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Skispringen
Vierschanzentournee und Olympia: Bayreuths vergessene Skisprung-Asse – Ohlmeyer und Göllner
Henrik Ohlmeyer wird 75 Jahre alt. bt-Chefhistoriker Stephan Müller blickt in diesem Artikel auf eine Zeit zurück, in der die Stars unter den Deutschen Skispringern Günther Göllner und Henrik Ohlmeyer hießen – und aus dem Fichtelgebirge kamen.
Egal ob Göllner, der Warmensteinacher, oder Ohlmeyer, der Bischofsgrüner: Bei allen vier Springen der Vierschanzentournee 1965/66 landete mindestens einer der beiden auf den ersten zehn Plätzen. In Oberstdorf wurde Göllner Zehnter, in Garmisch wurde er Fünfter und Ohlmeyer Siebter, in Insbruck belegte Göllner Rang drei und in Bischofshofen Ohlmeyer Platz neun.
Der Bayreuther Hobbyhistoriker Stephan Müller hat recherchiert und herausgefunden, wie die beiden Fichtelgebirgler zu solchen Ausnahmesportlern wurden und warum einer von beiden seine Karriere bereits mit 25 Jahren wieder beenden musste.
Der Erste Sprung am Ochsenkopf
In seiner Jugend war Günther Göllner ein starker alpiner Skifahrer. Er wurde österreichischer Jugendmeister in der alpinen Kombination. Im Jahr 1959 kam der gelernte Büchsenmacher aus beruflichen Gründen nach Bayreuth. Dort lernte er sehr schnell den Skispringer Werner Ross vom 1. FC Bayreuth kennen. Für den FC startete er fortan. Ross überredete Göllner zu Skisprungversuchen auf der Bischofsgrüner Ochsenkopfschanze. Unglaublich aber wahr: Nur zwei Jahre später wurde der damals 20-Jährige ins Nationalteam berufen und nahm 1962 er zum ersten Mal an der Vierschanzentournee teil.
Im Gegensatz zu Günther Göllner begann Henrik Ohlmeyer schon als Fünfjähriger auf selbst gebauten Schanzen mit dem Skispringen. Seinen ersten Sprung von der Ochsenkopfschanze traute er sich 1956 im Alter von zehn Jahren.
Einen Meter am Weltrekord vorbei
Ohlmeyer schrieb mit zwei Weltmeisterschaftsteilnahmen, zehn Teilnahmen bei Skiflugwochen und acht Vierschanzentourneen deutsche Sportgeschichte: Mit 19 Jahren gewann er die Internationale Skiflugwoche, die heutige Skiflug-Weltmeisterschaft, auf dem Kulm im österreichischen Bad Mitterndorf mit einem Sprung um 143 Meter. Gerade ein Meter fehlte ihm damals zum Weltrekord. Auf zehn Teilnahmen an der Skiflugwoche konnte auch sein Nationalmannschaftskollege Günther Göllner am Ende seiner Karriere zurückblicken.
Am beeindruckendsten ist aber vielleicht, dass die beiden Fichtelgebirgler bei der Vierschanzentournee 1965/66 in der Weltelite mitmischten. In diesem Jahr feierte Ohlmeyer mit dem fünften Rang in der Gesamtwertung seinen größten Erfolg bei der Vierschanzentournee und überholte dabei im letzten Springen in Bischofshofen noch Günther Göllner, der sich nach den sensationellen Plätzen zehn (Oberstdorf), fünf (Garmisch-Partenkirchen) und drei (Innsbruck) sogar Hoffnung auf eine Medaille in der Gesamtwertung machen konnte. Doch ausgerechnet nach seinem größten sportlichen Erfolg in Innsbruck patzte Göllner in Bischofshofen. Er landete abgeschlagen auf dem 51. Rang und rutschte in der Gesamtwertung aus den Top Ten.
Beide verpassen den Bus zu Olympia
Beide Fichtelgebirgler gehörten also aufgrund ihrer Leistungen bei den Olympischen Spielen 1968 im französischen Nobel-Skiort Grenoble, wie übrigens auch der Bayreuther Skilangläufer Walter Demel, durchaus zum erweiterten Favoritenkreis. Im Gegensatz zu Demel reisten Göllner und Ohlmeyer mit dem Auto an, denn die Busse, in denen die anderen deutschen Olympioniken saßen, haben die beiden verpasst.
In Grenoble angekommen, konnte Göllner seine Leistungen bestätigen. In dem Bertelsmann-Buch “Die Olympischen Spiele 1968” ist nachzulesen, das der deutsche Meister Günther Göllner auf der Normalschanze für eine Überraschung sorgte: “Mit einem der schönsten Sprünge seiner Laufbahn kam er auf 77 Meter und lag damit nach dem ersten Durchgang hinter dem Tschechen Jiri Raska, dem Österreicher Baldur Preiml, dem Finnen Topi Mattila und dem tollkühnen Anatolij Sheljanow aus der Sowjetunion auf dem fünften Platz.”
Im zweiten Durchgang fiel der Büchsenmacher aus Bayreuth auf den zehnten Rang zurück, den er sich am Ende mit dem Franzosen Gilbert Poirot teilen musste. Göllner fehlten gerade einmal eineinhalb Meter zur Bronze-Medaille.
Ohlmeyer startet unter Schmerzen
Henrik Ohlmeyer, der sich 1966 und 1967 zwei Meniskusoperationen unterziehen musste, hatte auch in Grenoble immer noch große Knieprobleme und konnte nicht am Wettbewerb auf der geliebten Großschanze teilnehmen. Auf der Normalschanze landete er unter Schmerzen auf dem 33. Platz.
Auf den olympischen Geist angesprochen erinnerten sich später beide an die strenge Trennung der Athleten aus der früheren DDR und der Bundesrepublik.
“Wir haben trotzdem einen guten Kontakt zu den DDR-Sportlern gehabt – wenn kein Funktionär in der Nähe war.”
(Günther Göllner)
Wegen der chronischen Kniebeschwerden musste Ohlmeyer 1971 das Skispringen im Alter von nur 25 Jahren aufgeben. Göllner beendete seine sportliche Karriere noch einmal mit einem neunten Rang bei der Vierschanzentournee 1971/72 in Oberstdorf und mit Platz 27 auf der Großschanze bei den Olympischen Spielen in Sapporo 1972.
Pokale stehen heute auf dem Dachboden
Seine vielen Pokale sind alle in Kartons auf dem Dachboden verstaut. Ohlmeyer hat nach seinem Karriereende schnell neue Ziele im Berufsleben gefunden. Viele Jahre arbeitete er als Werkzeugmacher an einer Fräsmaschine in der Technischen Zentrale der Uni Bayreuth und baute für alle wissenschaftlichen Institute Versuchsvorrichtungen. Sein Können wurde von Wissenschaftlern gerne in Anspruch genommen: So stellte er Halter für die Diamantpresse des Bayerischen Geoinstituts her und erfuhr auch auf diesem Gebiet eine besondere Ehrung. Vom damaligen Oberbürgermeister Dieter Mronz wurde er mit dem Emil-Warburg-Preis der Stadt Bayreuth ausgezeichnet.
Stephan Müller
Stephan Müller (54) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.