründungsort, die Urstätte bleibt aber Bayreuth, in der Sprache der Niederländter “Die Urstätt in dembe Niebelungenreuth”. Der Sinn und Zweck der Zusammenkünfte blieb über die fast 150 Jahre gleich. Auch heute treffen sich die Niederländter meist zweimal im Monat in ihrem urigen ,,Lokälyn“, um zu dichten, zu malen, zu musizieren und um die Geselligkeit zu pflegen. Unter anderem in Hallstadt (Geuszkanne in deme Babinbergh), Regensburg (Bruck´n ze Regansbourigh), München (Krug in der Mönchstätt), Nürnberg (Treekschuyten ze Norimberghe) oder in Landau/Pfalz (Hoogschans zu Landawen) Soziätäten.

Jährliche Treffen in Pappenheim

Höhepunkte im Jahreslauf der Niederländter Societäten sind in den letzten Maitagen das Treffen aller Niederländter zur “Großen Weltumsegelung” im festlich geschmückten Städtchen Pappenheim an der Altmühl und das traditionelle familiäre Weinfest Anfang September in Landau in der Pfalz.

Zahlreiche Herrengesellschaften

In Bayreuth gibt es neben den “Niederländtern” mit den “Wilden Indianern”, den vom damaligen Oberbürgermeister Hans Walter Wild gegründeten “Braunbierrittern”, dem “Orden des Waldvogels” oder der “Schlaraffia” immer noch mehrere Herrenbünde, die sich allesamt kreativ – und oft unbemerkt von der Bayreuther Bevölkerung – selbst auf die Schippe nehmen: Jenseits von hektischem Alltagsgewühl und strapaziösen Freizeitzwängen schaffen sie sich ein “Gegenreich” unbeschwerter Lebensfreude.

Foto: Stephan Müller

Älteste Herrengesellschaft in Bayreuth

Die 1870 gegründete “Societät der Niederländter” ist heute jedoch die älteste Herrengesellschaft in Bayreuth. Auch wenn zu den Treffen in “Niederlandt” Damen nicht zugelassen sind: Die Herren freuen sich, dass dies von den “Mynfrauen” toleriert wird. Dafür bedanken sich die Niederländter mit der “Mynfrauenwacht”, die dann in besonders festlichem Rahmen begangen wird.


Text: Stephan Müller


Hans Walter Wild: “Ich liebe es, in die Berge zu sch…”

Hans Walter Wild galt als ein glänzender Redner mit viel Überzeugungskraft. Anlässlich seines 100. Geburtstags am 27. November hat der geschichtsinteressierte Stephan Müller in den Geschichtsbüchern gestöbert und die besten Reden Wilds herausgesucht. Dabei ist er auch auf einen großen Fauxpax des Rhetorikers gestoßen.


Rede in Bayreuth: Oh lala!

Da saß Bayreuths Oberbürgermeiser nun in trauter Runde mit Stadträtinnen und Stadträten aus der neuen Partnerstadt Annecy und parlierte auch ein wenig in französischer Sprache.

Thema war das nahe Fichtelgebirge mit den Wintersportorten Warmensteinach und Bischofsgrün oder die Skipisten auf dem Ochsenkopf. Der Oberbürgermeister wollte der Runde mitteilen, dass er es liebt in den Bergen Ski zu fahren und sagte also:

I`aime chier dans les montagnes

Auch wenn das französische Wörtchen “chier” auf dem Papier dem Wörtchen “Schier” sehr ähnlich sieht und auch ein wenig ähnlich klingt: “Chier” heißt im Französischen nun einmal “scheißen”. Hans Walter Wild teilte seinen verwunderten Zuhörern also mit, dass er es liebt, in die Berge zu “sch …”.

Hans Walter Wild mit den ersten “Politessen” in Bayreuth. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Eine französische Stadträtin kommentierte die von Hans Walter Wild ausgesprochene Vorliebe nach einer wohl gesetzten Pause mit einem tiefen: “Oh lala la!”

