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Historisch

Ach-Godderla-naa: Wie „Wafner“ den Bayreuthern aufs Maul schaute

von Stephan Müller

Was der frühere Tagblatt-Chef über das Wesen und den Dialekt der Bayreuther zu sagen hatte.

Am vielleicht treffendsten hat das Wesen und den Dialekt der Bayreuther der frühere Redaktionsleiter des Bayreuther Tagblatts, Erich Rappl, einst beschrieben. Rappl, den die Bayreuther nur „Wafner“ nannten und der zahlreiche satirische Bücher über das Wesen der Bayreuther schrieb, verfasste im Jahr 1970 die folgenden Zeilen, die er mit „Lektionen über die Bayreuther“ überschrieb.

Für das bt ausgegraben hat sie der Bayreuther Hobby-Historiker Stephan Müller. Hier ist ein Auszug:

… Die Ehe der Wagnerschen Kunst mit der Stadt am Roten Main ist zwar ohne jeden Überschwang, aber vielleicht eben deshalb solide und kraft ihrer Gegensätze glücklich. Wagner war ein Phantast – die Bayreuther sind nüchtern. Wagner war ein Verschwender – die Bayreuther sind sparsam. Kein Geschäftsmann, kein Wirt wird hier freiwillig eingestehen, dass er auf einer Konjunkturwoge schwimme. Jeder Geschäftsbericht wird grundsätzlich eingeleitet durch einen Seufzer, ein „Ach-Godderla-naa“ – und was dann folgt, klingt nicht weniger hoffnungsvoll: „So wie früher is fei nimmer“, tönt es klagend. Und „es is halt a Kreiz, gell?“ Ziemlich nichtssagend dies alles, aber gleichwohl anheimelnd und gemütlich und den Frager einladend, im gleichen Tenor, mit viel Seufzen, mit zahlreich dazwischen gestreuten „gell?“, „halt“ und fei“ ein Gespräch auszuspinnen, bei dem gleichfalls nichts Positives herauskommt.

Der Bayreuther nennt das waafen. „Waafen“ kommt von „Weife“ – und das ist eine altertümliche Bezeichnung für eine Spindel. Waafen könnte sich ungenau mit „ratschen“ oder „schwätzen“ übersetzen lassen. Genau, das heißt bayreutherisch genommen, aber ist es die Kunst, mit möglichst vielen Worten möglichst wenig zu sagen. Ein „Waaferla“ tut nur gut, aber es sagt nichts aus. In engem Zusammenhang damit steht der eingeborene Trieb, alle Aussagen zu verkleinern und abzuschwächen, sei’s indem man jedem gewichtigen Hauptwort ein „la“ (=lein) anhängt, sei’s indem man (oft zusätzlich) alles Auszusagende durch „a weng“ oder noch besser „a wengla“ noch weiter reduziert…

… Ein Bayreuther der festen Willens ist, eine gewaltige Sauftour anzutreten, wird dies seiner Gattin grundsätzlich nicht anders als in der ortsüblichen Schonform mitteilen. Nämlich: „Ich wer‘ vielleicht nuch a weng a klaans Bierla trinken.“

Wer im Begriffe ist, sich einen Mercedes 600 zuzulegen, spricht lediglich und allenfalls von einem „Wächala“. Und selbst von einem, der womöglich bereits im Sarg liegt, wird in aller Schonung berichtet, dass ihn „a klaans Schlägla“ getroffen habe.

Denn im Gegensatz zu den Verniedlichungen im Schwäbischen ist der Bayreuther mit seinem „la“ und „a weng“ ernstlich bemüht, seine Gesprächspartner durch keine allzu brutalen Eröffnungen zu erschrecken. Eine ähnliche Vorsicht lässt er im Umgang mit Dienstwilligen walten. „Tun Sie das! – Machen Sie jenes!“ – das wäre alllzu direkt und preußisch (die Jahrhunderte lange Zugehörigkeit zu Preußen mag den Untertanen der hiesigen Markgrafschaft solchen Horror eingejagt haben). Viel besser ist es, Wünsche im Konjunktiv vorzutragen: „Die Fenster müssten aa amol a weng gebutzt wern…“ – das klingt wesentlich menschenfreundlicher.

