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Magazin/Historisch-Stadtteile
Bayreuths Süden: Thiergarten, Wolfsbach, Rödensdorf und Destuben
Woher kommen eigentlich die siedlungsgeschichtlichen Namen der Bayreuther Ortsteile? In Teil 21 der Serie widmet sich bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller dem Bayreuther Süden mit Thiergarten, Wolfsbach, Rödensdorf und Destuben.
Der Ortsteil Thiergarten ist nach dem gleichnamigen markgräflichen „Jagdpark“ benannt. Er bildete zusammen mit Destuben, Rödensdorf sowie den Weilern und Einzelgehöften Oberthiergarten, Weiherhaus, Sorgenflieh, Bauerngrün, Krodelsberg, Heinersberg, Römersberg die ehemalige Gemeinde Thiergarten. Diese wurde am 1. Juli 1976 in die Stadt Bayreuth eingemeindet. Von der Bevölkerung gehört Thiergarten mit knapp 600 Einwohnern zu den kleinsten Stadtteilen. Von der Fläche her zählt die frühere Gemeinde dagegen mit rund 700 Hektar zu den größten Bereichen Bayreuths.
Wieslein an dem Tiergarten
Schon 1421 wurden im Bayreuther Landbuch „Wieslein gelegen zu Beyerrut an dem Tiergarten“ erwähnt. Im Jahr 1606 ordnete der seit 1603 in Bayreuth regierende Markgraf Christian an, dass ein großer Bereich im Süden der Stadt als Tiergarten einzuzäunen ist. Die 1661 angefertigte Grenzkarte von Martin Franck enthält dort einen umzäunten Fasanengarten, dessen Anfänge wohl auf diese Zeit zurückgehen.
In dieser Zeit gab es ein Dorf „Breitengraß“ (praitten gras), das aus einem Bauernhof, einem Söldnergut, einem Jägerhaus, einer Schmiede und einer Ziegelhütte bestand. Breitengraß blieb nach dem dreißigjährigen Krieg unbewohnt und verfiel. Markgraf Christian Ernst, Enkel des Markgrafen Christian, ließ nach 1666 die restlichen Gebäude abreißen und die vorhandene Einzäunung durch eine Mauer mit mehreren Toren (Wolfsbacher Tor, Neuenreuther Tor, Schreezer Tor, Destubener Tor und Bayreuther Tor) ersetzt. Sein Sohn Georg Wilhelm ließ in den Jahren 1715 bis 1720 von Johann David Räntz das noch heute existierende Jagdschloss errichten. In wenigen hundert Metern Entfernung – aber noch innerhalb der alten Ummauerung – ließ er ein Forsthaus und eine dreiflügelige Stallung errichten, die den Kern des heutigen Ortsteils Thiergarten bilden.
Tauziehen um Wolfsbach
Zwei Jahre nach Thiergarten wurde Wolfsbach nach Bayreuth eingemeindet. Dabei wurde die frühere eigenständige Gemeinde nach einem regelrechten „Tauziehen“ dreigeteilt. Wolfsbach, der Krugshof und die Schlehenmühle wurden nach Bayreuth eingemeindet, die Orte Schamelsberg, Bühl und Hühl kamen zur Gemeinde Emtmannsberg, während Ottmannsreuth, Neuenreuth, Eimersmühle und Kamerun seither zum Stadtgebiet von Creußen gehören.
Dass der Kernort Wolfsbach nach Bayreuth eingemeindet wurde, machte durchaus Sinn. Die evangelischen Christen gehören schließlich nachweisbar seit dem 16. Jahrhundert zur Kirchengemeinde St. Johannis. Unter dem Namen „Wolfpach“ wurde Wolfsbach im Bayreuther Landbuch A aus dem Jahr 1398 erwähnt. Im Landbuch B (1421/24) findet man den Eintrag „Bolfsbach neben Ottmanßreut“. Die beiden Einträge werden in Zusammenhang mit dem dortigen Eigentum der Herrschaft Bayreuth (Beyerreut) erwähnt.
Rödensdorf und Destuben
Wie die in der Nähe liegenden Ortschaften Schreez, Leups, Zips, Ölschnitz, Prebitz ist auch Rödensdorf (nach Rodovan) ein slawisch begründeter Name. Oberhalb des Ortes, der im Landbuch von 1398 (unter Rödensdorff) mit zehn Lehenhöfen und einer Selde vermerkt ist, ist noch heute ein gewaltiger Turmhügel im Wald erhalten. Von der Befestigung ist heute nur noch der von Bäumen überwachsene Kernhügel der kreisrunden Anlage mit Grabenspuren zu erkennen. Der Burgstall hat den Namen „Bürg“. Zweifellos beschützte die Befestigung einst die fast passähnliche Altstraße von Creußen und Schreez über den Sophienberg (früher Kulmberg).
Von dem Turmhügel konnten die Reiter, Soldaten und Kaufleute hervorragend kontrolliert werden, wenn sie sich auf der sicherlich ausgefurchten Straße mit einer für die damalige Zeit gewaltigen Steigung nach oben kämpften. Möglicherweise wurde den Reisenden am 468 Meter hohen „spitzigen Stein“ nahe Rödensdorf auch eine Maut oder Zoll abverlangt. Die Anlage wurde auch schon für einen Ansitz der um 1300 schon ausgestorbenen Walpoten gehalten. Auch ist es in Rödensdorf überliefert, dass ein unterirdischer Gang zur damaligen Sophienburg auf dem Sophienberg führte.