Hans Walter Wild: Zitate aus seinen Reden

Es ist wohltuend, dass solch ein “Fauxpas”, der nach der Richtigstellung des anwesenden Übersetzers an diesem Abend für Stimmung sorgte, auch einem Mann wie Hans Walter Wild passieren kann. Ein weiteres “Fettnäpfchen” ist uns auch nicht bekannt. Denn Hans Walter Wild war ein hervorragender Redner, der es in Sekundenschnelle verstand, sich auf seine Zuhörer, egal ob auf Politikprominenz, Bankdirektoren, einem Kegelclub oder bei einer Faschingsnarren, mit den richtigen Worten einzustellen.

Hier einige interessante Zitate aus seinen Reden und Interviews:

Es ist ermutigend, aber auch menschlich erhebend, dass wir 20 Jahre nach Beendigung dieses furchtbaren Krieges mit den Vertretern Annecys zusammen sein dürfen, um mit ihnen gemeinsam der Vergangenheit zu gedenken und mit ihnen über die Zukunft zu sprechen. (23.7.1966 zum Festakt der Städtepartnerschaft Bayreuth-Annecy)

Richard Wagner und Bayreuth – eines hat das Bild des anderen mitgeprägt. Ohne Bayreuth und seine Bürger wäre Wagners Festspielidee vielleicht nie und nirgends Wirklichkeit geworden, hätte der Name Richard Wagner nicht die volle theatergeschichtliche Bedeutung erreicht, die er heute hat. Aber ohne ihn, ohne seine Festspiele, wäre Bayreuth nicht Bayreuth. (23. Juli 1976).

Die Erfolge der Sportler der DDR kommen nicht nur aus der Küche des Staatssports mit seinen Möglichkeiten und Vorteilen. Sie sind auch getragen vom Selbstbewusstsein der Frauen und Männer aus dem Osten Deutschlands. Während wir in der Bundesrepublik Deutschland darauf verzichten, dass die eigene Fahne gezeigt und die Nationalhymne gespielt wird, bildet das Nationalbewusstsein der DDR, in übersteigerten Maße produziert, den Motor großartiger und ungewöhnlicher sportlicher Leistungen. (…). Auch wir Deutsche haben ein Recht auf dieses gesunde Selbstbewusstsein, ja ich meine sogar, wir haben auch die Pflicht zu solchem Selbstbewusstsein, wenn wir mit unseren westlichen Brudervölkern in einem künftig vereinten Europa bestehen wollen. (5. November 1968 zum Empfang der Schwimmerin Heidi Reineck, die in Mexico City Bronze gewann)

Mit seinen Hunden verbrachte Hans Walter Wild seinen Lebensabend in seinem Wohnsitz auf dem Gut Grunau. Foto: Stephan Müller

Mainz wie es singt und lacht, ist nicht Bareith, wie es schläft bei Nacht, und ein hiesiger Faschingsball ist noch lange kein rheinischer Karneval. Trotzdem keine Spur von Neid: Denn Köln ist zwar Köln, aber Bareith bleibt Bareith! Und wenn sie dort jubeln ihr “helau – alaaf”: Mir bleibn do Schwarz-Weiß und raunzen: “Awaaf!” (9. Januar 1978)

Wir lehnen es ab, auf die Dauer immer neue weiterführende Schulen zu bauen und auf unsere Kosten Schüler auszubilden, die zwangsläufig in die Ballungsräume auswandern, weil es die für sie geeigneten, qualifizierten Arbeitsplätze in Oberfranken nicht mehr gibt … Wir wollen nicht zu einem Altersheim der Bundesrepublik werden. Wir wollen die Kraft unserer noch unverbrauchten Jugend nicht ständig an andere abgeben, die sich spät darauf besinne, dass in Oberfranken die Luft rein, das Wasser sauber und das Klima nicht rauh, sondern gesund ist… (6. Juni 1969)

Hans Walter Wild: Der streitbare Vollblutpolitiker

In Teil 14 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Hans Walter Wild, der Bayreuth sportlich und wirtschaftlich weit voran brachte.


Zweiter Oberbürgermeister nach dem Krieg

Als Nachfolger von Hans Rollwagen war Hans Walter Wild der zweite Oberbürgermeister nach dem zweiten Weltkrieg. Wild wurde am 27. November 1919 in Würzburg geboren. Im Jahr 1939 begann er in seiner Heimatstadt das Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studieren, ehe er schon 1940 als Soldat an die Ostfront und nach Afrika eingezogen wurde.