Nach alledem wird es niemanden mehr verwundern, dass das Wort „Tatmensch“ im Bayreuther Dialekt ganz weich, nämlich „Dadmensch“ gesprochen wird. Das aber bedeutet, dass man heftige Engagements für gute oder schlimme Sachen, Volksaufstände, wilde Bürger-Initiativen und dergleichen nicht erwarten darf (seit dem letzten Ausbruch des bereits in vorgeschichtlicher Zeit erloschenen Rauhen Kulm hat sich temperamentsmäßig in hiesiger Gegend nicht mehr allzuviel ereignet). Die Bayreuther wissen dies und charakterisieren sich selbstironisch als „a weng daab“, was soviel heißt wie „müde“ oder „lustlos“.

Dabei sind sie freilich stets bereit, große (und kritische) Zuschauermassen zu allen Vergnügungen zu entsenden, die nichts kosten. Die Auffahrt zu den Festspielpremieren und die Pausen-Promenaden zählen dazu: „willig, von Schutzleuten in Reih‘ und Glied gehalten, stellen sie sich da hinter den Absperrseilen auf, begutachten die große Welt in Smoking und Abendkleid und versichern einander neidlos, dass sie froh sind ‚bei dera Hitz‘ nicht ins Theater gehen zu ‚müssen‘.“ …

Zur Person:

Erich Rappl, am 14. Juni 1925 als Sohn eines städtischen Baubeamten geboren, schloss sein Studium an der Münchner Musikhochschule ab und begann seine journalistische Karriere als Musikkritiker des Bayreuther Tagblatts.  Fast fünf Jahrzehnte blieb er den Festspielen als Musikkritiker verbunden, hielt in Bayreuth Einführungsvorträge und andernorts Gastvorträge über Wagner.
Von 1966 bis August 1990 arbeitete Rappl als leitender Lokalredakteur, zunächst beim Bayreuther Tagblatt und ab 1. Januar 1968 beim Nordbayerischen Kurier. Fast 50 Jahre lang schrieb er Kolumnen, erst unter dem Pseudonym „Aspiran Holzauge“, dann unter „Wafner“. Unter letzterem veröffentlichte er zahlreiche Bücher, die den Bayreuthern aus der Seele sprachen. 

1980 erhielt Rappl den Kulturpreis der Stadt Bayreuth, 1991 wurde ihm der begehrte „Frankenwürfel“ zuteil. Rappl war zudem Träger des Bundesverdienstkreuzes. Besonders wohl fühlte er sich im Kreis seiner „Schlaraffen“, einem Männerbund, der ihm auch den Titel „Wafner“ verlieh.

Bei der Stadtratswahl 1996, im Alter von 71 Jahren, wählten ihn seine Mitbürger auf der Liste der Bayreuther Gemeinschaft in den Stadtrat, dem er drei Jahre angehörte. Am 16. Juni 2008 starb Rappl nach schwerer Krankheit.