„Zu der Stuben“
Von Rödensdorf führte die Altstraße, auf der möglicherweise Hezilo von Schweinfurt im Jahre 1003 von seiner zerstörten Burg Creußen nach Kronach geflohen ist. Bevor die Straße über Saas und Altenstadt zum Roten Hügel nach Mosing und Kulmbach führte, kamen die Reisenden an Destuben vorbei. An Altstraßen gab es Herbergen oder Raststätten, die als Kemenaten („Kemnath“) oder auch als „Stuben“ bezeichnet wurden. Destuben kommt aus der im Landbuch von 1398 vermerkten Altform “zu de(r) Stube(n)”.
In einer Landkarte aus dem 17. Jahrhundert wird der Ort noch „Diestuben“ genannt. Es handelt sich also um einen alten Herbergsnamen. Aus dem Landbuch von 1499 geht hervor, dass die Destubener das so genannten “Würzburger Altzehnt” entrichten mussten. Das bedeutet, dass das Dorf schon vor Errichtung des Bistums Bamberg im Jahre 1007 seinen Zehnt nach Würzburg entrichtete und somit schon davor bestand.
Destuben und Sorgenflieh
Die Orte Destuben, Thiergarten und Rödensdorf bilden zusammen mit den Weilern und Einzelgehöften Oberthiergarten, Weiherhaus, Sorgenflieh, Bauerngrün, Krodelsberg, Heinersberg, Römersberg die ehemalige Gemeinde Thiergarten, die am 1. Juli 1976 in die Stadt Bayreuth eingemeindet wurden. Die Gemarkungsgrenze von Destuben reichte bis „an den Quellen Hofe“ also zu den Quellhöfen am Röhrensee und auf der anderen Seite „an der Straß hinauf bis geyn praitten gras“. Breitengras ist das heutige Thiergarten.
Am Stadtrand zur ehemaligen Gemeinde Schreez liegt das abseits gelegene Bauerngütlein Sorgenflieh. Erklärungen für Namen finden sich in einem Aufsatz von Walter Bartl über den Jobst Christoph Ernst von Reiche (1772 – 1833), der als Autor von Büchern über Bayreuth, Fantaisie oder Kulmbach bekannt geworden ist. Der preußische Hauptmann baute sich unweit des Schlosses Thiergarten ein schönes Landgut, das er Sorgenflieh nannte.
Der Ausruf „Sorgen flieht!“
Wie kam es zu dem Namen? Um das Jahr 1913 erzählte ein benachbarter Bauer von Überlieferungen, dass Herr von Reiche durch seine Gläubiger schwer bedrängt worden sei und im Jahr 1813, als der Krieg gegen Napoleon losbrach, „Sorgen flieht!“ gerufen hätte. Mit diesem Ausruf hätte er sein Sorgen- und Schuldenhaus zurückgelassen und wäre niemals wiedergekommen.
Die Sage von Sorgenflieh
Im Jahr 1927 berichtet Karl Diezel von einer Sage um Sorgenflieh: Auf einer Wolfsjagd war der Teufel in das abgelegene Sendelbachtal gekommen. Er fand es so schön, dass er beschloss, jedes Jahr einige Zeit dort zu verbringen und jeweils eine Menschenseele für sich zu gewinnen. Der Teufel traf eines Tages Hauptmann von Reiche und führte in Menschengestalt ein Gespräch mit ihm.
Der Teufel verfluchte den Hauptmann
Er versprach dem ebenfalls von der Lieblichkeit der Landschaft begeisterten Hauptmann, innerhalb vier Wochen an dieser Stelle ein Schlösslein zu bauen, über den Lohn wolle man sich später einigen. Das Gebäude wurde fristgerecht fertig. Der Baumeister kam aber zunächst nicht, bis er in einer regnerischen Nacht in seiner wahren Gestalt zu ihm kam und seinen Lohn – nämlich seine Seele – forderte. Der Hauptmann lehnte ab. Der Teufel verfluchte von Reiche und sein Schlösslein. Er ließ den Sendelbach anschwellen. Der Bach trat über die Ufer und unterspülte das Schlösschen. Jede Nacht rüttelte der Wind pfeifend und heulend am Fenster. Nur zu gern zog deshalb der Hauptmann 1813 in den Krieg gegen Napoleon. 1815 soll er noch einmal zurückgekehrt sein, um das Schlösslein aufzusuchen, doch der Hochwasser führende Sendelbach versperrte ihm den Weg.
Das Schlösslein existierte nie
Beim Versuch, den Bach zu durchwaten, geriet der Hauptmann in einen Strudel und ertrank. Das Schlösslein verfiel kurz darauf, die Steine wurden zum Bau eines Bauernhauses verwendet. Andere wieder behaupten, dass der Hauptmann als einfacher Bauersmann zurückgekehrt sei und sich auf der anderen Seite des Baches das Bauernhaus gebaut hat. Tatsächlich kaufte sich von Reiche im Jahr 1803 die Birkels-Au, eine Wiese südwestlich des Schlosses Thiergarten.
Im Frühjahr 1804 ließ der neue Besitzer im Sendelbach ein steinernes Wehr errichten und Bewässerungsgräben anlegen. Alarmiert durch den geringen Wasserstand in dem für die Stadt Bayreuth so wichtigen Stadtbach Tappert, der sein Wasser ebenfalls aus diesem Bach bezog, wurde der Magistrat auf den „Schwarzbau“ aufmerksam und verlangte seinen Abbruch. Nach längeren Diskussionen und baulichen Veränderungen am Wehr, genehmigte die Kriegs- und Domänenkammer Bayreuth am 2. Juli 1804 nachträglich den Wehrbau und die Wasserentnahme. In dieser Zeit baute von Reiche auch sein Gütlein „Sorgenflieht“. Ein Schlösslein, von dem die Sage zu berichten weiß, hat nie existiert.
Stephan Müller
Stephan Müller (54) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.