Als Kompanieführer geriet er 1943 in Kriegsgefangenschaft und kehrte erst 1948 zurück. Er setzte sein Studium in Würzburg fort und trat 1953 nach dem juristischen Staatsexamen in den Dienst der Stadt Bayreuth. Als SPD-Oberbürgermeisterkandidat setzte er 1956 gegen den renommierten Gegenkandidaten Dr. Fritz Meyer I. von der Bayreuther Gemeinschaft durch. Er war bis 1988 über drei Jahrzehnte Bayreuther Stadtoberhaupt.

Hans Walter Wild im Jahr 1961. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Der damalige Regierungspräsident Wolfgang Winkler lobte ihn am 31. Mai 1978 zum zwanzigjährigen Dienstjubiläum mit folgendem Zitat:

Seine Telefongespräche am Abend um halb sieben erschrecken mich immer derart, dass ich meiner Frau sage, der Wild ruft mich noch an, es dauert noch etwas länger mit dem Abendessen heute.

Wild war ein Oberbürgermeister, der seiner Stadt verpflichtet ist, der seine Stadt zu seiner Stadt gemacht hat, der hart und energisch sein kann, oft erschreckend durchsetzungsstark nach außen und innen. Auf der anderen Seite weich, empfindsam und gefühlvoll bis zu den Tränen rührbar, wenn es an das Innere geht. Winkler weiter:

Die Stadt Bayreuth ist ein Teil von Oberfranken, in seinen Augen ist Oberfranken die Umgebung von Bayreuth, Hof ist ein Vorort, Pegnitz eine Brücke zu Erlangen, und Nürnberg nicht etwa die heimliche Hauptstadt von Nordbayern, sondern in Wirklichkeit eine Trabantenstadt von Bayreuth. Ich wollte damit vielleicht etwas launig sagen: seine Stadt Bayreuth ist seine Stadt.

 

Wild holte die Uni nach Bayreuth

Hans Walter Wild hat sich mit der Entwicklung der Stadt einen unvergessenen Namen gemacht. Der streitbare “rote” Vollblutpolitiker erkämpfte im “schwarzen” Bayern für Bayreuth im Konkurrenzkampf mit anderen oberfränkischen Städten die Ansiedlung einer Universität, setzte sich für den Bau der Bundeswehrkaserne und der BGS-Kaserne auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes in Laineck ein und konnte durch die Vergrößerung des ersten Bayreuther Industriegebiets in St. Georgen viele neue Betriebe für Bayreuth gewinnen. Dadurch gelang es ihm, die Bevölkerungszahl von rund 61.000 (1956) auf 72.000 Einwohner (1988) und die Bedeutung der Wagnerstadt zu steigern.

Steckenpferd Sport

Nicht ohne Kritik blieb (allerdings erst aus heutiger Sicht) der Bau des Stadtkernrings mit der Mainüberdachung oder der Bau des Neuen Rathauses, weil beiden Projekten einige historische Gebäude zum Opfer fielen.

Sein ganz besonderes Steckenpferd war der Sport. Vor allem durch den Sportstättenbau wie das Städtische Stadion, das in “Hans-Walter-Wild-Stadion” umbenannt wurde, des Eisstadions, des Sportzentrums oder der Oberfrankenhalle schuf er in den 70er und 80er Jahren die Voraussetzungen, dass die Bayreuther Fußballer bis an das Tor der höchsten Spielklasse (die SpVgg scheiterte 1979 erst in den Bundesligaaufstiegsspielen gegen den FC Bayer 05 Uerdingen) anklopften.

Manfred Kreitmeier und Hans Walter Wild. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Das SVB-Eishockeyteam spielte ein Jahr in der höchsten Spielklasse, die Tischtennisspieler von Steiner Optik spielten in Bundesliga und Europapokal und die Bundesliga-Basketballer wurden sogar deutscher Meister und zweimal deutscher Pokalsieger. Ein derart komprimierter Sportpark, wie ihn Hans-Walter-Wild in Bayreuth schuf, dürfte es nur in wenigen vergleichbaren Städten geben.