Stephan Müller

Stephan Müller

Stephan Müller (55) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

Am 20. Oktober 1904 wurde der Präsidialbau der Regierung von Oberfranken eingeweiht.Am 20. Oktober 1904 wurde der Präsidialbau der Regierung von Oberfranken eingeweiht.
Das Neue Schloss (Orangerie) in der Eremitage ist eines der barocken Highlights von Bayreuth. Foto: Stephan MüllerDas Neue Schloss (Orangerie) in der Eremitage ist eines der barocken Highlights von Bayreuth. Foto: Stephan Müller
Emil Warburg, der im Gut Grunau wohnte, hatte das Vorschlagsrecht für den Nobelpreis. Zu den von ihm vorgeschlagenen Kandidaten gehörten unter anderem Max Planck und Albert Einstein.Emil Warburg, der im Gut Grunau wohnte, hatte das Vorschlagsrecht für den Nobelpreis. Zu den von ihm vorgeschlagenen Kandidaten gehörten unter anderem Max Planck und Albert Einstein.
Die Sportfreunde Stiller kommen nach 22 Jahren wieder zum Konzert nach Bayreuth. Foto: Ingo Pertramer.Die Sportfreunde Stiller kommen nach 22 Jahren wieder zum Konzert nach Bayreuth. Foto: Ingo Pertramer.
Das DammwäldchenDas Dammwäldchen
Im Ehrenhof in der Bayreuther Innenstadt könnte schon bald ein Augustiner-Bräuhaus entstehen. Foto: Florian André UnterburgerIm Ehrenhof in der Bayreuther Innenstadt könnte schon bald ein Augustiner-Bräuhaus entstehen. Foto: Florian André Unterburger
Lothar Wolf, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, mit seinen Söhnen Chris und Tim (von links). Lothar und Chris gehören in der Vereinsgeschichte der SpVgg zu den Leistungsträgern der ersten Mannschaft, Tim spielte bei den Junioren des 1. FC Nürnberg. Foto: Stephan Müller.Lothar Wolf, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, mit seinen Söhnen Chris und Tim (von links). Lothar und Chris gehören in der Vereinsgeschichte der SpVgg zu den Leistungsträgern der ersten Mannschaft, Tim spielte bei den Junioren des 1. FC Nürnberg. Foto: Stephan Müller.
Grabstein der Stecknadelbraut. Foto: Stephan MüllerGrabstein der Stecknadelbraut. Foto: Stephan Müller
Beim Brand im Jahr 1621 wurde der Markt von der Beim Brand im Jahr 1621 wurde der Markt von der "Schmidgass", also der heutigen Kanzleistraße, bis zum Mühltürlein verwüstet. Diesem Brand fiel auch das erste Bayreuther Rathaus (zwischen der Mohrenapotheke und dem Kaufhaus Karstadt) zum Opfer. Foto: Archiv Bernd Mayer
Paul McCartney als Festspiel-Solist? Die Bayreuther glaubten es. Symbolbild: pixabayPaul McCartney als Festspiel-Solist? Die Bayreuther glaubten es. Symbolbild: pixabay
Manfred Kreitmeier mit Bundeskanzler Willy Brandt. Archivfoto: Stephan MüllerManfred Kreitmeier mit Bundeskanzler Willy Brandt. Archivfoto: Stephan Müller
Henrik Ohlmeyer. Archivfoto: Sportamt BayreuthHenrik Ohlmeyer. Archivfoto: Sportamt Bayreuth
Das Festkonzert zur Grundsteinlegung im Markgräflichen Opernhaus: „Wie ein Narr ist er in die Luft gesprungen, hat Lorbeerkränze in die Luft geschmissen, drei Taktstöcke zerschlagen und dann ein Stuhlbein herausgerissen und damit weiterdirigiert ...“ Foto: Archiv Bernd Mayer.Das Festkonzert zur Grundsteinlegung im Markgräflichen Opernhaus: „Wie ein Narr ist er in die Luft gesprungen, hat Lorbeerkränze in die Luft geschmissen, drei Taktstöcke zerschlagen und dann ein Stuhlbein herausgerissen und damit weiterdirigiert ...“ Foto: Archiv Bernd Mayer.
Die Stadt Bayreuth trauert um ihren ehemaligen Jugendpfleger, der Schwimmverein um seinen Ehrenvorsitzenden Helmut Künzel. Archiv: Stefan Müller.Die Stadt Bayreuth trauert um ihren ehemaligen Jugendpfleger, der Schwimmverein um seinen Ehrenvorsitzenden Helmut Künzel. Archiv: Stefan Müller.
September 1929: Gottfried Weimann bei einem Leichtathletik-Wettbewerb in Basel. Foto: Archiv Stephan Müller / Familie WeimannSeptember 1929: Gottfried Weimann bei einem Leichtathletik-Wettbewerb in Basel. Foto: Archiv Stephan Müller / Familie Weimann
