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Gericht

Lebenslang für Doppelmord in Mistelbach? Diese Strafen drohen den Angeklagten bei einer Verurteilung

Zehn Monate ist die grausame Tat um den ermordeten Kinderarzt und seiner Ehefrau in Mistelbach im Landkreis Bayreuth her. Heute, 19. Oktober 2022, startet der Gerichtsprozess.

Am 9. Januar 2022, vor etwa zehn Monaten, wurde ein Ärzte-Ehepaar in Mistelbach im Landkreis Bayreuth mutmaßlich ermordet. Es hieß, sie wurden im Schlaf erstochen.

Unter Verdacht stehen die noch minderjährige, älteste Tochter des Paares sowie ihr zur Tatzeit 18-jähriger Freund. Beide sitzen ab heute, 19. Oktober 2022, auf der Anklagebank.

Update vom 19. Oktober 2022 um 15:59 Uhr: So geht es weiter im Mistelbach-Prozess

Der stellvertretende Pressesprecher des Landgerichts Bayreuth, Dr. Bernhard Böxler, wandte sich gegen 15:30 Uhr noch einmal an die Presse zum aktuellen Sachstand. Seitdem die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, also etwa seit dem frühen Nachmittag, sagt der Angeklagte Felix S. gegenüber dem Landgericht aus. Dieser mache “relativ umfangreiche Angaben” zum Tatgeschehen und zum Umfeld dessen. Eine endgültige Bestätigung, dass der Angeklagte gestanden hat, teilte Böxler nicht mit.

Die angeklagte Tochter der Opfer, Hannah S., habe aktuell noch nicht ausgesagt. Sollte dies heute nicht mehr geschehen, stehe die Aussage der Angeklagten morgen auf dem Programm, gefolgt von Zeugenvernehmungen. Möglicherweise würden, so Böxler, hier auch die minderjährigen Geschwister befragt.

Die Urteilsverkündung ist, Stand heute, für den 16. Dezember 2022 geplant. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, drohen der angeklagten Tochter zehn Jahre Haft nach dem Jugendstrafrecht. Beim Freund hänge es davon ab, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird, sagt Böxler. Im Falle von Anwendung des Jugendstrafrechts erwarten Felix S. 15 Jahre Haft, bei Erwachsenenstrafrecht lebenslang. Weiterhin behält sich das Gericht vor, eine Sicherheitsverwahrung anzuordnen. Hierfür werde auch ein Gutachten zu erstatten sein.

Update vom 19. Oktober 2022 um 13:08 Uhr: Verhandlung ab sofort nichtöffentlich

Gegen 12:30 Uhr, nach einer guten Stunde Beratungszeit, begab sich die vorsitzende Richterin Andrea Deyerling zurück in den Schwurgerichtssaal. Fazit: Die Öffentlichkeit wird tatsächlich für die weitere Hauptverhandlung ausgeschlossen – mit Ausnahme der Urteilsverkündung und dessen Begründung. Grund dafür: Die schutzwürdigen Interessen der Angeklagten stehen in diesem Fall über dem öffentlichen Interesse.

Die Jugendkammer habe in Betracht gezogen, die Öffentlichkeit nur für Teile des Verfahrens auszuschließen, sich aber schließlich dagegen entschieden. Der ausreichende Schutz der Angeklagten und der in dem Verfahren befragten Familienmitglieder könne so nicht gewährleistet werden, da auch außerhalb der Vernehmungen, beispielsweise der jüngeren Geschwister der Angeklagten Hannah S., Sachverhalte angesprochen werden, die diese unmittelbar betreffen. Für die Vernehmung der Geschwister werden die Angeklagten aus dem Vernehmungssaal entfernt, verkündet Deyerling. Die beiden halten sich währenddessen in einem anderen Gebäude auf und können die Vernehmung audiovisuell mitverfolgen.

Begründet ist die Entfernung der Angeklagten damit, dass für die Geschwister aus psychotherapeutischer Sicht die Gefahr einer “Retraumatisierung” drohe, wie es Deyerling formuliert. Aufgrund der verwandtschaftlichen Nähe zu der Angeklagten bestehe außerdem die Gefahr, dass die Geschwister nicht die Wahrheit sagen könnten. Dieser Entfernung habe der Angeklagte Felix S. im Vorfeld zugestimmt, allerdings nicht Hannah S.

Um dem öffentlichen Interesse des Verfahrens gerecht zu werden, darf jedoch der zuständige Pressesprecher des Bayreuther Landgerichts im Gerichtssaal während der Verhandlung anwesend sein. Weiterhin werden die Urteilsverkündung und die Begründung hierzu öffentlich stattfinden.

Update vom 19. Oktober 2022 um 11:36 Uhr: Heimtückisch im Schlaf ermordet?

Um kurz nach 10 Uhr betraten die beiden Angeklagten Felix S. und Hannah S. den Schwurgerichtssaal im Landgericht Bayreuth. Das öffentliche Interesse war groß, die Zuschauerplätze im hinteren Abschnitt des Saals wurden nach und nach immer voller. Schlussendlich nahm auch die vorsitzende Richterin Andrea Deyerling ihren Platz ein, ehe die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift verlas.