Glänzender Redner mit Überzeugungskraft

Wild galt als “ein Meister im Zusammenfassen aller eigenen und Ausnützen aller Fremdhilfen”. Durch seine „Schubladenprojekte“ war er seinen Konkurrenten meist die entscheidende “Nasenlänge” voraus. Er schrieb keine Denkschriften, sondern stand in München persönlich auf der Matte: Wenn er vorne rausgeschickt wurde, kam er hinten wieder rein. Und: Er galt als glänzender freier Redner, der sich wie kein Anderer auf seine Zuschauer – ob Arbeiter oder Akademiker – einstellen konnte.


Text: Stephan Müller

 

Hans Rollwagen: Die Ära der SPD-Bürgermeister beginnt

In Teil 14 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Hans Rollwagen, der die knapp 60-jährige Regierungszeit der SPD in Bayreuth einläutete.


Regierungszeit der SPD beginnt

Von 1948 bis 2006 wurde die Stadt Bayreuth von SPD-Oberbürgermeistern regiert. Dabei waren in diesen bisher 58 Jahren mit Hans Rollwagen (1948 – 1958), Hans Walter Wild (1958 – 1988) und Dr. Dieter Mronz (1988 – 2006) gerade einmal drei Männer im Amt.

Im Zuge der neuen Stadtratswahlen im Jahr 1948 holte die SPD den bewährten Kommunalpolitiker Hans Rollwagen (1892 – 1992) als Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters nach Bayreuth.

Mit 27 Jahren Stadtratsmitglied

Ein idealer Mann für diese schwere Zeit. Der SPD-Politiker gehörte bereits im Alter von 27 Jahren (1919) dem Augsburger Stadtrat an. 1923 wurde er zum ersten Bürgermeister in Neustadt bei Coburg gewählt und ab 1929 Berufsmäßiger Stadtrat in Nürnberg. Im Jahr 1933 bat er um seine Entlassung, weil er nicht mit den neuen Machthabern zusammenarbeiten wollte.

Rollwagen wurde am 14. Juni 1892 in Nördlingen geboren, wuchs aber in Augsburg auf. Er studierte in München, Kiel, Berlin und Würzburg Rechts- und Staatswissenschaften. Zum Beginn des 1. Weltkrieges wurde er einberufen und 1916 vor Verdun schwer verwundet. Erst 1920 konnte er das Große Staatsexamen mit einem glänzenden Ergebnis ablegen.

Im Jahr 1948 wurde Rollwagen noch vom Stadtrat Bayreuth mit einer überwältigenden Mehrheit von 38 von 40 Stadtratsstimmen zum Oberbürgermeister gewählt.

Gründer der GEWOG

Seine ersten Aufgaben im zerstörten Bayreuth sah Rollwagen in einem finanziellen Sparkurs, der Schaffung von Arbeitsplätzen, einer leistungsfähigen Verwaltung und der Linderung der prekären Wohnungsnot. Schon 1949 gründete er aufgrund seiner Erfahrungen als Vorsitzender der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Nürnberg die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft (GEWOG), die preisgünstige Sozialwohnungen schuf.

Ab 1950 sorgte er für eine Erneuerung des völlig unzureichenden Kanalnetzes, ehe er ab 1952 mit der planmäßigen Erschließung des Industriegebietes St. Georgen eine weitreichende Entscheidung für den wirtschaftlichen Aufschwung bewirkte. Darüber hinaus setzte er sich für eine zügige Neueröffnung der Bayreuther Festspiele ein, die ab 1951 für eine schnelle Wiederbelebung der Stadt sorgten.

Trotz CSU-Mehrheit wiedergewählt

Sein riesiges Arbeitspensum des pflichtbewussten und bescheidenen Mannes fand auch bei den Bürgern Anerkennung. Wenngleich er bei der Oberbürgermeisterwahl, die 1953 erstmals seit über zwanzig Jahren wieder von den Bürgern entschieden wurde, ohne Gegenkandidaten antrat, fand er eine überwältigende Zustimmung. Von 1954 bis 1962 war er Präsident des Bezirkstages Oberfranken, dem er bis 1970 angehörte. Eindrucksvoll ist, dass er 1958 trotz einer CSU-Mehrheit wiedergewählt wurde.