Der Großstaffellauf der Bayreuther Vereine, an dem regelmäßig über 30 Mannschaften teilnahmen. Der Start war am Alten Schloss. Zehn Staffelläufer pro Verein mussten unter den Anfeuerungsrufen von vielen tausend Bayreuthern die Runde über den Markt, über die Sophienstraße, Friedrichstraße, Ludwigstraße und Sternplatz bewältigen. Im Hintergrund warten Jugendliche auf dem Fama-Brunnen auf den Knall der Startpistole. Foto: Archiv Erich Scholti.Der Großstaffellauf der Bayreuther Vereine, an dem regelmäßig über 30 Mannschaften teilnahmen. Der Start war am Alten Schloss. Zehn Staffelläufer pro Verein mussten unter den Anfeuerungsrufen von vielen tausend Bayreuthern die Runde über den Markt, über die Sophienstraße, Friedrichstraße, Ludwigstraße und Sternplatz bewältigen. Im Hintergrund warten Jugendliche auf dem Fama-Brunnen auf den Knall der Startpistole. Foto: Archiv Erich Scholti.
Die Polizeipyramide der Bayreuther Die Polizeipyramide der Bayreuther "Stadtpolizei" mit (von oben nach unten und von links nach rechts) bei der Veranstaltung "Bürger, Polizei, Streitkräfte" im Städtischen Stadion. Im Jahr 1972 wurde die Stadtpolizei "verstaatlicht". Die Bayreuther Polizisten Beamte des Freistaates Bayern. Foto: Archiv Bernd Mayer.
Im Sommer 1997 organisierte der Festspielchor eine Ausflugsfahrt nach Eisenach. Im großen Saal der Wartburg bekam Chorleiter Norbert Balatsch nicht nur ein Im Sommer 1997 organisierte der Festspielchor eine Ausflugsfahrt nach Eisenach. Im großen Saal der Wartburg bekam Chorleiter Norbert Balatsch nicht nur ein "Ständchen" zu seinem 25-jährigen Bayreuth-Jubiläum sondern auch Geschenke von den Chorvorständen Richard Rost, Hartwig Adler und Petra Salzburger-Brehmer. Foto: Stephan Müller
Ludwig Frölich war von 1902 bis 1960 mit einer Unterbrechung in der Nachkriegszeit über einen Zeitraum von fast sechs Jahrzehnten Bayreuther Stadtrat. Das Foto zeigt Ludwig Frölich an seinem 90. Geburtstag im Bayreuther Rathaus. Es gratulieren Landtagsvizepräsident Georg Bantele (links) und dritter Bürgermeister Kurz Kowohl (mit Amtskette). Foto: Archiv Bernd Mayer.Ludwig Frölich war von 1902 bis 1960 mit einer Unterbrechung in der Nachkriegszeit über einen Zeitraum von fast sechs Jahrzehnten Bayreuther Stadtrat. Das Foto zeigt Ludwig Frölich an seinem 90. Geburtstag im Bayreuther Rathaus. Es gratulieren Landtagsvizepräsident Georg Bantele (links) und dritter Bürgermeister Kurz Kowohl (mit Amtskette). Foto: Archiv Bernd Mayer.
Vertrauter Blick zwischen Wolfgang Wagner und Eva Wagner-Pasquier. Foto: Stephan MüllerVertrauter Blick zwischen Wolfgang Wagner und Eva Wagner-Pasquier. Foto: Stephan Müller
Osterbrunnen sind eine fränkische Tradition. Foto: Stephan MüllerOsterbrunnen sind eine fränkische Tradition. Foto: Stephan Müller
Hans Walter Wild und Wolfgang Wagner.Hans Walter Wild und Wolfgang Wagner. Foto: Stephan Müller
Markgraf Christian Ernst, Namensgeber des Bayreuther Gymnasium Christian Ernestinum, kämpfte 1683 im Markgraf Christian Ernst, Namensgeber des Bayreuther Gymnasium Christian Ernestinum, kämpfte 1683 im "Türkenkrieg" vor Wien. Foto: Archiv Bernd Mayer
Antreten zum Schneeschippen im Jahrhundertwinter 1962/63. Nachdem ein Viertel der Bauhofmitarbeiter aufgrund ihres wochenlangen Einsatzes erkrankten, berief Oberbürgermeister Hans Walter Wild seine Beamten zum Schneeschippen. Foto: Archiv Bayreuther TagblattAntreten zum Schneeschippen im Jahrhundertwinter 1962/63. Nachdem ein Viertel der Bauhofmitarbeiter aufgrund ihres wochenlangen Einsatzes erkrankten, berief Oberbürgermeister Hans Walter Wild seine Beamten zum Schneeschippen. Foto: Archiv Bayreuther Tagblatt
Werdgegang der SpVgg Bayreuth: Hans-Walter-Wild-Stadion
St. Georgen mit Sophienberg,
Mark-Twain
Die Stadtansicht zeigt Bayreuth um 1680. Der Hof-Musikus Georg Carl war 1675 am Hofe des Markgrafen Christian Ernst im Stadtschloss (links) in Anstellung. Foto: Archiv Bernd MayerDie Stadtansicht zeigt Bayreuth um 1680. Der Hof-Musikus Georg Carl war 1675 am Hofe des Markgrafen Christian Ernst im Stadtschloss (links) in Anstellung. Foto: Archiv Bernd Mayer
Stempfermühle zur Sachsenmühle geht zu Fuß in etwa 30 Minuten. Der Wanderweg führt völlig eben am Ufer der Wiesent entlang. Mit Glück kommt sonntags die Museumsbahn vorbei.