Seit September 2021 sei der Angeklagte Felix S., der den Doppelmord an den Eltern seiner Mitangeklagten Hannah S. durchgeführt haben soll, mit der Minderjährigen zusammen gewesen. Seit dem 18. November lebte er im Haus der Ärzte, zusammen mit Hannah in einem Zimmer. Das Verhältnis der Tochter sei von Streit geprägt gewesen. Hannah habe ihre Eltern “gehasst”. Und so sei es auch am 8. Januar 2022, nur Stunden vor der Tat, erneut zu einem Streit gekommen, woraufhin Felix S. und Hannah S. zusammen entschieden hätten, die Eltern mit Messerstichen zu töten. Felix sollte die Tat vollbringen.

Gegen 00:30 Uhr habe Felix das Zimmer der beiden Angeklagten verlassen – bewaffnet mit einer Skimaske, einer Stirnlampe und einem Messer. Er habe das Schlafzimmer der Eltern betreten und unvermittelt den Vater angegriffen. Stichverletzungen im Brustbereich, am Hals und im Gesicht waren die Folge. Anschließend soll er sich der Mutter zugewandt und diese ebenfalls im Brustbereich, am Hals und im Gesicht verletzt haben. Die Mutter soll panisch geschrieen haben. Beide Geschädigten seien durch Verbluten gestorben.

Weiterhin wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor, dass sie bewusst die Tatsache ausgenutzt hätten, dass die Abwehrbereitschaft der Eltern eingeschränkt war, da sie sich zum Zeitpunkt im Schlaf befunden hätten. Die Tochter Hannah habe während der Tat die Geschwister, die sich ebenfalls im Haus befanden, davon abgehalten haben, den Eltern zu Hilfe zu kommen.

Sowohl Felix, als auch Hannah, waren während der ersten Minuten im Gerichtssaal und auch während der Verlesung der Anklage sehr ruhig. Beide hielten beim Betreten des Saals mit Kapuzen ihr Gesicht bedeckt, die Maskenpflicht im Gerichtssaal wirkte hier stützend. Als die Statsanwaltschaft die Anklage verlas, blickten beide Angeklagte kaum auf.

Wird das Verfahren nichtöffentlich?

Nach der Verlesung stellten sofort beide Verteidiger den Antrag, die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen. Felix’ Verteidiger Hilmar Lampert nannte als Begründung unter anderem die Auswirkungen des erheblichen öffentlichen Interesses des Falles auf das Verfahren. Bei Felix seien Hemmungen abzubauen, sich zu öffnen, was durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gefördert werden könne. Sein Mandant beabsichtige, umfangreiche Angaben zu machen. Dieses offene Gespräch wäre durch die Öffentlichkeit eingeschränkt.

Auch Rechtsanwalt Wolfgang Schwemmer, der Hannah S. vor Gericht vertritt, setzte sich für den Ausschluss der Öffentlichkeit ein. Seine Mandantin sei noch minderjährig und außerdem, so wie Felix S. psychisch labil. Sogar ihr Haftraum sei, mit ihrem Einverständnis, kameraüberwacht. Das Interesse der Öffentlichkeit sei dadurch gewahrt, dass die Anklageschrift öffentlich verlesen wurde.

Wenig später äußerte sich die Staatsanwaltschaft zu den Anträgen. Ihrer Ansicht nach müsse das Gericht diesen wohl folgen – auch wenn die Urteilsverkündung öffentlich stattfinden könne. Das Verfahren sei ohnehin nur deswegen öffentlich, da der Angeklagte mit 18 Jahren nicht minderjährig ist. Ohne ihn wäre es zwingend nichtöffentlich.

Das Urteil des Gerichts über die Anträge erfolgt in Kürze.

Erstmeldung vom 19. Oktober 2022 um 08:48 Uhr: Doppelmord in Mistelbach: Prozess startet

Jede Woche werden von der Staatsanwaltschaft Bayreuth die Verhandlungstermine für die kommende Woche den Medien mitgeteilt. Dass hier “Mord” zu lesen ist, kommt nicht häufig vor. Diese Woche steht es gleich zweimal im Plan. 16 Termine sind für die Verhandlung angesetzt – bis Dezember soll das Verfahren dauern. Der heutige Mittwoch ist der erste Verhandlungstag. Um 10 Uhr geht es los. Vorerst ist die Verhandlung öffentlich angesetzt – also für Medienvertreter und die Öffentlichkeit zugänglich.

Bei einem Medientermin am vergangenen Freitag verkündete der stellvertretende Pressesprecher Dr. Bernhard Böxler allerdings auch, dass es durchaus möglich sein könne, dass das Verfahren ab einem bestimmten Punkt, oder bestimmte Teile davon, als nichtöffentlich deklariert werden. Versichern könne er die öffentliche Verhandlung lediglich für die Verlesung der Anklageschrift – die “im Hinblick auf die schutzwürdigen Belange der Angeklagten und der Hinterbliebenen” nicht im Vorfeld verfügbar gemacht werden konnte.

Bei dem Prozess handelt es sich wohl um das größte Gerichtsverfahren in Bayreuth seit Sophia L., die 2018 auf einem Rastplatz bei Bayreuth getötet wurde. Entsprechend wird großes Interesse bei dem Fall erwartet.

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