Landesweite Beachtung fand Rollwagen 1949 mit dem Entwurf einer neuen Bayerischen Gemeindeordnung (“Bayreuther Entwurf”), der die Zustimmung des Städtetages und der amerikanischen Besatzungsmacht fand und Vorlage der im Jahr 1952 eingeführten Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern war.

Der Inhaber des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland und Ehrenbürger der Städte Bayreuth und Neustadt bei Coburg starb am 29: März 1992 im Alter von fast 100 Jahren in Bayreuth.


Text: Stephan Müller

 

Kauper und Meyer – Die Nachkriegsbürgermeister Bayreuths

In Teil 13 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Joseph Kauper und Oscar Meyer, den beiden Nachkriegsbürgermeistern, die von den Amerikanern eingesetzt wurden.


Von den Amerikanern eingesetzt

Wie der Kaffeehausbesitzer Willi Kröll, der nur wenige Tage von den Amerikanern zum “Burgermeister of the City of Bayreuth” eingesetzt wurde, wurde auch der am 21. Juni 1899 in Bayreuth geborene Dr. Joseph Kauper nach dem Krieg von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt.

Der 45-jährige Jurist machte sich am 24. April 1945 auf dem Weg zum amerikanischen Gouverneur, um eine Reisegenehmigung zu seiner Anwaltskanzlei nach Nürnberg zu beantragen. Oberstleutnant Caroll J. Reilly kommt der politisch unbelastete Mann, der seinen Antrag mit einem fließenden Englisch spricht wie gelegen und macht ihn zum Bayreuther Stadtoberhaupt.

Idealer Mann für den Neuaufbau

Der Jurist tritt sein Amt noch am selben Tage an und verstand es trotz der schwierigen Lage, die Interessen der Stadt zu wahren. Er trat gegenüber der Militärregierung sehr selbstbewusst auf und drohte mit seinem Rücktritt, als die Amerikaner von den Bayreuthern die Ablieferung aller Operngläser und Fotoapparate verlangen. Die Machthaber geben nach, weil sie in Kauper den idealen Mann beim Neuaufbau der Stadtverwaltung sehen. Kaupers Amtszeit dauerte nur sieben Monate. Auf einer Dienstreise verunglückt er in Germersdorf tödlich.

Dem Amt nicht gewachsen

Als sein Nachfolger wurde Dr. Oscar Meyer (1885 – 1954) von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt. Der parteilose frühere Bayreuther Schlachthofdirektor war jedoch den außergewöhnlichen Belastungen des Amtes in der noch immer chaotischen Stadtverwaltung nicht gewachsen.

Gleichzeitig wurde ein Bayreuther Hauptausschuss, dem unter anderem der spätere bayerische Finanzminister Dr. Konrad Pöhner angehörte, eingesetzt. Die ersten Stadtratswahlen fanden am 26. Mai 1946 statt. Von rund 60.000 Einwohnern waren nur rund 22.500 wahlberechtigt.

Der neue Stadtrat wählte Meyer zum Oberbürgermeister und den späteren Ehrenbürger Adam Seeser zum zweiten Bürgermeister. Dennoch regierten noch die Amerikaner. Meyer musste noch täglich beim Militärgouverneur erscheinen um Weisungen entgegenzunehmen.

Im Zuge der neuen Stadtratswahlen im Jahr 1948 holte die SPD den bewährten Kommunalpolitiker Hans Rollwagen als Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters nach Bayreuth. Hans Rollwagen, der im Alter von 27 Jahren ab 1919 in Augsburg schon Stadtrat war, 1923 in Neustadt bei Coburg zum ersten Bürgermeister gewählt wurde und von 1929 bis 1933 berufsmäßiger Stadtrat in Nürnberg war, wird im nächsten Teil unserer Serie vorgestellt.


Text: Stephan Müller

 

Dr. Fritz Kempfler: Ein Nationalsozialist kapituliert

In Teil 12 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Dr. Fritz Kempfler, einem Nazi der vor den Amerikanern kapitulieren musste.


Nachfolger von Gauleiter Wächtler

Nachdem der unbeliebte Gauleiter Fritz Wächtler mit Dr. Karl Schlumprecht und Dr. Otto Schmidt bereits zwei Bayreuther Oberbürgermeister “verschlissen hatte” setzte er sich im Mai 1938 selbst als Stadtoberhaupt ein. Dies fand nicht die Billigung des Führers, der Wächtler ein Ultimatum setzte.

Schon am 1. Juli 1938 berief er den Eggenfeldener Dr. Fritz Kempfler (1904 – 1985), der als berufsmäßiger Stadtrat in Fürth tätig war, zum neuen Oberbürgermeister. Dem 33-jährige Juristen und Stipendiaten des Maximilianeums gelang es, sich neben dem mächtigen Gauleiter zu behaupten.

Bayreuth wächst

Durch Eingemeindungen zum 1. April 1939 gelang es ihm das Stadtgebiet durch die Eingemeindung von Cottenbach, Crottendorf (heute Bindlach), Oberkonnersreuth, St. Johannis, Colmdorf und Meyernberg zu vergrößern. Die Einwohnerzahl stieg um 2.200 auf rund 45.000 Einwohner. Durch diese Gebietsreform gewann das Stadtgebiet mit rund 1.000 Hektar fast die Hälfte des bisherigen städtischen Grundes dazu. Reichsstatthalter von Epp soll dem NSDAP-Politiker mitgeteilt haben, dass er doch noch “einen kleinen Teil Oberfrankens außerhalb von Bayreuth belassen möge”.

Brand verhindert – Opernhaus gerettet

Kempfler gehörte wohl zu der Kategorie von Nationalsozialisten, die von der Ideologie überzeugt waren, ohne sich völlig fanatisieren zu lassen. In den Beginn seiner Amtszeit fiel die so genannte “Reichskristallnacht” am 9. November 1938. Gauleiter Wächtler weilte zum 15-jährigen Gedenktag des Münchner Hitlerputsches in München, wo Reichsminister Goebbels die Anweisungen für die Vernichtung der jüdischen Synagogen verkündete. In der Bayreuther Ludwig-Siebert-Halle gab es ebenfalls eine Gedenkfeier. Aus München ordnete Wächtler die Vernichtung der Bayreuther Synagoge in der Münzgasse auf.

Oberbürgermeister Kempfler konnte eine Brandlegung wegen der Gefährdung für das angrenzende Markgräfliche Opernhaus verhindern. Dennoch wurde die Einrichtung zerstört oder abtransportiert.

Unterbrechung wegen Kriegsdienst

Kempflers Tätigkeit in Bayreuth wurde immer wieder durch militärische Einberufungen unterbrochen. Im zweiten Weltkrieg wurde er ab 1941 als Leutnant im Luftgaupostamt in Paris und in Frankfurt eingesetzt und ab 1942 als Oberleutnant der Flakartillerie eingesetzt. Er erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse und die Afrika-Medaille. Im Februar 1944 schied er wegen einer schwerer Strahlenpilz-Erkrankung und einer Kehlkopferkrankung aus dem Militärdienst aus. Am 30. August 1944 nahm er seinen Dienst im Bayreuther Rathaus wieder auf. In den letzten Kriegswochen bewahrte Umsicht und ließ seine Stadt nicht im Stich.

Ganz im Gegensatz zu Gauleiter Fritz Wächtler, der seit 1944 auch SS-Obergruppenführer war. Nach dem Vorstoß amerikanischer Truppen auf die Gauhauptstadt wurde Wächtler wegen vorzeitigen Verlassens seiner Befehlsstelle in Bayreuth von einem SS-Kommando in der Gauleitungs- Ausweichstelle angeblich auf Grund eines Hitler-Befehls bei Waldmünchen erschossen. Wohl nichtl zu Unrecht wurde hier eine Intrige seines Stellvertreters Ludwig Ruckdeschel vermutet.

Kapitulation vor Amerikaner

Doch zurück zu Dr. Fritz Kempfler. Als die amerikanischen Truppen am 14. April 1945 von Altenplos in Richtung Bayreuth vorrückten, ließ er sich auf Verhandlungen in Cottenbach ein.

Kempfler hätte den Amerikanern seine Stadt auch ohne den berühmten Ausspruch “Entweder Übergabe oder we make Bayreuth flat…” übergeben. Vorher musste er jedoch in St. Johannis den General Hagl, der die Stadt (“Befehl ist Befehl”) immer noch verteidigen will, zur Kapitulation überreden. In der Zwischenzeit hissten die Bayreuther auf Aufforderung des Kaffeehausbesitzers Willi Kröll (“Schlosscafè Metropol”) weiße Flaggen. Danach half Kröll beim Löschen des Alten Schlosses.

Krölls Zivilcourage blieb den Amerikanern nicht verborgen. Am 15. April erhielt er ein Ernennungsschreiben, das ihn mit dem Satz “Willi Kröll is hereby appointed Burgermeister of the City of Bayreuth” zum Bürgermeister. Kempfler wird am 17. April in ein Internierungslager gebracht. Kröll behielt sein Amt nur wenige Tage, ehe er wieder – vor allem für die Besatzungsmacht – als Gastronom tätig wurde. Dr. Fritz Kempfler starb am 18. Oktober 1985 in seiner Heimatstadt Eggenfelden.


Text: Stephan Müller

 

Bayreuths Bürgermeister: Die Stadt in den Händen der Nazis

In Teil 11 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von der Zeit der Nationalsozialisten.


Einzug der Nazis in den Stadtrat

Mit dem Einzug der Nationalsozialisten in den Stadtrat war besonders die bisher eher ausgleichende kommunalpolitische Strategie von Albert Preu an ihre Grenzen gelangt. Dem bürgerlich-konservativ verwurzelten Bürgermeister machten die rhetorischen und volksverhetzenden Fähigkeiten des jungen Hans Schemm schwer zu schaffen.

Im Stadtrat kam es oft zu chaotischen Zuständen. Am 1. Mai 1933 wurde Preu “nach Erreichung der Altersgrenze” von den neuen Machthabern in den Ruhestand geschickt.

Jüngster Oberbürgermeister des Reiches

Sein Nachfolger wurde der Fürther Dr. Karl Schlumprecht von der NSDAP. Der mit 32 Jahren jüngste Oberbürgermeister des gesamten Reiches stand trotz des großen Karrieresprungs ganz im Schatten des zehn Jahre älteren Gauleiters Hans Schemm. Nach dessen tödlichem Flugabsturz am 5. März 1935 wurde der unbeliebte Fritz Wächtler (1891 – 1945) Gauleiter, der Bürgermeister Schlumprecht zwei Jahre später aus dem Dienst entfernte.

Vom Bürgermeister zum Ministerialdirektor

Zur Eskalation des Konflikts kam es, als der frühere thüringische Kultusminister die beiden von Schlumprecht eingesetzten Krankenhaus-Chefärzte Dr. Wolfgang Deubzer und Dr. Hermann Koerber wegen angeblicher “Sabotage am Volksgesundheitswerk” vom Dienst suspendieren und verhaften ließ.

Schlumprecht konnte kurz vor seiner “Absetzung” noch wichtige Verbindungen knüpfen. Im April 1937 konnte er sich als neu ernannter Ministerialdirektor in München dem Zugriff Wächtlers entziehen. Karl Schlumprecht starb am 31. März 1970 in München.

Von Hitler abgelehnt

Auf Vorschlag Wächtlers wurde der Coburger Oberbürgermeister Dr. Otto Schmidt (1901 – 30. April 1945) ab 27. Juli 1937 neues Stadtoberhaupt in der Gauhauptstadt. Auch er kam mit dem totalen Nationalsozialisten Wächtler nicht zurecht, warf schon am 3. Mai 1938 das Handtuch und verließ Bayreuth in Richtung Hanshagen. Daraufhin setzte sich Fritz Wächtler selbst als kommissarischer Oberbürgermeister ein. Dies fand jedoch nicht die Zustimmung Hitlers, der in diesen Jahren immer wieder Gast im Hause Wahnfried war. Er forderte Wächtler auf, bis zum Beginn der Bayreuther Festspiele ein neues Stadtoberhaupt einzusetzen.

Der Führer wurde von Wächtlers Stellvertreter und Intimfeind Ludwig Ruckdeschel, dessen Frau gute “Kontakte” nach Berlin hatte, regelmäßig über die Vorkommnisse in Bayreuth informiert. Wächtler war bei Hitler ohnehin wenig geschätzt, weil er als Alkoholiker zu unbeherrschten Ausbrüchen und Bloßstellungen gegenüber Untergebenen neigte. Wächtler befolgte das Ultimatum sofort und berief schon am 1. Juli 1938 den 33-jährigen Eggenfeldener Dr. Fritz Kempfler zum neuen Oberbürgermeister.

Nachzutragen bleibt, dass Dr. Wolfgang Deubzer zusammen mit dem späteren bayerischen Finanzminister Dr. Konrad Pöhner oder dem bekannten Rechtsanwalt Dr. Fritz Meyer einer von fünf “Freien Wählern” (heute Bayreuther Gemeinschaft) im ersten Nachkriegs-Stadtrat von Bayreuth vertreten war.


Text: Stephan Müller

Albert Preu – der erste vom Volk gewählte Bürgermeister Bayreuths

In Teil 10 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Albert Preu, dem ersten, vom Volk gewählten Bürgermeister Bayreuths.


Mit 60 Prozent gewählt

Der im unterfränkischen Castell geborene Albert Preu (1868 – 1944) war der erste Bayreuther Oberbürgermeister, der direkt von der Bevölkerung gewählt wurde. Am 13. Juli 1919 wurde er mit 60 Prozent aller Stimmen klarer Sieger über seinen Gegenkandidaten Karl Hugel (SPD). 

Preu war in Bayreuth schon seit 20. Juli 1894 während der Amtszeit seines Vorgängers Dr. Leopold Cassemann als Rechtsrat in städtischen Diensten und fungierte als Stellvertreter von Oberbürgermeister Dr. Leopold Casselmann. Damit hatte er gegenüber Hugel einen klaren “Amtsbonus” weil Casselmann als Landtags- und Reichstagsabgeordneter sehr häufig und längere Zeit in München und Berlin weilte. 

Foto: Stephan Müller.

Der Flaggenstreit

Auch wenn Albert Preu nicht immer Toleranz gegenüber seinen politischen Gegnern zeigte, gelang es ihm in den ersten Jahren, dass fast 90 Prozent der Stadtratsbeschlüsse einstimmig gefasst wurden. 

Den Unmut seiner bürgerlichen Kollegen zog er sich allerdings in dem sogenannten “Flaggenstreit” zu. Als die Stadtverwaltung nach dem Tod des ersten sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert eine Trauerbeflaggung veranlasste, forderte die bürgerliche Mehrheit des Stadtrats die sofortige Entfernung. 

Der spätere Bayreuther Ehrenbürger sprach sich für eine Beflaggung aus und erinnerte daran, dass diese Ehre auch toten Gegnern erwiesen werden sollte. Daraufhin warf man ihn eine fehlende vaterländische Gesinnung vor.

Nazis im Stadtrat

Noch schwieriger wurde seine Amtszeit mit dem Einzug der Nationalsozialisten in den Stadtrat. Der höfliche und in bürgerlich-konservativen Traditionen verwurzelte Sohn eines Kirchenrates, der stets mit einer ausgleichenden kommunalpolitische Strategie Erfolg hatte, war den lauten und volksverhetzenden Rhetorikern der NSDAP – allen voran der junge Hans Schemm – unterlegen. 

Am 1. Mai 1933 wurde Albert Preu im 65. Lebensjahr “nach Erreichung der Altersgrenze” von den neuen Machthabern in den Ruhestand geschickt. Die NSDAP übernahm endgültig die Macht in der Wagnerstadt.

Über die nationalsozialistischen Bürgermeister berichten wir im nächsten Teil unserer Serie. 


Text: Stephan Müller